Montag, 9. Mai 2016

Wer ist Anonymous und für oder gegen wen kämpfen sie?

Guy Fawkes, beziehungsweise die Gestalt, die er im Comic „V wie Vendetta“ annimmt, beruht auf einer Person im Britannien des 17. Jahrhunderts. Historisch gesehen war Guy Fawkes ein katholischer Terrorist, der am 5. November 1605 das britische Parlament in die Luft sprengen wollte. Seither feiern die Briten dieses Scheitern mit dem Zünden von Feuerwerk und dem Verbrennen von Guy Fawkes-Masken. Die durch Anonymous berühmt gewordene Maske ist bekannt geworden durch den Helden „V wie Vendetta“, der von Alan Moore und David Lloyd geschaffen wurde.
 Im daraus resultierenden Film „kämpft ein maskierter Rächer auf teils brutale Weise gegen das totalitäre System, von dem ein postapokalyptisches Großbritannien beherrscht wird.(...) Der Maskenmann im Comic ist eine Art gespaltener Superheld mit sehr finsteren Seiten. Im Film kommt der Rächer, der sich selbst nur »V« nennt, etwas besser weg. (…) Am Ende des Films, als die Jagd auf den einsamen Guerillero ihren Höhepunkt erreicht, tauchen plötzlich Aberhunderte von Menschen mit den gleichen Masken auf den Straßen Londons auf und machten es dem faschistischen Sicherheitsapparat so unmöglich, den Gesuchten in der Menge zu finden. Solidarität in gemeinsamer Anonymität – dieses Bild gefiel vielen Anons* [Anons sind Anhänger von Anonymous, d.V.] so gut, dass sie es, die zwiespältige Historie ignorierend oder bewusst akzeptierend, kurzerhand zum Symbol ihres anonymen Kollektivs erklärten“ (Lischka u.a. 2012, S. 64f.).
Anfänge des Hacktivismus, 4chan und Anonymous

 Die Geburtsstunde des Hackens fand 1946 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in dem Modelleisenbahnklub „tech model railroad club“ statt. Das Hacken war anfangs nur eine Bewegung von Studierenden, die Witzeleien oder skurrile Taten vollbrachten, damit die Menschen unterhalten oder belustigt wurden. Beispielsweise vermaßen sie eine Brücke mit der Länge des Körpers einer Person namens Brian. Sie nahmen Brian als Maßeinheit und gaben die Länge der Brücke in „Brians“ an (vgl. Anonymous - Die Hacker / Dokumentation 2014).

Aus solchen Streichen entstand dann das uns heute bekannte hacking. Später nutzten Ingenieure und Informatiker dieses Phänomen und führten es auf kreative Weise weiter. Dies führte später dann zu Protestwellen im Internet. Derartige Internetproteste und -demonstrationen wurden in den 1990er Jahren mit dem Begriff des „Hacktivismus“ zusammengefasst.
"Hacken für einen politischen Zweck, nicht nur im strengen Sinne das Einbrechen in ein Computersystem, sondern weiter gefasst. Hacktivismus ist Einsatz von Technik zu einem Zweck, für den die Technik ursprünglich nicht vorgesehen war, und zwar einem explizit politischen“ (Lischka u.a. 2012, S. 59).
Mitte der 1980er Jahre gründete sich eine Hacktivisten-Organisation namens „Cult of the Dead Cow" (kurz cDc). Sie stellte eine Software bereit, mit deren Hilfe Hacktivisten andere Computer fremdsteuern konnten. Zudem hackten sie selbst und galten als extreme Organisation, die sich für die Menschenrechte und freie Kommunikation mit Hilfe des Internet einsetzte (vgl. Anonymous - Die Hacker / Dokumentation 2014). Sie schrieben unter anderem ein Computerprogramm, bei dem es Personen, die überwacht wurden, möglich gemacht wurde, unkontrolliert zu kommunizieren.

Der Hacktivist wird im Oxford Wörterbuch als „a person who gains unauthorized access to computer files or networks in order to further social or political ends“ definiert (http://www.oxforddictionaries.com/definition/english/hacktivist). Der Hacktivismus stellt die Großen und Mächtigen der Welt bloß und klärt Menschen über Ungerechtigkeiten, wirtschaftliche Verstrickungen und Missstände auf. Er bedient sich ungewöhnlicher, meist illegaler Wege, um diese Art Aufklärung und Demonstrationen durchführen zu können.

Früher gab es Sitzblockaden und Flyerkampagnen, um die Leute aufzuklären und sie zum Mitmachen zu bewegen. Der Hacktivismus geht auf der virtuellen Ebene gegen Weltkonzerne, Sekten und Regierungen vor, meist deswegen, weil sie Menschenrechte oder Werte verletzt haben. Sie blockieren die Webseiten oder schaffen Räume, damit Personen unzensiert kommunizieren können.


Ausgangspunkt der Gründung von Anonymous war die Internetseite 4chan.org:
„Diese Webseite ist ein 'Raum' für uneingeschränkte Darstellungen, der bis zu 80.000 BesucherInnen gleichzeitig anzieht, es im Monat auf bis zu 8 Millionen Einzelbesucher und 800 Millionen gelesene Seiten bringt und der eine Hochburg der Cyberkultur bildet; ein Treffpunkt, der auch heute noch von den Anonymous-AktivistInnen stark genutzt wird“ (Bardeau/Danet 2012, S. 53).
Gegründet wurde die Seite von Christopher Poole. Er ließ sich von der japanischen Webseite „Futuba Channel“ inspirieren und gründete ein englischsprachiges Pendant dazu. Auf dieser Seite können die User Bilder hochladen, ohne sich anmelden zu müssen. Sie sind anonym. Deshalb kann man alle erdenklichen Inhalte auf dieser Seite finden. Von Anleitungen über Origami bis hin zu Waffen und anderen Themen (vgl. Anonymous - Die Hacker / Dokumentation 2014).

