Mittwoch, 28. November 2018

DigitalPakt Schule: Eine Grundgesetzänderung als wichtiger Schritt für die Digitale Bildung?

Am Freitag, den 23.11.2018, konnten sich Vertreter und Vertreterinnen der Bundesregierung und anderer Parteien ordentlich auf die Schulter klopfen: In einer gemeinsamen Erklärung verkündeten die Bundestagsfraktionen der CDU, CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen den Kompromiss zur Änderung von Artikel 104c des Grundgesetzes.

Das veränderte Grundgesetz 

Art. 104c GG (Stand 2017): Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. Artikel 104b Absatz 2 und 3 gilt entsprechend.

Geplante Änderung: Der Bund kann den Ländern zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie mit diesen verbundene besondere unmittelbare Kosten der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. Artikel 104b Absatz 2 Satz 1 bis 5 und Absatz 3 gilt entsprechend.

Auf Basis des veränderten Artikels soll gleich im kommenden Jahr das Projekt „DigitalPakt Schule“ fußen. Worum handelt es sich dabei und inwiefern ist das nun ein Schritt in die Richtung „optimale digitale Bildung“?

Der Digitalpakt im Detail

Erstmals vorgestellt wurde der DigitalPakt Schule vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2016. Dieser Pakt soll zum Ausbau der schulischen Digitalisierung zwischen Bund und Ländern geschlossen werden:

Der Bund will den Ländern und Kommunen über fünf Jahre fünf Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Dieses Geld soll mannigfaltig genutzt werden, z.B. um
  • Schulen einen besseren, schnelleren Internetzugang zu ermöglichen
  • stationäre und neue Endgeräte wie Tablets oder interaktive Tafeln anzuschaffen
  • Lehrern Fortbildungen zu geben
  • Lern- und Kommunikationsplattformen sowie Schulserver zu entwickeln
Die Politik hat immer eine eigene Sichtweise auf die Entwicklung der Digitalisierung, aber was denken denn die Bürger über das Thema digitale Bildung an Schulen und den DigitalPakt Schule?

Eltern und Schüler müssten sich heute eigentlich darüber freuen. Im November 2017 präsentierte die „Vodafone Stiftung Deutschland“ eine Umfrage zum Thema Digitale Bildung und welche Kompetenzen die Deutschen als wichtig erachten.

Die Studie zeigt: 81% der Bürger glaubten, dass „Jugendliche es in Zukunft ohne ein grundlegendes Verständnis digitaler Technologien schwer haben werden, einen guten Arbeitsplatz zu erhalten“.

Jeder Zweite beklagte in dieser Studie, dass die Politik nicht genügend unternehme, um die Bevölkerung auf die Herausforderungen der Digitalisierung vorzubereiten. Des weiteren stimmen 54% der befragten Erwachsenen und Jugendlichen zu, dass jeder Schüler die Grundkenntnisse des Programmierens erlernen sollte. Was ist nun also von all dem zu halten, politisch und pädagogisch? 

Politisch

Viele Politiker sprechen sich für die erforderliche Grundgesetzänderung zum Vorteil des DigitalPakts aus. Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek (CDU) warnt davor, eine Debatte zum Thema Föderalismus zu eröffnen: „[…] eine Grundsatzdiskussion zum Föderalismus aufzumachen und damit den Fortschritt in unseren Schulen zu behindern, wäre aus meiner Sicht eine Versündigung an den Kindern“.

Dabei ist diese Debatte, zumindest aus Sicht der Länder, verständlich. Die Bildungspolitik ist Ländersache, der Bund darf zwar das Geld für Technikinvestitionen bereitstellen, aber nicht für das Personal. Dafür haben sich aber die FDP und die Grünen eingesetzt und mit der Änderung von Artikel 104c hätte der Bund auch die Erlaubnis dafür.

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann (Grüne) ist der Einzige, der sich gegen die Grundgesetzänderung stellen will. Damit zieht er sogar gegen die eigene Bundespartei ins Feld.

Er sieht jedoch noch eine weitere Gefahr, als nur die Verletzung des Föderalismus. „Das, was hier gemacht wird und wie es kommuniziert wird, das grenzt an Erpressung“, meint er. Damit bezieht er sich auf die Finanzhilfe des Bundes. Die fünf Milliarden Euro sollen aus zeitlich befristeten Fonds kommen. Darin sieht der Ministerpräsident eine Abhängigkeit der Länder vom Bund. Der Bund vermittele den Eindruck, dass es ohne eine Grundgesetzänderung in der Bildungsfinanzierung kein Geld für die Länder gebe.

