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Montag, 3. Juli 2017

Der Kampf gegen Fake News

Das Internet, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2017 und kämpfen gegen einen fast unbesiegbaren Gegner: Die Täuschung. Ein Jahrtausende altes Prinzip bekommt im endlosen Raum des Internets neuen Aufschwung. Die Waffen: billig und simpel gestrickt. Ihre Auswirkungen: so groß, dass man ihnen zutraut, nichts weniger als politische Systeme zum Einsturz zu bringen. 

Die Rede ist von Fake News. Über das Internet, vorwiegend in sozialen Netzwerken, bewusst verbreitete Falschnachrichten, die sich im schlimmsten Fall als virales Lauffeuer verbreiten, um möglichst viele Leser zu infizieren und zu manipulieren. Das alles klingt wie die Zombie Apokalypse 2.0? Nicht ganz, immerhin haben wir dieser Invasion etwas entgegenzusetzen. Eine starke Waffe. Teuer und schwierig in der Herstellung, aber stark genug, um die schlimmsten Katastrophen zu verhindern: Bildung!

Know your enemy ist der erste Schritt im Kampf um die Wahrheit, aber dazu muss erstmal klar sein, von was gesprochen wird, wenn man von Fake News spricht. Unter dem Begriff werden heute unterschiedliche Phänomene und Interessen subsumiert. 


Was sind Fake News und wofür werden sie generiert?

Fake News sind, wie der Name schon besagt, Falschnachrichten. Allerdings verfolgen ihre Erzeuger unterschiedliche Ziele. Und wie so oft haben diese vor allem mit Geld und Macht zu tun. Mit Fake News, die gut „clicken“, sich also im Internet stark und schnell verbreiten, lässt sich viel Geld verdienen und das mit minimalem Aufwand.

Zu Zeiten des amerikanischen Wahlkampfes machte eine Handvoll politisch völlig unmotivierter mazedonischer Jugendlicher mit Fake News sehr viel Geld. Sie produzierten am laufenden Band Falschnachrichten über die beiden US-Spitzenkandidaten. Gefragt waren private und sehr schmutzige Details. Selbst augenscheinliche Unwahrheiten, die etwa behaupteten, Hillary Clinton würde einen Kinderpornoring betreiben, wurden gern angeklickt und weiterverbreitet.


Die Nachrichten landeten überall im Netz und generierten durch Clickbaiting Werbeanzeigen. Die Einnahmen für ihre Erzeuger stiegen mit jedem Click auf die Fake News. Dass sie dabei eventuell den Wahlkampf beeinflussten, war den Jugendlichen nach eigenen Aussagen völlig unklar. Das aber taten Trump und Clinton zur gleichen Zeit selber und zwar mit den gleichen Instrumenten: Durch Meinungsroboter.

Bei sogenannten Social Bots handelt es sich um Computerprogramme, die nach einem festgelegten Algorithmus arbeiten und Fake News generieren, indem sie sich als reale Nutzer von Social-Media-Plattformen ausgeben. Beiträge verfassen und teilen, Kommentare schreiben und Likes verteilen, übernimmt das Programm selbstständig. Natürlich so programmiert, dass alles dem Auftraggeber entspricht. Die öffentliche Meinungsbildung kann damit vor allem im Wahlkampf leicht beeinflusst werden, und dies ist sicherlich so auch geschehen.

Ob es ein Bot von Trump war oder ein geldgetriebener Fake News Erzeuger ohne politischen Hintergrund, ist nicht mehr zu recherchieren. Sicher ist, die Fake News, Hillary Clinton habe Wikileaks-Quellen zufolge Waffen an den IS verkauft, war ein viraler Facebookhit. Der Imageschaden, selbst nach Aufklärung des Falles und dem Entlarven der Nachricht als Fake News, groß.

Die Generatoren politisch motivierter Falschinformationen wissen um die Macht der Medien und bauen darauf ihr Geschäftsmodell auf, wie der deutsche Kopp Verlag, der seine professionell erzeugten politischen Fake News lieber selbst als „Enthüllungen“ verkauft. Andere verfolgen ein noch viel größeres Ziel: Stimmung machen und virale Effekte erzeugen, die das politische Geschehen in eine bestimmte Richtung manipulieren.