Es darf auch über die Bilder diskutiert werden, man nennt dies ein Imageboard. 4chan ist in Unterkategorien sortiert und jede dieser Unterkategorien verfügt über ein eigenes Imageboard. Den größten Zulauf hat das Imageboard „/b/ random“. Ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass man über „/b/ random“ eigentlich nicht sprechen darf. Diese Abmachungen und Regeln sind bei 4chan in den „Rules of the internet“ festgeschrieben.

Auf diesen Imageboards werden Bilder hochgeladen, kommentiert und diskutiert (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/4chan). Durch die Schnelllebigkeit des Internets und je nach Beliebtheit und Kapazität des jeweiligen Imageboards werden die Bilder nach wenigen Minuten, Stunden oder Tagen durch neuere Bilder oder Threads ersetzt. Ein Thread ist die englische Bezeichnung für das Wort „Faden“.
Threads sind „(a)ufeinander bezogene Einträge in einer Newsgruppe oder einem Online- Forum. Der Thread startet mit einem beliebigen Beitrag (zum Beispiel zum Thema „das beste Betriebssystem“), auf den es bald darauf zahlreiche Antworten (Replies, auch mit „Re:“ gekennzeichnet) und Antworten auf Antworten gibt. Alle zusammen bilden den Thread. Über kurz oder lang driftet das Thema ab, weil neue Ideen aufkommen. Entweder startet dann jemand einen neuen Thread oder ändert nur die Überschrift“(http://lexikon.martinvogel.de/thread.html).
Gibt es keine Threads mehr oder sind sie nicht mehr aktuell, werden sie von der Seite gelöscht. Dadurch versuchen die User, ihre Threads so langlebig wie möglich zu halten. Dies schaffen sie nur durch lustige, abstoßende, schräge oder verstörende Beiträge, die lange im Gespräch bleiben und viele Threads auslösen können (vgl. Anonymous - Die Hacker / Dokumentation 2014).

Viele Hypes aus dem Internet, also Videos, Bilder oder Beiträge, die über die sozialen Netzwerke große Bekanntheit und Beliebtheit erlangt haben, die sogenannten „Mem(e)s“, sind erstmalig in 4chan aufgetaucht und veröffentlicht worden (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Internetph%C3%A4nomen).
„Die Bezeichnung hat der Biologe Richard Dawkins einst erfunden, um seine These von den ›egoistischen Genen‹, die sich in der Menschheitsgeschichte hindurch fortpflanzen möchten, auf Ideen auszuweiten. Ein Mem ist Dawkins zufolge ein Gedanke, ein Konzept, eine Theorie, die sich von Kopf zu Kopf verbreitet. Je haftender, je widerstandsfähiger und je fortpflanzungsfähiger sie ist, desto größer ist ihre Überlebenschance. Der Katholizismus ist demnach ein Mem - ein besonders mächtiges -, aber auch der Gedanke, dass alle Menschen gleich und frei geboren sind, Verschwörungstheorien ebenso wie die leicht surrealen running gags, die 4chan über die Jahre am laufenden Band hervorgebracht hat“ (Lischka u.a. 2012, S. 14f.).
Als Beispiel dafür, dass in dem Forum 4chan oftmals ein Internettrend seinen Ursprung hat, gilt das sogenannte „Rickrolling“. 2007 hatte sich dieser Trend über die Netzwerke weit verbreitet.
„Nutzer werden unter einem Vorwand dazu gebracht, auf einen Link zu klicken. Zu sehen gibt es dann nicht die versprochenen Nacktfotos oder Enthüllungen, sondern das Musikvideo zu Rick Astleys ›Never Gonna Give You Up‹, einem Popsong aus den achtziger Jahren, der trotz eingängiger Melodie und Föhnfrisuren fast in Vergessenheit geraten war“ (Lischka u.a. 2012, S. 15f).
Ein Mem durchläuft nach dem Modell des US-Journalisten Cole Stryker sieben Phasen. Die erste Phase ist die Geburt, bei der jemand ein Bild oder Video ins Netz stellt. Bis der zweite Schritt eintritt, die Entdeckung, können Monate oder sogar Jahre vergehen. Jemand entdeckt das Bild und stellt es auf 4chan.org, und es folgen unter Umständen Hunderte von Kommentare und Reaktionen auf dieses Bild.

Bei Bildern können Texte hinzugefügt werden oder es könnte mit einem bereits existierenden Mem vermischt werden, bei Videos könnte auch ein Remix entstehen. Die nächste Stufe ist dann die Aggregation. Es gibt bestimmte Internetseiten, auf denen die User über die Popularität abstimmen dürfen. Wenn ein Mem sehr beliebt ist, ist es ganz oben auf der Seite und gewinnt dadurch natürlich neue Zuschauer und Popularität.

Im Anschluss werden beliebte Memes über die sozialen Netzwerke weitergeleitet, und es entsteht der nächste Schritt: die Mundpropaganda. Beliebte Memes werden oft in Facebook oder Twitter geteilt und erlangen somit mehr Popularität. Auch bekannte Blogs schreiben über Memes und informieren über die Variationen, die es schon gibt. Der letzte Schritt erfolgt nur in seltenen Fällen, denn ein Mem muss es dabei ins Fernsehen oder in die Werbung schaffen. Dieser Schritt wird als Kommerzialisierung bezeichnet (Lischka u.a. 2012, S. 16f.).

