Seiten

Freitag, 2. Oktober 2020

Künstliche Intelligenz - Versuch eines einführenden Überblicks

2. September 2020, Sindelfingen, Baden-Württemberg, die neue S-Klasse von Mercedes Benz wird vorgestellt. Die S-Klasse vereint seit Jahren die Ansprüche von höchster Qualität und neuster Technik zugleich. Die Stuttgarter Autobauer wollen Maßstäbe im Bereich der Luxuslimousinen setzen und schafften dies vor allem mit dem Erreichen des autonomen Fahrens Stufe drei. Das sogenannte „hochautomatisierte Fahren“ beinhaltet, dass sich der Fahrer von der Fahraufgabe und dem Verkehr vorübergehend abwenden darf, der PKW in vom Hersteller vorgegebenen Anwendungsfällen selbstständig fährt, Anforderungen des Systems kurzfristig vom Fahrer übernommen werden müssen und der Fahrer nur haftet, wenn er den vorgegebenen Aufforderungen nicht nachkommt. Das Auto muss also komplexe Situationen des Straßenverkehrs verstehen und schnellstmöglich eine korrekte Entscheidung treffen (ADAC e.V. 2018).

Theoretisch gesehen könnte die S-Klasse bis 60 km/h vollautonom fahren, allerdings lässt dies die Gesetzeslage in der Bundesrepublik noch nicht zu, was sich aber in den nächsten Jahren ändern soll. Doch wie bewältigt ein Auto solch komplexe Aufgaben und wie sehr kann man sich als Mensch auf diese Systeme verlassen, ohne dass es zu Unfällen oder gefährlichen Situationen im Straßenverkehr kommt. Noch vor einigen Jahren war die Vorstellung des autonomen Fahrens undenkbar und man hätte diese Art von Entscheidungen keinesfalls einem System oder einer Künstlichen Intelligenz anvertraut. Auch heutzutage tun sich sowohl traditionelle Autohersteller wie BMW, Audi, VW oder Mercedes als auch neuere Hersteller wie Tesla oder Google noch schwer, ein Autopilot-System zu entwickeln, welches als absolut zuverlässig gilt (Ramge 2018, S. 13 f.)

Als menschliches Individuum sind wir es gewohnt, Entscheidungen selbst zu treffen und stets die volle Kontrolle über unser Tun und Handeln zu haben. Zudem liegt es in der menschlichen Natur, Entscheidungen nur ungern anderen zu überlassen. Roboter, selbstfahrende Autos und Künstliche Intelligenz werfen viele Fragen auf, auf welche die meisten Menschen noch keine Antworten haben. Wie präsent wird die Künstliche Intelligenz in den unterschiedlichen Bereichen des Lebens sein? Der nachfolgende Beitrag soll über die Geschichte, Herkunft, die theoretischen Grundlagen sowie die Anwendungsbereiche von Künstlicher Intelligenz aufklären und einen Ausblick in die Zukunft geben.

Versuch einer Begriffsbestimmung

Apps, Roboter, Fahrassistenten, Suchalgorithmen oder Smart Watches, all diese Systeme bedienen sich der Künstlichen Intelligenz (kurz: KI). Die KI lernt selbstständig dazu und wird immer intelligenter, doch was die Einen euphorisiert, schreckt Andere ab. Aber wie wird Intelligenz überhaut definiert?

Nach Howard Gardner, Psychologe an der Harvard University, kann Intelligenz in sieben unterschiedlichen Formen dargestellt werden: „visuell-räumlich, körperlich-kinästhetisch, musikalisch, interpersonal und intrapersonal, sprachlich und logisch-mathematisch“ (Misselhorn 2018, S. 17). Um das intelligente Verhalten einer künstlichen Intelligenz zu definieren, werden nicht die oben genannten Kriterien berücksichtigt, sondern das menschliche Verhalten als Maßstab genutzt.

Das Ziel einer KI sollte sein, Maschinen so zu entwickeln, dass sie ein Verhalten an den Tag legen, welches man bei Menschen als intelligent bezeichnen würde. Hierbei steht nicht die Lösung eines Problems an erster Stelle, sondern wie dieses Problem gelöst wurde. Ein Programm kann als intelligent bezeichnet werden, wenn es lernen und sich auf neue Situationen einstellen kann sowie die Fähigkeit der Verallgemeinerung besitzt (Misselhorn 2018, S. 17).