Dass man damit zumindest einige Erfolge erzielen kann, zeigte der US-Wahlkampf, oder hierzulande der Fall Renate Künast. Die Grünen-Politikerin wurde durch eine Fake News in der Öffentlichkeit diffamiert. Wohl mit dem Ziel, ihrer politischen Arbeit zu schaden. Auch wenn sie dagegen gerichtlich vorging, die Meldung hatte ihr Ziel nicht verfehlt. Hassnachrichten und Drohungen erreichten die Politikerin schon kurz nach der Veröffentlichung der Fake News auf dem Social Media Dienst Twitter. 

Populismus und Fake News – „Endlich sagt das mal jemand“ - auch wenn es nicht stimmt

Aber warum schlagen Fake News plötzlich so hohe Wellen der Bedeutung in der Medienlandschaft? Schließlich gab es Falschmeldungen schon vor der Erfindung der Presse. Wichtig ist bei der Antwort die Erklärung der Unterschiede: Eine Falschnachricht, wie sie in Zeitungen und Zeitschriften noch als „Zeitungsente“ beschrieben wird, ist eine unbeabsichtigte Meldung und für die seriöse Presse ein peinliches Zeichen schlechten Journalismus. Die Falschnachrichten werden deshalb meist freiwillig, in einschlägigen Veröffentlichungsorganen des Boulevardjournalismus oft auch mithilfe von Klagen, wieder schriftlich richtiggestellt.

Um Falschnachrichten von Fake News zu unterscheiden, hilft es, wenn man Fake News mit dem altmodischen Wort der Propaganda gleichsetzt: Dem Versuch, die öffentliche Meinung in eine gewünschte Richtung zu manipulieren. Fake News sind also keine versehentlichen Fehler von Agenturen oder Journalisten, sondern vorsätzlich geplante falsche Nachrichten mit der Intention zur Manipulation oder eben wie oben beschrieben: reine Geldmacherei.

Propaganda, das wissen wir aus dem dunklen Teil unserer Geschichte, ist deshalb so gefährlich, weil sie das Volk bewegen kann. Und Fake News, das haben wir im Wahlkampf gesehen, spielen eine gewichtige Rolle im derzeitigen politischen Geschehen, welches in demokratischen Ländern vom Volk bestimmt wird.

Der in vielen Ländern Europas und in Amerika erstarkte Populismus hat mit den Fake News sein Organ gefunden: Reißerische Nachrichten, Verschwörungstheorien, Diffamierungen, Hetze, Manipulation. Die vermeintliche Stimme des Volkes, von den traditionellen Medien in ihrer Berichterstattung gefühlt missachtet, findet auf den Social Media Kanälen eine Bühne und Gehör.

Aber wieviel Einfluss haben die Fake News wirklich auf dem politischen Parkett? Führen Fake News zum Erstarken des Populismus? Neuste Studien lassen Zweifel aufkommen an einem entscheidenden Einfluss der Fake News. Dass der US-Wahlkampf beeinflusst wurde, steht außer Frage, dass er dadurch wirklich entschieden wurde, ist nach den Erkenntnissen zweier Forscher nunmehr stark anzuzweifeln.

Auch hierzulande fürchtet man den Einfluss der Fake News auf die politische Zukunft. Nachdem die AfD ankündigte, ebenso wie Trump und Clinton ganze Bot-Armeen in den Wahlkampf zu schicken, wird man bei einem starken Wahlergebnis sicherlich auch auf die Onlineauftritte und Fake News schauen. Aber sind diese dann verantwortlich für ein eventuell starkes Wahlergebnis?

Rechte Medien werden nach einer Hochrechnung der taz von ca.1,5 Millionen Nutzern in Deutschland gelesen. Potentiell gewählt wird die AfD derzeit aber von 8,3 Millionen Menschen. Auf dem Zeitungsstapel der rechten Wähler liegt demnach auf der Jungen Freiheit oft doch auch noch die FAZ. Fake News sind also nicht die Verursacher des Populismus im Land, sondern nur eines seiner Instrumente. Genau wie die Propaganda zu Zeiten des 2. Weltkrieges allerdings ein nicht zu unterschätzendes, wenn es darum geht, Stimmung zu machen.