Weil man sich auf 4chan.org nicht anmelden muss, um etwas posten zu dürfen, gibt es viele Beiträge, Threads oder Mem(e)s, die mit den Usernamen „anonymous“ veröffentlicht werden.
„Hier liegt also der Ursprung des Phänomens Anonymous, (…) in der Anonymität, die auf dem Netz 4chan grundsätzlich gewährt wird. Dort existiert die Möglichkeit, etwas zu publizieren, ohne durch etwas Anderes als seine Nachricht identifiziert zu werden, einzig und allein durch das, was man im Netz herstellt“ (Bardeau/Danet 2012, S. 55).
Anonymous bedient sich anfangs häufig des Trollings. Das ist eine Ablenkung vom sachlichen bzw. eigentlichen Thema und dient hauptsächlich dem Zweck der Aufmerksamkeit. Ähnlich sind die Lulz, die sich Anonymous anfangs zu eigen machen.
„Beginning as a plural variant of lol, Lulz was originally an exclamation but is now often used as a noun meaning interesting or funny internet content“ (http://de.urbandictionary.com/define.php?term=lulz).
Lulz entstand aus dem Kürzel „laughing out loud“ und soll Leute unterhalten, schockieren, denunzieren oder anderweitig episch sein. Epic ist auch ein Wort, dass in der Anonymous- und damit 4chan-Sprache oft fällt.

Ursprünglich ging es bei Anonymous darum, Spaß und Scherze im Internet zu treiben. Als sich am 23. August 2006 auf 4chan illegale Raids und Inhalte türmten und überhandnahmen, sah sich 4chan gezwungen, neue Regeln einzuführen. Wer etwas Illegales postete, wurde verbannt. Da sahen sich einige User von 4chan gezwungen zu handeln, da dies ihrer Meinung Zensur sei und die Meinungsfreiheit einschränken würde.

Sie organisierten sich auf einer neuen Homepage mit dem Namen 7chan und legten das Unterforum ›/b/random‹ für zwei Tage lahm. Auf 7chan gab es ebenfalls ein Unterforum namens /b/, auf welchem Anonymous verlauten ließ, dass sie sich von 4chan distanzieren wollen und in unsicheren Zeiten die unabhängige, weltweite Nation 7chan.org gegründet hätten (vgl. Lischka u.a. 2012, S. 30).

Eine der ersten bekannteren Aktionen war der Anonymous-Angriff auf die Internetseite „Habbo Hotel“. Habbo Hotel stellt eine heile Welt dar - ein gefundenes Fressen für Trolle und Lulz. Die Avatare von Anonymous hatten alle graue Anzüge an und einen riesigen Afro. Die User störten Gespräche, gaben rassistische Kommentare von sich und versperrten den Zugang zum Pool. In Deutschland stellten sich die „Störer“ sogar in Hackenkreuz-Form auf (das entsprechende Bild findet sich hier: http://www.thenation.com/wp-content/uploads/2015/03/swastika_poolsclosed_otu_img2.jpg).

Dadurch, dass bei dieser Aktion auch 4chan-User dabei waren, wurde die neue Regel eingeführt, dass solche Taten nicht mehr auf 4chan besprochen werden dürfen. Dies war zusätzlich ein Beweggrund dafür, eine neue Plattform der Kommunikation zu gründen, aus der sich dann Anonymous gebildet hat.

Die Motive hinter Anonymous waren anfangs für viele nicht nachvollziehbar. Sie machen das, um sich und ihre Community zu unterhalten, um möglichst viele Lulz, Raids und Reaktionen aller Art zu bekommen. Zur Politisierung, und damit zur Spaltung von Anonymous kam es dann 2008 mit dem Projekt Chanology.