Der Begriff der Künstlichen Intelligenz wurde von Marvin Minsky und seinen Kollegen 1956 auf der Dartmouth-Konferenz geprägt. Auf Anraten des amerikanischen Sprachphilosophen John Robert Searle wird zwischen starker und schwacher KI unterschieden. Die schwache KI beschreibt das Hier und Jetzt, wohingegen die starke KI bis auf weiteres als Science-Fiction gesehen wird.

Ein Beispiel für schwache KI wäre ein System, welches Aufgaben übernimmt, die bis vor kurzer Zeit nur von Menschen erledigt werden konnten. Aufgabenbereiche wären hier beispielsweise die „Wissensarbeit, Fallbearbeitung in Versicherungen oder das Schreiben von Nachrichten- oder Sportmeldungen“ (Ramge 2018, S. 19).

Eine Steigerung der Funktionstüchtigkeit findet „nicht nur in Autos, sondern Fabriken, landwirtschaftliches Gerät, Drohnen oder Rettung-und Pflegeroboter“ statt (Ramge 2018, S. 19 f.). Die KI geht hierbei den Lösungsweg mathematisch an und verbessert bereits vorhandene Algorithmen oder entwickelt diese selbstständig. Der Grund für die schnelle Verbreitung dieser Systeme begründet sich meist mit einer besseren Qualität, schnellerer Bearbeitung oder günstigeren Erledigung der gestellten Aufgaben.

Aus finanzieller Sicht spielt der Return On Investment eine essenzielle Rolle in der Anschaffung dieser Technologien. Der Return On Investment beschreibt die Rendite auf das investierte Kapital, was besonders in der Wirtschaft relevant ist. Unternehmen müssen abwägen, inwieweit sich neue Technologien rentieren und ob finanzielle Einsparungen möglich sind.

Digitale Technologien sind heutzutage immer noch teuer, was sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern wird. Hier muss eine einfache Rechnung aufgestellt werden, die sich aus einer Investition x, einer Ersparnis y über z Monate oder Jahre ergibt. Nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Gesundheitswesen sind diese Technologien einsetzbar, hier werden die Renditen nicht finanziell gemessen, sondern in geretteten Menschenleben (Ramge 2018, S. 20 f.).

Eine konkrete Prognose des Fortschritts durch KI in Unternehmen oder dem Gesundheitswesen ist nur sehr schwer möglich, dennoch sagt Andrew Ng, Stanford Professor und ehemaliger Leiter des KI Teams von Google und Baidu: „Es ist wohl deutlich einfacher, die Branchen aufzuzählen, bei denen KI nicht zum Fortschritt beitragen kann“ (Ramge 2018, S. 22).

Insgesamt gibt es sechs Stufen der KI-beeinflussten Autonomie. Stufe null beinhaltet keinerlei Autonomie und der Mensch hat die volle Kontrolle ohne jegliche Assistenz. Stufe fünf stellt einen autonomen Betrieb in allen Bereichen dar, hier kann der Mensch abwesend sein. Nachfolgend ein Video der BMW Group, wie die Künstliche Intelligenz im Werk Dingolfing eingesetzt wird, um sogenannte „Pseudo-Fehler“ bei der Risskontrolle im Presswerk abzuschaffen.

Das Video wurde am 15.07.2019 veröffentlich und zeigt somit ein aktuelles Einsatzgebiet der Künstlichen Intelligent bei einem der größten Automobilhersteller Deutschlands und weltweit. BMW setzt hier Stufe zwei der KI-beeinflussten Autonomie ein, da Teilprozesse von Maschinen übernommen werden, der Mensch aber noch definiert, welche Teilprozesse dies sind. Das System arbeitet somit zeitweise autonom (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2019, S.14)


Chancen und Risiken für den Arbeitsmarkt

Im Rahmen einer Umfrage im August 2019 haben rund 3.647 erwerbstätige Bundesbürger an einer Umfrage der HDI teilgenommen. Folgende Fragestellung war gegeben: „Globalisierung und Digitalisierung (digitale Technik), von Robotik bis zu künstlicher Intelligenz (KI), verändern die Berufswelt. Maschinen können zunehmend Aufgaben von Menschen übernehmen. Wie empfinden Sie diese Entwicklung?“ (Versicherungswirtschaft Heute 2019, Abruf 25.09.2020)

Abbildung 1, eigene Darstellung, Ängste der Arbeitnehmer*innen im Zuge der Digitalisierung

In Abbildung 1 ist zu erkennen, dass sich die Arbeitnehmer*innen vermehrt Sorgen um die Arbeitsplätze ihrer Kollegen und Kolleginnen machen, allerdings 72% an einen Verlust des eigenen Arbeitsplatzes glauben. Nur 22% gehen davon aus, dass sie nicht ersetzt werden und ihren Arbeitsplatz verlieren. Zudem sehen 60% der Befragten die Abschaffung von Arbeitsplätzen als unliebsamen Nebeneffekt des Einsatzes Künstlicher Intelligenz in der Wirtschaft. Nur 32% glauben an die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Die hieraus resultierende Frage lautet, welchen Einfluss Künstliche Intelligenz auf die zukünftige Gestaltung von Arbeitsplätzen hat. Der Möglichkeit des Wegfalls vieler Jobs steht die Schaffung neuer Arbeitsplätze gegenüber.