Die ZEIT zeichnete unlängst eine düstere Version der Macht einer Fake News. In einem fiktiven Gedankenspiel zeigte sie auf, was die Fake News, der Sohn von Angela Merkels Mann, Joachim Sauer, sei in ein Immobilienkonsortium verstrickt, das mit der Unterkunft von Flüchtlingen Geld verdient hat, anrichten könnte. Kurze Zusammenfassung der Ereignisse: Keine große Zeitung berichtet, dennoch nimmt die Nachricht auf Twitter, Facebook und in ausländischen Medien ihren Lauf. Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack, vielleicht das letzte Zünglein an der Waage der Prozentzahlen bei der Bundestagswahl? 

Zwischen Skepsis und Vertrauen – Wie erkennt man Fake News?

Doch wer steht auf der anderen Seite? Wer ist in diesem ganzen medialen Überangebot überhaupt noch der Wahrheit verpflichtet? Wem kann man trauen in einer Medienlandschaft, die durch den steigenden Erfolg von Onlinemedien zu einem unübersichtlichen Schauplatz von Millionen Nachrichten täglich geworden ist? Die einstmals beim Großteil der Bevölkerung als „seriös“ geltenden Medien haben derzeit einen schweren Stand.

Der Einbruch der Verkäufe von Printmedien und die Umstellung auf kostenlose Onlinemedien machten den Redaktionen zu schaffen. Dazu wurde der Begriff der „Lügenpresse“ bei den Rechten ebenso populär wie bei Amerikagegnern, Putin- und Erdoğanverehrern und vielen anderen, die ihre Meinung nicht von den traditionellen Medien vertreten sehen.

Sicherlich ist das noch lange keine Mehrheit der Gesellschaft, aber die bloße Existenz des Begriffs Lügenpresse zeigt schon einen immensen Vertrauensverlust in der Gesellschaft, mit dem viele Verlage kämpfen müssen. Keiner glaubt mehr irgendwem, aber Falschnachrichten verbreiten sich weiter. Wie lässt sich das erklären?

Weil die Bürger selbst den Überblick über falsch und richtig verlieren können und man selbst die Manipulation des Wahlkampfes befürchtet, schlug das Innenministerium unter der Leitung von Thomas de Maizière vor, ein "Abwehrzentrum gegen Desinformation" einzurichten.

Eine staatliche Instanz, welche die Presse legitimiert und sich als Inhaber der einzigen Wahrheit begreift? Das lässt sich nur schwer mit dem Grundrecht der Pressefreiheit vereinbaren. Oder wie Dr. Andreas Unterberger in seinem Buch „Zwischen Lügenpresse und Fake News: Eine Analyse“ treffsicher formuliert:
„Wahrheitsgetreue, objektive Berichterstattung in Medien ist in einer Demokratie nie durch die Obrigkeit durchsetzbar. Entscheidend kann immer nur das Vertrauen der Bürger in die Verlässlichkeit und Sorgfalt jedes einzelnen Mediums sein.“
Nach einem kurzen Medienhype um das Thema „Abwehrzentrum“ ist davon seit langem nichts mehr zu lesen. Will man aber den persönlichen Umgang mit Fake News erlernen, das bedeutet: Fake News identifizieren und ihre Weiterverbreitung stoppen, lohnt es sich dennoch einmal, sich die Arbeit eines solchen Zentrums vorzustellen. Was würden die Mitarbeiter unternehmen, um Fake News als solche zu enttarnen?

Als allererstes würde man sich auf die Suche nach Fake News machen. Am häufigsten findet man diese sicherlich nicht in den klassischen Massenmedien, wobei genau dort manchmal auch das eine oder andere Gerücht des Social Media Powersellers Facebook aufgenommen und weiterverbreitet wird. Denn dort sind sie alle. Alle politischen Meinungen, Gegner, Politiker, Lobbyisten, Populisten; alle Ethnien, Religionen und Weltanschauungen. Sie alle dürfen fast ohne Zensur frei produzieren und konsumieren.

Ein Paradies für Fake News oder eben ein im wahrsten Sinne des Wortes „soziales Netzwerk“. Einziges Problem dabei: Dass Facebook kein Presseorgan ist, wird häufig vergessen. Der Urheber der Nachricht verschwindet in den Hintergrund, wenn die Like-Zahlen stimmen. Ein psychologisches Phänomen. Eine tausendfach geteilte Nachricht kann nicht falsch sein. Eventuell kommt sie sogar von einem Freund. Die Popularität der Nachricht bildet den Maßstab für ihre Validität.