Projekt Chanology


Der Name der Operation „Chanology“ setzt sich aus den Usern des Forum 4chan und dem Namen „Scientology“ zusammen. Ausgelöst wurde dieses Projekt durch ein Video von „Mission Impossible“-Darsteller und Scientologe Tom Cruise. Darin ist er in einem Interview zu sehen, in dem er beschreibt, wie er über die Sekte zu neuer Lebenskraft und Weltanschauung gekommen ist. Dabei ist vieles, was er sagt, ziemlich wirr und zusammenhangslos.
Ein Unbekannter stellte das Video, das nur für Werbezwecke der Sekte gedacht war, Anfang 2008 auf YouTube. Scientology wird immer wieder vorgeworfen, eine Art Gehirnwäsche bei ihren Mitgliedern vorzunehmen, und in Deutschland dachte man zu dieser Zeit laut über ein Verbot der Sekte nach (vgl. http://www.welt.de/politik/article1442295/Scientology-Verbot-ist-schwieriger-als-gedacht.html).
Die Anwälte von Scientology klagten wegen Urheberrechtsverletzungen immer wieder gegen Veröffentlichungen dieses Videos, scheiterten aber, da das Video sich schon längst viral verbreitet hatte. Es folgte die bis dahin größte Aktion von Anonymous. Sie schrieben:
„Ich glaube, es ist an der Zeit für /b/ etwas Großes zu tun. Den Leuten muss klarwerden, dass man sich nicht mit /b/ anlegt, dass man nicht zehn Minuten über nichts redet und erwartet, dass Menschen ihr Geld einer vollkommen sinnlosen Organisation geben. Ich spreche davon, die offizielle Scientology-Website zu >hacken< oder >auszuschalten<. Es ist an der Zeit, dass wir mit unseren Ressourcen etwas anstellen, was wir für richtig halten. Es ist für /b/ wieder an der Zeit, etwas Großes zu tun (…)“ (Lischka u.a. 2012, S. 52f.).
Die Angriffe wurden Anfang 2008 von den Hackern gestartet. Sie griffen die Seite mit DDoS-Attacken (DDoS = Distributed Denial of Service) an, um sie für andere User nicht mehr erreichbar zu machen. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem ein Webserver von verschiedenen Computern aus Tausende von Anfragen bekommt. Da der Server mit der Be- und Verarbeitung von so vielen Datenpaketen überfordert ist, stürzt er ab, und man kann auf die Webseite nicht mehr zugreifen (vgl. Lischka u.a. 2012, S. 56).
Zudem schickten sie Faxe mit schwarzen Seiten, damit bei Scientology die Papier- und Tintenressourcen aufgebraucht werden und ein wirtschaftlicher Schaden entsteht. Auch die Hotline von Scientology wurde blockiert und der Song „Never gonna give you up“ wurde beim Abnehmen des Hörers gespielt. Anonymous machte aus Lulz Waffen.
Kurz nach der ersten Anschlagswelle, die drei Tage gehen sollte, folgte ein Bekennerschreiben von Anonymous. Das Projekt Chanology bekam viel Aufmerksamkeit von den Medien. Obwohl viel Negatives berichtet wurde, gewann Anonymous dadurch viele Anhänger.
Der langjährige Scientology-Kritiker Marc Bunker richtete sich in einem Video an Anonymous mit dem Hinweis, die Organisation solle mit legalen Methoden gegen Scientology kämpfen und am besten nicht nur online, sondern auch auf der Straße.
Dies nahm Anonymous zum Anlass, um am 2. Februar 2008 eine Test-Demo in Orlando im Bundesstaat Florida durchzuführen. Anonymous kehrte damit zu den Grundlagen des Protests zurück und organisierte Demonstrationen vor den Gebäuden von Scientology. Als dies gut funktionierte, formierte Anonymous eine zweite Runde des realen Protests und rief am 10. Februar 2008 zum Demonstrieren auf. Anonymous-Aktivisten vermummten sich und trugen die Guy Fawkes Maske, die inzwischen zum Symbol von Anonymous geworden war, um ihre Identität zu verstecken.
Mit dem Datum hatte es eine besondere Bewandtnis. Es war der Geburtstag von Lisa McPherson, die 1995 unter der „schützenden Hand“ von Scientology ums Leben gekommen war. Um elf Uhr am 10. Februar 2008 versammelten sich in Hunderten Städten etwa 5500 Demonstranten.
Im März 2008 trafen zum ersten Mal WikiLeaks und Anonymous aufeinander. WikiLeaks veröffentlichte interne Dokumente von Scientology.
„Nach mehreren Demonstrationen in den Jahren 2008 und 2009, insbesondere in Frankreich, wo die Anonymous-Aktivisten den Kampf gegen die Scientology-Sekte als Matrix beibehielten, ist das Projekt Chanology weiterhin aktiv und organisiert sich eher in speziellen Internetforen. Zusammen mit den Gegnerinnen und Gegnern von Scientology hat Anonymous einen frischen Wind des Free Speach aufgebracht, einer im Protest befreiten Rede, welche die beste Waffe gegen die Sekte darstellt. Für diejenigen, die Scientology entrinnen, kann Anonymität - wie sie durch die Cyberkultur angeboten und bewusst gewahrt wird - einen ersten Schritt bilden, um zu erzählen, was sie erlebt haben“ (Bardeau/Danet 2012, S. 70). 
Operation Payback und ihre Folgen
Nachdem WikiLeaks und damit Julian Assange interne Dokumente von Scientology veröffentlicht hatte, wurde auch WikiLeaks durch Gerichtsprozesse von Scientology angegriffen. Die Folgen waren noch mehr Veröffentlichungen auf dem WikiLeaks-Server.
Doch das sollten nicht die einzigen Berührungspunkte zwischen WikiLeaks und Anonymous bleiben. Als WikiLeaks im November 2010 Diplomatendokumente von über 200.000 US-amerikanischen Beamten veröffentlichte, gab es einen großen, medialen Aufruhr.
„Die Informationen, die schrittweise mit Hilfe großer internationaler Zeitungen veröffentlich wurden, [WikiLeaks arbeitet für diese Operation mit fünf Zeitungen zusammen: El Pais, Le Monde, The Guardian und die New York Times] enthielten Notizen aus US-amerikanischen Botschaften zu zahlreichen Themen der internationalen Politik. Ohne herausragende Informationen zu enthüllen, boten die Telegramme einen einmaligen Einblick in US-amerikanische Außenpolitik“ (Bardeau/Danet 2012, S. 89).
Die Operation, die Anonymous dann durchführte, wurde eine der größeren Aktionen von Anonymous und hieß „Operation Payback“. Die Operation lief bereits, als WikiLeaks einen großen Durchbruch und große Aufmerksamkeit erlangte. Allerdings mit einem anderen Ziel. Anonymous richtete sich gegen die Bollywood Filmindustrie, die Mitte 2010 durch eine Software namens „Airplex“ verhindern wollte, dass User Filme streamen und herunterladen.
Anonymous-Anhänger starteten mehrere DDoS-Attacken auf einschlägige Internetseiten (Vereinigung von Urheberrechtsinhabern in den USA, Lobbyvereinigung der US-amerikanischen Filmindustrie sowie britische und internationale Phonographie-Vereinigung). Die Seiten wurden 30 Stunden vom Netz genommen.
Weil die Unternehmen PayPal, Visa, Mastercard, PostFinance und Amazon ihre Spenden und Überweisungstätigkeiten gegenüber WikiLeaks durch den medialen Hype und die moralische Fragwürdigkeit aus Sicht der amerikanischen Regierung einstellten, griff Anonymous ein und wendete sich gegen die Finanzunternehmen.
Die Seiten von Mastercard und Visa waren sehr schnell nicht mehr erreichbar, die PayPal-Seite konnte allerdings nicht „ausgeschaltet“ werden. Bei PayPal gingen die Zahlungsabwicklungen langsam und wurden durcheinandergebracht. Natürlich kam es zu Schäden bei Kunden und somit bei den Unternehmern, allerdings nahm keines der Unternehmen ernsthaft Schaden von diesen Aktionen.
„Aber indem sie so vorgingen, sandte Anonymous ein starkes Signal aus und zeigte, dass es möglich ist, den „Mächtigen“ auf WikiLeaks ausgeübten Druck umzukehren“ (Bardeau/Danet 2012, S. 92). „Mit WikiLeaks waren die Anonymous-Aktivisten nun also endgültig in eine Informationsschlacht verwickelt, in der, schematisch ausgedrückt, die Anhänger der Geheimhaltung und jene der Transparenz einander gegenüberstanden“ (Bardeau/Danet 2012, S. 93).
[Ende des lektorierten Teils des Textes]