Ein historischer Rückblick in das frühe 19. Jahrhundert zeigt, dass Arbeitnehmer bereits früh Aufstände gegen technologische Umbrüche führten. So zerstörten die Maschinenstürmer Mittelenglands die ersten mechanischen Webstühle, da sie eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen fürchteten. Dieses Vorgehen wurde als „Rage against the machine!“ beschrieben (Ramge 2018, S. 22).

Obwohl sowohl das Bruttoinlandsprodukt als auch die Produktivität stiegen, bewahrheiteten sich diese Befürchtungen und eine Stagnation des Lohnniveaus entstand. So werden die Maschinenstürmer als eine „verlorene Generation eines wirtschaftlichen und sozialen Umbruchs“ gesehen (Ramge 2018, S. 22). Erst Generationen später profitierten die Kinder und Enkelkinder durch höhere Löhne sowie durch eine bessere soziale Absicherung.

Als ein positives Beispiel kann die Mechanisierung der Landwirtschaft gesehen werden, da hier zwar die Mähdrescher die Landarbeiter ersetzten, aber auch neue Berufe in der Wirtschaft geschaffen wurden. Zu den neu erschaffenen Berufen zählten unter anderem der Beruf des Maschinenbauers, der Maschinenbauerin, Buchhalter*innen sowie Marketing-Expert*innen.

Sowohl Politiker als auch optimistische Studien hoffen auf beschleunigte Anpassungs- und Zugewinneffekte des technologischen Umbruchs. Es wird ein signifikantes Wachstum der Produktivität und des Bruttoinlandsproduktes erwartet. Damit einher gehen bessere Chancen für den Einzelnen, Unternehmen und für die Gesellschaft. Sowohl das Bildungssystem als auch die Arbeitnehmer erhoffen sich durch den Produktivitätszuwachs einen Mehrwert in Form finanzieller Mittel.

Eine erste Einschätzung der Auswirkungen von KI auf die Volkswirtschaft gab die Unternehmensberatung Accenture basierend auf einer aufwändig recherchierten Studie ab. Demnach soll die amerikanische Wirtschaft unter Einsatz Künstlicher Intelligenz mit einem Wachstum von rund 4,6 Prozent bis zum Jahr 2035 doppelt so schnell wachsen wie ohne KI. Für die Bundesrepublik Deutschland wird eine Verdreifachung auf 2,7 Prozent jährlich prognostiziert (Ramge 2018, S. 23).

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die sich zum Verhältnis des Arbeitsmarktes und der Künstlichen Intelligenz geäußert haben. So zeigen diverse Arbeitswissenschaftler Bereiche auf, in denen Tätigkeiten, die momentan von Menschen durchgeführt werden, durch die KI ersetzt werden könnten. Bedingt durch die niedrigen Arbeitskosten von digitalen Technologien, könnte es weltweit zu einer Massenarbeitslosigkeit kommen.

Michael Osborne und Carl Benedikt Frei, Ökonomen der University of Oxford, gehen in ihrer Studie aus dem Jahr 2013 von einer ernsthaften Bedrohung für 50% aller amerikanischen Arbeitsplätze aus. Zwar wurde diese Studie von unterschiedlichen Kollegen und Kolleginnen methodisch stark angezweifelt, dennoch wurde ein wichtiger Diskurs ausgelöst. Dieser Diskurs beschäftigt sich mit den Verlierern der dritten großen Automatisierungswelle. Es wäre naiv zu glauben, dass durch staatliche Weiterbildungsprogramme schnell ein neuer Arbeitsplatz für Arbeitnehmer*innen, deren Arbeitsplätze im Zuge dieser Welle verloren gehen, zu finden sei (Ramge 2018, S. 24).

Abschließend lässt sich sagen, dass eine genaue Prognose über die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf den Arbeitsmarkt und die damit verbundenen Arbeitsplätze nur bedingt möglich ist. Das Grundproblem liegt in der nicht abschätzbaren Geschwindigkeit der Entwicklung von digitalen Technologien und der Anpassung individueller Qualifikationen des Menschen an diese Systeme. Weder Politiker noch Wissenschaftler haben die passenden Ansätze für die kommenden Herausforderungen der nächsten großen Automatisierungswelle.