Bei der Änderung von Art. 104b GG soll es übrigens nicht bleiben. Die Bundesparteien haben sich zudem auf die Änderung von Art. 104c geeinigt. Dieser Zusatz regelt die Verteilung der zu stellenden Finanzen: 90% kommen dabei vom Bund, 10% stellen die Länder.
Die gewünschte Änderung dieses Zusatzes findet sich übrigens nur im Kleingedruckten. Darin heißt es: "Die Mittel des Bundes sind in jeweils gleicher Höhe durch Landesmittel für den entsprechenden Investitionsbereich zu ergänzen."

Somit müssten die Länder in Zukunft 50% der Investitionen selbst stemmen, bei fünf Milliarden Euro ist das eine ganze Menge Geld.

Kretschmann setzt sich schon länger für unbefristete Gelder aus dem gemeinsamen Steuerreservoir von Bund und Ländern ein. Generell findet er: "Den Bildungsbereich besser auszustatten, ist absolut notwendig. Aber der Weg ist falsch."

Momentan sucht der Grünen-Politiker Verbündete unter den Ministerpräsidenten. Denn an ihnen liegt es nun. Der Bundestag hat die Änderung des Grundgesetzes bereits mit der Entscheidung am Freitag gebilligt.

Der Bundesrat wird bei seiner nächsten Sitzung, am Freitag, den 14.12.2018 darüber abstimmen müssen. Für dessen Zustimmung ist, wie im Bundestag, eine 2/3 Mehrheit der Abgeordneten nötig. Bis jetzt will kein anderes Land öffentlich mit Baden-Württemberg an einem Strang ziehen und die Änderung ablehnen. Winfried Kretschmann sucht trotzdem weiter. 

Pädagogisch

Die digitale Bildung ist unverzichtbar, soviel ist klar. Die Digitalisierung und Entwicklung neuer Technologie schreitet immer weiter und immer schneller voran, ohne, dass ein Ende absehbar wäre.

Aber ist es nicht sinnvoller die richtige Vermittlung neuer Medien zu fördern, als nur neue Medien anzuschaffen? Und sollten Erstklässler wirklich schon technische Fächer haben müssen, so wie es Prof. Ira Diethelm fordert, die an der Uni Oldenburg Didaktik der Informatik lehrt?

Werfen wir einen Blick auf die Geschichte. Im 20. Jahrhundert war nahezu jede neue Generation mit einer neuen technischen Änderung und Ausstattung konfrontiert. Während es für deren Eltern meist schwierig war, die Veränderung in ihren Alltag zu integrieren, wuchsen die jungen Menschen damit auf und haben entsprechend schnell gelernt, mit den neuen Geräten und Funktionen umzugehen.

Zudem wird in nahezu allen pädagogischen Bereichen eine These genutzt, die auch auf die digitale Bildung angewandt werden kann: learning by doing. In der Grundschule können die Kinder die Informatik und das Internet noch gar nicht erfassen.

Sie machen in diesen Jahren erstmals Erfahrungen mit dem Medium Computer. Lieber Informatik in der weiterführenden Schule, wenn die Kinder gereifter sind und die Dimension der Digitalisierung schon durch ihren Alltag erfassen können.

Zu guter Letzt: Technische Ausstattung ist die eine Hälfte des Kuchens, die Kompetenz Digitale Bildung richtig zu vermitteln, die andere. Auch wenn das Bundesbildungsministerium beruhigt und sagt, man würde Lehrer im Beruf und auch im Referendariat weiterbilden, halte ich das für zu wenig.

Auch Lehrer meiner alten Schule haben derartige Fortbildungen erhalten, haben aber die gelernten Informationen nicht umsetzen können. Lediglich die jungen Lehrer, die mit derartigen Medien schon aufgewachsen sind, konnten die Informationen viel besser verarbeiten.

Learning by doing. Damit die Digitalisierung in ihrer schnellen Entwicklung noch von den Lehrern verstanden wird, müssen Fortbildungen zum Einen in die Tiefe gehen und zum Anderen kontinuierlich wiederholt werden. Lehramtsstudenten dürfen das Thema Digitalisierung nicht nur für das Schulfach Informatik oder nur für ein Semester behandeln. 

Ausblick

Mit solchen und ähnlichen Änderungen wären die Weichen zur „optimalen digitalen Bildung“ gestellt und werden es hoffentlich bald. Die Zukunft des DigitalPakt Schule wird sich, in dieser ersten Form des Projekts, am 14.12.2018 entscheiden. Es bleibt spannend...

Weiterführende Informationen und verwendete Quellen:

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