Für Anonymous ist durch die Aktionen gegen Scientology, die Operation „Payback“ und später der Occupy- Protest ein Hauptziel festzustellen, sie wollen Transparenz in der Informationsgesellschaft fordern und weisen mächtige Menschen, Konzerne und Regierungen in ihre Schranken. Zudem ist die Anonymität im Internet die einzige Möglichkeit, Kritik an Institutionen zu üben, ohne fürchten zu müssen, dass der Geheimdienst oder der Jurist an der Haustür klingelt. Die Anons sind durch die Aktionen Experten für Überwachung geworden und schaffen dadurch die Möglichkeit, Regierungen, Institutionen und Unternehmen zu behindern und dadurch Druck auf entsprechende Personen ausüben zu können. Das eröffnet Chancen für unsere Weltordnung, allerdings auch Gefahren. 

Wer ist Anonymous und welches Potential haben sie?

Anonymous zu definieren ist ein höchst schwieriges Unterfangen. Gabriella Coleman, eine Anthropologin der New Yorker Universität, die Anonymous seit 2008 untersucht, erklärt Anonymous mit folgenden Worten. »Anonymous« ist eine Protestbewegung, die im Internet entstand, aber sich nicht auf das Internet beschränkt, die ihre eigenen Aktionen ohne Koordination entwickelt, sich aber anderen Protestbewegungen annähert. »Anonymous« bildet eine offene Bezeichnung, zu der sich alle bekennen können, sofern sie die Kennzeichen von »Anonymous« benutzen und Aktionen in ihrem Namen durchführen. (Vgl. https://www.cigionline.org/publications/2013/9/anonymous-context-politics-and-power-behind-mask)
„Anonymous ist keine Vereinigung oder NGO und stützt sich auf keine legale Struktur. Im Internet entstanden, ist Anonymous in kein amtliches Register eingetragen, auch wenn man ihren Namen sicherlich bei allen Geheimdiensten der Regierungen antrifft.“ (Bardeau/Danet 2012, S. 97)
Es gibt also keine organisierte Struktur oder Hierarchie, allerdings gibt es sicherlich bestimmte Personen, die mehr Gehör bekommen als andere. Anonymous selbst bezeichnet die eigene Struktur als eine Horizontale.

Es gibt keine Mitgliederliste, weswegen niemand weiß, wie viele Aktivisten in Anonymous aktiv sind. Zudem sind Anons dazu aufgerufen sich nur in Kleingruppen zu unterhalten oder persönlich kennen zu lernen. Man kann nur in verschiedenen Unterforen die Unterhaltungen über ein bestimmtes Projekt verfolgen, wenn man weiß, dass sich Anonymous- Aktivisten über ein Projekt unterhalten. Letztendlich könnte sich jeder zu Anonymous bekennen, weshalb ein gemeinsamer Kurs sehr schwer zu sein scheint.

Im Jahre 2011 kam es in der Anonymous- Hackergruppe zu einer Abspaltung. Ein paar User von Anonymous, die sich anfangs von 4chan abspalteten, gingen immer wieder gegen politische Handlungen der Gruppe vor und veröffentlichten wütende Threats, bei denen es hauptsächlich um die Ziele und Motive von Anonymous ging. Für einige User geht es immer noch nur um die Lulz und nicht darum, sich politisch einzumischen.