Thomas Range beschreibt diese Situation kurz und prägnant in seinem Buch „Mensch und Maschine, Wie künstliche Intelligenz und Roboter unser Leben verändern“ mit den folgenden Worten: „Wir sind nicht gut vorbereitet auf die Rückkehr der Maschinenfrage.“ (Ramge 2018, S. 23)

Wie lernen Maschinen das Lernen?

Bereits 1968 stellten die amerikanischen Psychologen David Rumelhart und James McClelland einen Computer vor, der Sprache wie ein Kleinkind erlernen sollte. Das Ziel dieses Projekts war es, 400 Verben in die korrekte Vergangenheitsform zu setzen. Dem System wurden keinerlei Regeln beigebracht, da das System eigenständig durch Ausprobieren und Feedback von Menschen lernen sollte.

Zu Beginn erkannte das System den Ablauf bei regelmäßigen Verben in Form des Bildens der Vergangenheitsform mit „ed“ sehr schnell und wendete diese Endung auf alle Verben an. Durch das Feedback der beiden Wissenschaftler bei den unregelmäßigen Verben fand der Computer auch hier schnell die korrekte Vergangenheitsform. 200 Durchgänge später beherrschte das System alle 400 Verben, für die Rummelhard und McClelland es trainieren wollten, korrekt. Die eigenständige Identifizierung von Regeln und Muster, um die gestellte Aufgaben zu lösen, war das Hauptziel der beiden Wissenschaftler.

„Menschen werden intelligent, indem sie lernen“ (Ramge 2018, S. 44). In den 1960er Jahren hatten KI-Forscher die Hoffnung, dass Maschinen ebenfalls durch Lernen intelligent werden können. Allerdings wurde diese Vermutung durch die Erforschung des menschlichen Gehirns schnell widerlegt, da die Lernprozesse im menschlichen Gehirn zu komplex sind, um sie zu kopieren (vgl. Ramge 2018, S. 44).

Künstliche neuronale Netze sind momentan das wichtigste Hilfsmittel der menschlichen Maschinenlehrer. Erst mit der Entwicklung neuer Rechner konnte dieser Ansatz fortgeführt werden, da diese nun in der Lage sind, eine große Anzahl von Berechnungen in vielen Knoten schnell durchzuführen. Eine der wichtigsten Komponente sind die „graphics processing units“ kurz GPUs, ursprünglich für Grafikkarten von 3.D-Computerspielen entwickelt und anschließend auf das Maschinelle Lernen abgestimmt.

Das sogenannte „deep learning“, ein Begriff, der im Silicon Valley entstanden ist, beinhalten die meisten neuen Anwendungen die als Künstliche Intelligenz betitelt werden wollen. Bei diesem statistischen Verfahren werden die Nervenzellen mit sogenannten Knoten von einem Computer simuliert. Diese Knoten werden dann entweder hinter- oder übereinander angeordnet und sind mit einer Teilmenge der unteren beziehungsweise oberen Schicht verbunden. Wird nun ein bestimmter Knoten aktiviert, wird das Signal an alle verbundenen Knoten weitergegeben (Ramge 2018, S. 46 f.).

Kurz gesagt: „Wo viele Signale ankommen, werden sie weitergeleitet, wenige Signale werden unterbrochen“ (Ramge 2018, S. 47). Ein Lernzuwachs dieses künstlichen neuronalen Netzes erfolgt, identisch wie bei den Menschen, über Feedback. In Abbildung 2 ist eine Visualisierung dieses Prozesses aufgezeigt. Die Kreise im Schaubild stellen die sogenannten Knoten dar, welche miteinander verbunden sind. Diese Abbildung ist nur eine vereinfachte Darstellung eines hochkomplexen Ablaufs, die zum allgemeinen Verständnis beitragen soll.

Abbildung 2, eigene Darstellung, vereinfachte Visualisierung des "deep learning"


Das übergeordnete Ziel des maschinellen Lernens ist, Muster in großen Datensätzen zu erkennen. Erkenntnisse, die Computersysteme aus Beispielen lernen, verallgemeinern sie, und je öfter eine Lösung für ein gestelltes Problem durch den Algorithmus gefunden wurde, desto genauer wird die Aufgabe in den folgenden Durchgängen bearbeitet (Ramge 2018, S. 47 f.).