Ein Abwehrzentrum für Desinformation würde sich also als erstes, ungeachtet der vielen Likes einer Nachricht, auf die Suche nach dem Urheber begeben. Kein leichtes Unterfangen. Denn es ist ebenso leicht, Seriosität vorzugaukeln, wie eine Fake News zu produzieren. Dennoch lässt sich der Wahrheitsgehalt einer Nachricht messen. Veröffentlichen mehrere unabhängige Quellen zur gleichen Zeit eine Nachricht, ist das ein gutes Zeichen für ihren Wahrheitsgehalt. Selbstverständlich ist auch das noch lange kein Garant, kommt aber der Wahrheit tatsächlich schon um ein großes Stück näher, vor allem wenn weitere Faktoren hinzukommen.

Der Pressekodex etwa, dem sich viele publizierenden Medien verschrieben haben, gilt allen Unkenrufen zum Trotz auch heute noch als Maßstab, und man darf davon ausgehen, dass dieser auch von vielen Journalisten eingehalten wird. Ist der Urheber der Nachricht also ein ausgebildeter Journalist, wird er auf Nachfrage seine Meldung bestätigen und Beweismaterial vorlegen können. Der Wahrheitsgehalt einer Nachricht steigt also mit der Anzahl der Quellen und dem Vertrauen in den Urheber. 

Die eigene Verantwortung als Leser ernstnehmen – wer kann dabei helfen?

Dass sich die Arbeit der Validierung von Nachrichten ein Leser von durchschnittlich 10 Push-Nachrichten pro Stunde nicht machen möchte, ist selbstverständlich. Dass er seine Quellen für Nachrichten allerdings gezielt wählt, schon. Damit landet man beim wichtigen Aspekt der Verantwortung des Lesers. Denn jede Fake News ist nur so lange eine Fake News, bis sie von einer großen Leserschaft als solche enttarnt und somit unschädlich gemacht wird. Die Verantwortung liegt also nicht nur bei den Publizisten, sondern bei jedem selbst. Lernen Leser nur das zu teilen, was sie selbst überprüft und aus mehreren journalistischen Quellen erhalten haben, haben Fake News weniger Chancen.

Allerdings ist das in der Schnelllebigkeit leichter gesagt als getan. Auf den Besitzer eines Smartphones prasseln täglich unzählige Nachrichten ein. Dabei kommt es häufig entweder zum Phänomen der totalen Skepsis gegenüber allen im Netz verbreiteten Nachrichten oder aber zum unüberlegten Weiterverbreiten. Skepsis und Vertrauen lassen sich schwer miteinander verbinden, wer kann dabei helfen?

Weil Facebook vielfach wegen seiner Verbreitung von Fake News am Pranger stand, holt sich der Weltkonzern jetzt von Correctiv Unterstützung im Kampf gegen Fake News auf der eigenen Plattform. Correctiv ist ein unabhängiges Kollektiv von Journalisten, das sich als „erstes gemeinnütziges Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum" begreift.

Correctiv will die von Facebook-Nutzern angezweifelten Nachrichten überprüfen und nicht einwandfrei zu recherchierende Nachrichten markieren. Sicherlich ein gewichtiger Schritt, allerdings ist es mit einer Markierung allein noch nicht getan. Social Media Unternehmen wie Facebook müssten zusätzlich Fake News im Nachrichtenstrom mit Berichten bündeln, die diese Fake News enttarnen, und die Ergebnisse von Correctiv müssten als Grundlage für eine Verbesserung des Netzwerkes veröffentlicht und weiterverarbeitet werden. Aber davon ist Facebook noch meilenweit entfernt. Die Nutzer zum kritischen Hinterfragen der Nachrichten zu erziehen, ist vielleicht nur einen weiteren Algorithmus entfernt, aber nicht die Intention eines Unternehmens, das mit jeglicher Art von Nachrichten und eben auch mit Fake News sehr viel Geld verdient. 

Lehrer und Schüler in der Pflicht – Mit Medienbildung gegen Fake News

Da bleibt nichts anderes übrig, als die pädagogische Herausforderung selbst in die Hand zu nehmen. Auch wenn die Schüler im Schnitt mehr Zeit auf Facebook verbringen als in der Schule, wird der Bildungsauftrag nicht von Facebook übernommen. Doch Schülern im völlig veralteten PC-Raum der Schule, in welchem meistens noch Facebook gesperrt ist und somit nicht als Anschauungsmaterial genutzt werden kann, einen kritischen Medienumgang beizubringen, ist keine leichte Aufgabe.