Im Jahre 2011 spaltete sich aus Anonymous die Untergruppe LulzSec ab, die 50 Tage lang eine Art Seifenoper aufführte. Das erste Opfer war der Sender Fox. Nicht nur, dass die Hacker die Daten von rund 63.000 Kandidaten der Show „X- Faktor“ veröffentlichten (kriminelle Hacker hätten daraus vermutlich Geld gemacht), sie veröffentlichten zudem die Login- Daten der 363 Mitarbeiter des Senders Fox. Sie verunstalteten Seiten und hackten den Twitter Account, damit sie Nachrichten veröffentlichen konnten. Bei LulzSec ging es nur um die Lulz.
LulzSec machte weiter und veröffentlichte verschiedene Datenpakete von Unternehmen und Behörden und machte sich via Twitter über die Opfer lustig. LulzSec soll einerseits wie ein Firmenname klingen und anderseits wie „lächerliche Sicherheit“. „Die Truppe mit dem auf 4chan- Sprache rekrutierenden Namen entpuppte sich als eine Art radikalisierte, enthemmte Variante von Anonymous, die weitgehend ohne Rücksicht auf Verluste ihre Späße trieb(..).“ (Lischka u.a. 2012, S. 187)
LulzSec hackten die Internetseiten des US- Außengeheimdienstes (CIA) und des Senats. LulzSec konzentrierte sich nicht nur auf das Aufspüren von Sicherheitslücken, sondern auch auf ihre Show. „Weil einige der Kernmitglieder offenbar zuvor bei Anonymous (….) aktiv waren, galt LulzSec schnell als Splittergruppe, sozusagen der bewaffnete Arm von Anonymous – auch wenn LulzSec diese Verbindung selbst früh zurückwies.“ (Lischka u.a. 2012, S. 188)
Sie hackten zudem den Nachrichtensender PBS, nachdem sie eine Falschmeldung über die sozialen Netzwerke verlauten ließen. Zusätzlich klaute LulzSec Daten von verschiedenen Usern und Mitarbeitern. Bis die Seite wieder unter Kontrolle war, verging einige Zeit.
Die Hacker- Gruppe stahl zudem Daten von Sony und verspottete die Firma, weil es unwahrscheinlich einfach gewesen sein musste, an sämtliche Daten von den Nutzern des Konzerns zu gelangen. In dieser Aktion traf es auch den Konzern Nintendo, Pornoseiten und sogar die IT- Sicherheitsfirma Black & Berg Cybersecurity Consulting. Bei LulzSec ging es immer nur um die Lulz, ohne Rücksicht auf Verluste, obwohl sie dadurch ein Hackerethik- Gebot verletzten „»Öffentliche Daten nützen, private schützen«“ (Lischka u.a. 2012, S. 191).
Am 26. Juni 2011 verabschiedete sich LulzSec schließlich, kurz zuvor hatten sie zusammen mit Anonymous die „Operation Anti Security“ ins Leben gerufen.

Anonymous begibt sich im Bereich der Hacker daher immer in die Gefahr, dass Hack- Angriffe auf die Organisation zurückgeführt werden, auch wenn es dabei nur um Erwerb von Daten und Informationen geht. Aus diesem Grund muss Anonymous immer wieder Dementis veröffentlichen und leugnen, dass bestimmte Aktionen auf sie zurückgehen.
Durch die Anonymität der User kann auch keine bestimmte politische Richtung bestimmt werden. Anonymous setzt sich für die Presse- und Informationsfreiheit ein, allerdings unterstellen kritische Stimmen Anonymous Rechtspopulismus und Propaganda, da angebliche „freie“ Informationen, die veröffentlicht werden, häufig zwischen den Zeilen ein politisch rechtspopulistisches Meinungsbild hinterlassen. Das ist das Problem mit der Anonymität. Jeder kann das sagen, was er will, auch wenn dies eine Gefahr für den unkritischen Leser bürgt. Vor allem im Bezug des Rechtspopulismus wird eine gewisse Bewegung mit antidemokratischen Zügen nicht von der Hand zu weisen sein. Wenn man allerdings die großen Aktionen von Anonymous betrachtet, würde man nicht an antidemokratisches Gedankengut denken. Als Beispiel ist hier ein Vorfall aus dem Jahr 2014 zu nennen, bei dem die deutsche Facebook- Seite von Anonymous dazu aufrief, Facebook- Seiten und andere Webseiten von Medien zu zuspamen. Der „Aufruf »zum Guerilla Krieg auf den Facebook- Seiten deutscher Medien« startete eine Facebook- Seite im Namen von Anonymous (…)“ (http://www.ndr.de/nachrichten/netzwelt/Verschwoerungstheorie-im-Namen-von-Anonymous,montagsdemonstrationen101.html)
„Als "Anonymous-Kollektiv" auftreten, sich der Logos und Machart bedienen, kann freilich jeder. Aber die fragliche Seite hat stolze 400.000 Fans bei Facebook. Mehrere andere Kommunikationskanäle von Anonymous-Aktivisten distanzieren sich aber davon: »Die Seite hat schon lange nichts mehr mit Anonymous zu tun, selbst wenn hin- und wieder Anonymous-relevante Neuigkeiten gepostet werden«(….).“ (http://www.ndr.de/nachrichten/netzwelt/Verschwoerungstheorie-im-Namen-von-Anonymous,montagsdemonstrationen101.html)
Dabei spielt die Facebook- Seite von Anonymous eine Hauptrolle. Es heißt auf zeit.de, „Ein Beispiel ist die deutsche Facebook-Seite Anonymous.Kollektiv. Mit fast 1,5 Millionen Likes zählt sie zu den scheinbar beliebtesten Sprachrohren der Bewegung im deutschsprachigen Raum. (…..) Beim genaueren Hinsehen aber fallen nicht etwa Meldungen über die Aktionen von Anonymous auf, sondern vor allem die politische Ausrichtung der Betreiber: Da wird gegen die »Hetze der Lügenpresse« und den »Gutmenschen-Mob«, der sich gegen den Auftritt Xavier Naidoos beim ESC echauffiert hat, schwadroniert und vor »Diskriminierung der Deutschen im eigenen Land« und der »amerikanischen Kanzlerin in Berlin« gewarnt – Aussagen, wie man sie eher auf Veranstaltungen wie Pegida erwarten würde.“ (http://www.zeit.de/digital/internet/2015-11/anonymous-kollektiv-is-terrorismus-bilanz)
Die Facebook- Seite wurde vermutlich von einem gewissen Mario Rönsch ins Leben gerufen, das berichten zumindest einige Anonymous Aktivisten und die Zeitschrift „Vice“. Rönsch wird von den Anonymous- Aktivisten vorgeworfen, dass er auf der Seite nur seine eigene Meinung vertrete und verbreite. (Vgl. http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/facebook-spam-bei-deutschen-medien-unter-namen-anonymous-a-964869.html)

„Ein Aufruf, Medien zu attackieren - das passt nicht zum alten Hacker-Selbstverständnis der Informationsfreiheit: "Grundkonsens bei Anonymous war: Wir brauchen die Medien, um unsere Botschaft zu transportieren", sagte Ole Reißmann, Netzwelt-Redakteur bei Spiegel Online.“ (http://www.ndr.de/nachrichten/netzwelt/Verschwoerungstheorie-im-Namen-von-Anonymous,montagsdemonstrationen101.html)
Da diese Verbreitung von Informationen komplett gegen die früheren Bewegungen des Anonymous Kollektivs gehen, kann man davon ausgehen, dass der Name „Anonymous“ dafür benutzt wird, um Seriosität und „die gute Sache“ zu suggerieren und diese Tatsache kann natürlich ausgenutzt werden.

Letztlich lässt sich nicht sagen, wieviel und welche Gefahren und Chancen von Anonymous ausgehen, da sich viele verschiedene User mit verschiedenen Zielen und vielen verschiedenen Operationen hinter der Organisation verstecken. Sie können ihre Kraft und Macht nutzen, um freie Information weiterzugeben. Doch am Beispiel von LulzSec kann man erkennen, welche Gefahren von solchen Hackerorganisationen auch ausgehen können.

Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) – Ja/ Nein/ Vielleicht?

Im Januar 2015 geschah in Paris ein Anschlag auf die Redaktion der Satire Zeitung „Charlie Hebdo“. Sie veröffentlichten Muhamad Karikaturen und Anhänger des Islamischen Staates wollten sich dafür rächen. Schon damals hatte Anonymous angekündigt, gegen den IS kämpfen zu wollen.

Am 13. November 2015 wurde Paris erneut von Terroranschlägen getroffen, diesmal waren es Zivilpersonen in Bars, auf einem Konzert oder auf der Straße, die abends ausgegangen waren. Bei diesen Anschlägen starben mehr als 100 Personen.
Diesen tragischen Terroranschlag nahm Anonymous zum Anlass, um dem Islamischen Staat den Krieg zu erklären. Anonymous will in einem Acht- Punkte Plan den Islamischen Staat „»vom Erdboden auslöschen.«“ (http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article148990772/Der-Acht-Stufen-Plan-von-Anonymous-gegen-den-IS.html)
„Nur einen Tag nach den Anschlägen von Paris erklärten Hacker dem Islamischen Staat (IS) den Cyberkrieg. Unter der Flagge der Anonymous-Bewegung erschien ein YouTube-Video, in dem zu Hackerangriffen auf Social-Media-Accounts, Websites und Foren von Unterstützern des IS aufgerufen wurde. Obwohl sich die Hacktivisten von Anonymous schon vergangenes Jahr und noch einmal nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo gegen den IS aussprachen, sorgte die Ankündigung für viel Gesprächsstoff im Netz. Der Tenor unter den Unterstützern: Wenn sonst niemand die Propaganda im Netz stoppen kann, gelingt es vielleicht dem anonymen Schwarm.“(http://www.zeit.de/digital/internet/2015-11/anonymous-kollektiv-is-terrorismus-bilanz)
„Über Chats und sogenannte Pads, Online-Dokumente, an denen viele Nutzer gleichzeitig arbeiten können, werden derzeit Angriffsziele wie Propaganda-Web-Seiten des IS, Facebook- und Telegram-Gruppen sowie Twitter-Konten von angeblichen IS-Sympathisanten verbreitet. Die Web-Seiten werden mit Anfragen überflutet, die Accounts den Betreibern gemeldet.“ (http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article148990772/Der-Acht-Stufen-Plan-von-Anonymous-gegen-den-IS.html)
Der Plan ist, dass der IS nicht nur über Hack- Angriffe untätig gemacht werden soll, sondern sie wollen die Seite hacken, um Informationen über die Arbeitsweise und einzelnen Stellen und Zellen zu erhalten, damit sie dann zerstört werden können. Unter dem „#OpISIS“ agiert Anonymous gegen den Islamischen Staat.