Der pädagogische Apparat kommt der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung nicht mehr hinterher. Immerhin stand die diesjährige Didacta ganz im Zeichen der Medienbildung. Das Erfordernis, sich mit dem Thema unterrichtlich auseinanderzusetzen, ist allerdings auch im neuen Bildungsplan nur vage formuliert.

Dass der Bedarf einer solchen Bildung aber immens wichtig ist, zeigt eine Studie der Stanford University, bei der 8000 Schüler und Studenten aller Schularten befragt wurden, wie sie Informationen im Internet bewerten und auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Das Ergebnis ist erschreckend. Vielen gelingt weder das Auseinanderhalten von Werbeanzeige und Nachricht, noch stellen die meisten die wichtige Frage: Woher kommt das eigentlich, was ich hier gerade lese?

Aber was genau müsste im Umgang mit Medien gezielt gelernt werden, damit Jugendliche, die ihr Wissen vorwiegend aus den sozialen Netzwerken und nicht mehr aus den traditionellen Medien beziehen, Fake News erkennen? Besonders eine Sache, die als Grundlage jedes Bildungsvorgangs in der Schule gilt: Nachfragen. Die Schüler müssen lernen, nicht blind zu glauben, kritisch zu sein und ein zweites oder gar drittes Mal hinzuschauen. Dafür braucht man Übung und vor allem muss man einen Weg aufgezeigt bekommen, wie das geht. Wie mache ich mich auf die Suche nach dem Urheber einer Nachricht? Was ist der Unterschied zwischen einer Nachricht auf Facebook und einer Nachricht von Spiegel Online? Wie erkenne ich gut recherchierte Nachrichten? Warum braucht es einen Pressekodex?

Nahezu jedes Schulfach ist in der Pflicht, diese Fragen zu beleuchten: Politik, Ethik, Deutsch etc. Wird in Mathe gar ein Algorithmus erklärt, ist dies anhand des Beispiels von Facebook für die Schüler nicht nur interessanter, sondern schafft einen Lebensweltbezug mit nützlichem Wissen für die Zukunft.

Solch einen Unterricht müssen die Lehrer aber auch wollen und können. Die Ausbildung vieler Lehrkräfte hatte nicht einmal im Ansatz das Thema Medienbildung im Blick. Da kann es vorkommen, dass Schüler vor einem sitzen, die sich mit Social Media um Längen besser auskennen. Eine Vorstellung, die manchen Pädagogen schreckt, das Thema überhaupt anzugehen. Dabei steckt darin auch eine große Chance. Wenn erfahrenes, kritisches Denken auf die jugendliche Lust am Spiel mit der Technik und neuesten Social Media-Trends trifft, kann Spannendes wachsen. Dafür aber müssen sich Lehrer verabschieden von der Vorstellung des Allwissenden und offen sein für die Schnelllebigkeit der Digital Natives. Und Lehrer müssen erkennen: Medienbildung ist keine statische Bildung, die sich einmal angeeignet auf alle Medienphänomene anwenden lässt, sondern, wie Daniel Süss in seinem Handbuch der Medienpädagogik ergänzt, „angesichts der gesellschaftlichen und medialen Entwicklung eine zentrale Aufgabe lebenslangen Lernens“.

Massenhaft an besorgte Eltern und Lehrer verkaufte Bücher wie „Digitale Demenz“ zeichnen ein finsteres Bild mediennutzender Jugendlicher. Dabei lässt sich der Konsum nicht mehr aufhalten, aber durchaus noch gestalten und mit Sinn füllen. Dafür braucht kein Lehrer eine umfassende Medienbildung, wenn auch er weiterhin nachfragt. Bei den Schülern zum Beispiel. Jugendliche zur eigenen Mediennutzung zu befragen, kann Aufschluss darüber geben, warum Fake News eine Chance haben und dabei im selben Schritt einen Weg aufzeigen, die Weiterverbreitung zu verhindern.

Was teile ich? Mit wem? Wie entsteht eine Filterblase? Warum bekomme ich diese Nachrichten und mein bester Freund ganz andere? Im Gespräch werden solche Prozesse auch den Schülern zum Teil erst bewusst. Ziel muss es sein, die Schüler zu kritischen Hinterfragenden ihrer Informationen zu erziehen und ihnen dabei aber nicht das Vertrauen in mediale Berichterstattung zu nehmen.