„Der Plan beschreibt zahlreiche Methoden, mit denen Anonymous-Mitglieder ihrer Meinung nach vorgehen sollten: von der Infiltration des IS durch soziale Manipulationen (Social Engineering), um sich in die Netzwerke einzuschleichen, bis zur Nutzung des Darknets, unter anderem, um mit Widerstandskämpfern vor Ort zu kommunizieren. Als Darknet wird der Teil des Internets bezeichnet, der nur mittels Anonymisierungswerkzeugen wie TOR zu erreichen ist.
Im letzten Schritt will Anonymous sogar finanzielle und andere Mittel auftreiben, um "vor Ort" aktiv zu werden – zum Beispiel in kurdischen Gebieten.“ (http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article148990772/Der-Acht-Stufen-Plan-von-Anonymous-gegen-den-IS.html)
Die Berichterstattung beäugt dieses Spektakel eher mit kritischen Blicken, da Anonymous institutionelle Probleme hat, durch das lose Kollektiv und die Unterwanderung von verschiedenen populistischen Gruppen. Zumal sie, wieder einmal, zu etwas aufrufen, wofür sie eigentlich stehen, „dem Kampf gegen Internetzensur“. (http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article148990772/Der-Acht-Stufen-Plan-von-Anonymous-gegen-den-IS.html)
Außerdem wird auch hier durch die Veröffentlichung von Namen und Account zusätzlich das Gesetz, „»Öffentliche Daten nützen, private schützen«“ (Lischka u.a. 2012, S. 191) gebrochen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Listen von Accounts, die bisher veröffentlicht wurden, oft Journalisten oder Reporter betreffen, die über den IS schreiben oder bloggen.
„Das Technikportal Ars Technica schreibt, dass es 4.000 Accounts einer weiteren aktuellen Anonymous-Liste im Netz überprüft habe. Darunter seien zwar zahlreiche IS-nahe Accounts gewesen, aber eben auch Nutzer, die sich über die Dschihadisten lustig machten sowie Nutzer, die einfach nur auf Arabisch kommunizierten. (…..) Journalisten als auch Akademiker enthalten würde, die über den IS twittern. Twitter selbst würde jede Meldung eines auffälligen Accounts persönlich überprüfen und dafür arabischsprechende Menschen beschäftigen, heißt es weiter. Nicht nur falsche Twitter-Konten, sondern auch falsche Informationen über geplante Anschläge wurden im Namen von Anonymous verbreitet. Der Twitter-Account OpParisIntel etwa veröffentlichte am Wochenende eine (inzwischen gelöschte) Liste mit mutmaßlichen Anschlagszielen, darunter eine Wrestling-Veranstaltung in Atlanta, eine katholische Feier in Rom und eine Technoparty in Paris.“ (http://www.zeit.de/digital/internet/2015-11/anonymous-kollektiv-is-terrorismus-bilanz)
Es haben sich durch den Kampf gegen den IS regelrechte Kämpfe innerhalb der Anonymous- Gruppe entwickelt. Im Fokus dabei stehen der Twitter Account „OpParisOfficial“ und „AnonNetOpParis“. Sie beschimpften sich gegenseitig als Kinder und Trittbrettfahrer, die nichts mit den ursprünglichen Anonymous- Anhängern zu tun hätten. „Zu den Kritikern gehört auch der Hacktivist The Jester, der deshalb seit Längerem eine angespannte Beziehung zu Anonymous hat. In einem Blogbeitrag verurteilt er #OpIsis als reine PR-Aktion von Anonymous, auf die Medien prompt hereinfallen. Weder hätten die selbsterklärten Unterstützer Ahnung, wen sie eigentlich angreifen sollten, noch gebe es eine koordinierte Aktion.“ (Vgl. http://www.zeit.de/digital/internet/2015-11/anonymous-kollektiv-is-terrorismus-bilanz)

Vermutlich wird erst die Zeit zeigen, ob und wie solche Aktionen den Islamischen Staat in seiner Handlungsweise wirklich beeinträchtigen können. Neueste Meldungen ziehen allerdings schon einmal Bilanz.
„Eine Reihe von Cyberattacken hält türkische Behörden und Banken auf Trab. Bereits seit zwei Wochen wird über DdoS-Angriffe berichtet, die kürzlich drastisch an Intensität zugenommen haben. Wie Engadget berichtet, gingen 400.000 Webseiten durch das Bombardement mit Datenpaketen temporär vom Netz. Die Angaben stammen von Radware, einem Dienstleister für Traffic-Management. Betroffen sind besonders türkische Internet-Backbones, Regierungsauftritte und Banken. Teilweise soll es zu Problemen bei Finanztransaktionen gekommen sein. (…) Laut einem Adressverwalter konnte man die Angriffe "organisierten Quellen" von außerhalb des Landes zuordnen. Wer genau dahintersteckt, ist unklar. Das umstrittene Hacker-Kollektiv Anonymous hat sich allerdings zu den Angriffen bekannt. Die Attacken im Rahmen der #OpISIS ist als Bestrafung gedacht. Hauptsächlich geht Anonymous gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS oder auch Daesh) vor, richtet sich aber auch gegen Länder, die nach Ansicht der Aktivisten indirekt Unterstützung für die radikalen Islamisten leisten. Anonymous beschuldigt die Türkei, sich gegenüber verschiedenen Aktivitäten des IS als blind zu erweisen. Schon länger gibt es Vermutungen, dass die Jihadisten etwa Erdöl über die türkische Grenze schmuggeln. (…..) Laut einem mittlerweile entfernten Video, so Reuters, hat Anonymous angekündigt, die Cyberangriffe so lange fortzusetzen, bis die Türkei die Unterstützung des IS einstellt. Die türkische Regierung wiederum weist Anschuldigungen in diese Richtung stets scharf zurück.“ (http://derstandard.at/2000028133646/400-000-Seiten-offline-Offenbar-Anonymous-Angriffe-gegen-Tuerkei)
Was Anonymous erreichen kann bleibt fragwürdig. Vermutlich werden die Angriffe auf einzelne Seiten sporadisch bleiben, da ein Protest, wie bei der Operation „Chanology“, kaum vorstellbar ist, gegen einen so gewalttätigen Gegner. Der Optimist, in einem aussichtlos erscheinenden Kampf gegen den IS, gibt die Hoffnung nicht auf, dass ein kleines Kollektiv, das vermutlich aus vielen unscheinbaren Computer- Nerds besteht, den Frieden in der Welt sichert.

Literatur
  • AMMANN, Thomas; AUST, Stefan: Digitale Diktatur – Totalüberwachung, Datenmissbrauch, Cyberkrieg; Econ- Verlag, Ullstein Buchverlag GmbH; Berlin, 2014.
  • BARDEAU, Frédéric; DANET, Nicloas: Anonymous- Von der Spaßbewegung zur Medienguerilla, Unrast Verlag; Münster. 2012.
  • LISCHKA, Konrad; REISSMANN, Ole; STÖCKER, Christian: We are Anonymous- Die Maske des Protests- Wer sie sind, was sie antreibt, was sie wollen; Wilhelm Goldmann Verlag; Verlagsgruppe Random Hous GmbH; München; 2012.
Internetquellen

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