Die Schlüsselkompetenz dazu ist die Fähigkeit zur kompetenten Bewertung einer Nachricht. Die Schüler müssen lernen, aus dem bestehenden Überangebot das Gute herauszufiltern und daraus Informationen für sich zu gewinnen. Fake News unterlaufen und erschweren die Informationsbeschaffung. Gerade junge Menschen sind dafür noch nicht sensibilisiert. Ihnen fehlen die Instrumente zur Beurteilung einer Information. Eine gute Medienbildung muss möglichst frühzeitig damit beginnen, diese Instrumente an die Hand zu geben, denn nur das Wissen um den Umgang mit den Informationen aus dem Netz schützt Jugendliche vor Manipulation. 

19 Fragen: der Fake-News-Check für Schüler

Ein solches Instrument bietet das Land Niedersachsen seinen Schülern und Lehrern an. Als erstes Bundesland in Deutschland erstellte es Material zu Fake News. Das dortige Kultusministerium erstellte einen Film, Informationsmaterial und eine App, die sich mit dem Thema eingängig befassen.

Entlang von 19 Fragen können Schüler und Lehrer mit der App fürs Smartphone oder Tablet den "Fake-News-Check" durchführen. Fragen wie „Kenne ich den Autor?" oder "Wird etwas enthüllt, was 'die Medien' sonst verheimlichen?" sollen die Schüler an das kritische Hinterfragen der Meldungen heranführen. Sind alle Fragen beantwortet, teilt die App mit, ob der Text mutmaßlich falsch oder echt ist. Zusätzliche Arbeitsblätter und Beispiele von Falschmeldungen aus dem Internet geben den Lehrern eine Art Werkzeugkasten in die Hand, um das Thema anzupacken und Falschmeldungen möglichst frühzeitig zu entlarven.

Sicherlich ist diese Bemühung ein Schritt in die richtige Richtung. Eine App ist eine schülernahe Methode, um mit einem Problem im Internet umzugehen. Die Wahl der pädagogischen Vermittlung die Richtige. Dennoch drängt sich die Frage auf, welcher Schüler in seiner Freizeit – und dafür soll das Wissen ja vorwiegend angeeignet werden - eine Nachricht anhand von 19 Fragen validiert. Der Zeitaufwand steht dabei in keinem Verhältnis zum Ergebnis, zumal die App mit einem Ampelsystem (rot –Fake News, gelb – unsicher, grün – Nachricht mit hohem Wahrheitsgehalt) auch mal daneben liegen kann. So sind fette Überschriften oder die Einbindung von Videos laut der App ein Anzeichen für Fake News. In Blogs oder Boulevardblättern allerdings ist dies Standard und die Grenzen sind fließend: Fake News sind etwas anderes als Boulevardjournalismus.

Das Angebot des niedersächsischen Kultusministeriums wird als solches auch an die Lehrer herangetragen. Keiner ist verpflichtet, das Material, das für die Klassen 9 & 10 konzipiert ist, im Unterricht zu verwenden. Auch in Niedersachsen wird der digitalen Bildung im Bildungsplan noch nicht der Stellenwert eingeräumt, den sie dringend benötigt. Entscheidet sich ein Lehrer dazu, das Material im Unterricht zu nutzen, bringt er sicherlich wenigstens kleine Steine ins Rollen und vermittelt eben das, was hilft im Kampf gegen Fake News: Nachfragen, kritisch werden, hinschauen. 

Eine Zukunft ohne Fake News? Wird es nicht geben.
Eine Zukunft mit verantwortungsbewussten Lesern? Lasst uns daran arbeiten


Falschmeldungen sind ein probates Mittel, um Meinungen in bestimmte Richtungen zu lenken. Das Internet hat die Verbreitung von Falschmeldungen in einem Maß erleichtert, dass sie nicht mehr zu stoppen sind. Die Ausbreitung von Social Media und die Erweiterung der Möglichkeiten, Informationen zu beschaffen, werden auch in Zukunft weiter von macht- und geldhungrigen Manipulatoren genutzt werden. Sie aufzuhalten, ist im scheinbar rechtsfreien Raum des Internets unmöglich.

Umso dringlicher werden die Fragen nach dem richtigen Umgang mit Fake News und dem frühzeitigen Erlernen von Strategien, diese zu identifizieren und unschädlich zu machen. Mit der Anzahl von Fake News und den damit verbundenen Skandalen wächst aber auch die Anzahl ihrer Gegner. Auch wenn kein staatliches Abwehrzentrum ins Leben gerufen werden sollte, zeigen Alternativen wie Correctiv bereits einen Weg auf, wie man auch in Zukunft mit Fake News verfahren kann. Auch diese Initiativen werden sich weiterentwickeln. Ebenso bleibt zu hoffen, dass nicht nur eine für Schüler konzipierte App die Antwort auf Fake News bleibt. Nachziehen werden weitere Anbieter seriösen Journalismus, um diesen zu retten und der Wahrheit weiterhin so nah wie möglich auf den Fersen zu bleiben.

Als angehende Lehrer sind wir diesbezüglich besonders in der Pflicht. Bereits im Jugendalter zu lernen, wie man mit Informationen aus dem Netz umgeht, erhöht die Chance, später ein kritischer Mensch zu bleiben, der seiner eigenen Urteilsfähigkeit vertrauen kann. Diesem Ziel sollten wir folgen, denn es geht um nichts weniger als die Wahrheit. 

Literatur:
  1. Süss, Daniel; Lampert Claudia; Wijnen, Christine: Medienpädagogik: Ein Studienbuch zur Einführung. Springer Verlag, 2009
  2. Unterberger, Andreas: Zwischen Lügenpresse und Fake News: Eine Analyse Frank&Frei, 2017

Internetartikel:
  1. Ladurner, Ullrich: Stadt der Lügner; http://www.zeit.de/2016/52/fake-news-hersteller-unternehmen-mazedonien, zuletzt geprüft 14.06.2017  
  2. LaCapria, Kim: Shots Hired: As WikiLeaks released several batches of e-mails in October 2016, partisans claimed they confirmed Hillary Clinton sold weapons to ISIS; http://www.snopes.com/wikileaks-cofirms-hillary-clinton-sold-weapons-to-isis/, zuletzt geprüft: 14.06.2017
  3. Kaiser, Stefan: Das Geschäft mit der Angst; http://www.spiegel.de/wirtschaft/verschwoerungstheorien-der-kopp-verlag-macht-geschaefte-mit-der-angst-a-967704.html, zuletzt geprüft: 14.6.2017
  4. Holland, Martin: US-Wahlen: Forscher ziehen Einfluss von "Fake News" in Zweifel;
    https://www.heise.de/newsticker/meldung/US-Wahlen-Forscher-ziehen-Einfluss-von-Fake-News-in-Zweifel-3606899.html, zuletzt geprüft: 14.6.2017
  5. Simon, Johannes: Das postfaktische Virus – Debatte um Fake News und ihre Wirkung; http://www.taz.de/!5375708/, zuletzt geprüft: 14.06.2017
  6. Marc Brost, Peter Dausend, Thomas Fischermann, Tina Hildebrandt, Alexej Hock, Fabian Klask und Martin Klingst: Cyberangriffe: Finstere Attacken; http://www.zeit.de/2016/52/cyberangriffe-hacker-bundestagswahl-2017,
    zuletzt geprüft: 14.06.2017
  7. Knaup, Horand; Traufetter, Gerald: Fake News Innenministerium will Abwehrzentrum gegen Falschmeldungen einrichten; http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/fake-news-bundesinnenministerium-will-abwehrzentrum-einrichten-a-1127174.html, zuletzt geprüft: 14.06.2017
  8. Brooke, Donald: Stanford researchers find students have trouble judging the credibility of information; https://ed.stanford.edu/news/stanford-researchers-find-students-have-trouble-judging-credibility-information-online, zuletzt geprüft: 14.06.2017


Weiterführende Links:
  1. Clickbating: https://de.wikipedia.org/wiki/Clickbaitin; zuletzt geprüft: 14.06.2017
  2. Social Bots: https://de.wikipedia.org/wiki/Bot#Social_Bots:_Funktion_in_sozialen_Medien; zuletzt geprüft: 14.06.2017
  3. Correctiv: http://Correctiv.org; zuletzt geprüft: 14.06.2017
  4. Pressekodex: http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex; zuletzt geprüft: 14.07.2017
  5. Fake-News-Check App: https://itunes.apple.com/de/app/fake-news-check/id1214267855?mt=8; zuletzt geprüft: 14.06.2017

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