Das maschinelle Lernen wird zum einen in das überwachte Lernen und zum anderen in das unüberwachte Lernen unterschieden. Beim überwachten Lernens ist der Mensch vor allem in den Trainingsphasen der Systeme essenziell, da er den Systemen auf vielen Ebenen Input geben muss, sodass sie zu genaueren Ergebnissen kommen. Exemplarische Bereiche, in denen überwachtes Lernen angewendet wird, sind das Aufdecken von Kreditkartenbetrug oder das Aussortieren von Spammails durch den Spamfilter im E-Mail-Postfach (Ramge 2018, S. 48).

Das unüberwachte Lernen, welches intelligente Systeme zunehmend beherrschen, beschreibt das Suchen von Daten durch einen Algorithmus ohne die Vorgabe des Suchauftrages durch Menschen. Es werden automatisch Ähnlichkeiten durch das System erkannt. Exemplarische Anwendungsbereiche des unüberwachten Lernens liegen im Feld der IT-Sicherheit. Die Software soll durch die Identifikation von „Anomalien im Betrieb eines Computer-Firmennetzwerkes“ (Ramge 2018, S. 48) ein Signal abgeben und im Zuge dessen Hackerangriffe abwehren.

Zu beachten ist allerdings, dass das unüberwachte Lernen noch in seinen Anfängen steckt und das Potenzial nur sehr schwer abzuschätzen ist (Ramge 2018, S. 48). Der Idealfall liegt vor, wenn ein künstlich intelligentes System einen Teil der Daten, aus denen es lernt, selbst erzeugt (Ramge 2018, S. 49). Der Leiter der KI-Forschung bei Facebook, Yann LeCun, beschreibt den aktuellen Stand der Dinge wie folgt: „(...), dass überwachtes Lernen nur der Zuckerguss des Kuchens ist, unüberwachtes Lernen aber der Kuchen selbst“ (zit. nach Ramge 2018, S. 49).

Es ist nahezu jedem bekannt, dass man, wenn man einen Suchbegriff in die Google-Suchmaschine eingibt, automatisch Vorschläge kommen, welche die Suche vervollständigen. Doch auf welchen Daten basieren diese Vorschläge und wird jede Suche genau gespeichert? Fragen, die sich automatisch stellen, wenn man sich genauer mit diesem Thema beschäftigt. Allgemein gilt für lernende Computersysteme die Regel „Versuch macht klug“ (Ramge 2018, S. 49). Diese Regel ist allerdings nur dann umsetzbar, wenn das System weiß, ob der Versuch geglückt ist oder nicht.

Um dies abschätzen zu können und um besser sowie schneller zu lernen, greifen lernende Computersysteme auf sogenannte Feedbackdaten zurück. So wird die Rückkopplung als der „technische Kern jeder automatischen Steuerung von Maschinen“ (Ramge 2018, S. 49) gesehen. Bereiche, die hier exemplarisch genannt werden können, sind, ob das System wirklich die beste Strecke berechnet, die korrekten Telefonnummern herausgesucht oder „eine Hautkrankheit auf einem Foto korrekt diagnostiziert hat“ (Ramge 2018, S. 49).

In den 1940er Jahren legte der amerikanische Mathematiker Norbert Wiener die theoretische Grundlage für die vorangegangenen Abläufe, die Kybernetik, mit der jedes System kontrolliert und ausgerichtet werden kann. Ein historischer Beleg für die Funktion kybernetischer Systeme waren die amerikanischen Raketenabwehrsysteme während des Zweiten Weltkrieges, wodurch viele britische Städte geschützt und Menschenleben gerettet werden konnten.

Die deutschen Marschflugkörper V1 wurden von einem Radargerät erfasst, diese Informationen wurden dann an eine Flakkanone in Form einer permanenten Feedback-Schleife weitergeleitet. Diese Informationen beinhalteten, wo sich die Bombe befindet und wie die voraussichtliche Flugbahn sein wird. Basierend auf den ständigen Feedbacksignalen richtete sich die Kanone aus und schoss die herannahende Rakete ab. So konnten rund 70 Prozent der deutschen V1-Raketen vor dem Aufschlag abgeschossen werden.

Selbstverständlich werden Feedback-Schleifen nicht nur für militärische Zwecke eingesetzt, sondern auch in einer Vielzahl alltäglicher Bereiche. Sie werden als wichtigster Rohstoff der Künstlichen Intelligenz gesehen und sind für diese essenziell wichtig (Ramge 2018, S. 50). Doch wie vervollständigt Google nun unsere Suchanfragen und macht Vorschläge für „bessere“ Suchbegriffe, obwohl nur ein einziger Begriff eingegeben wurde.

Dies funktioniert, da bereits viele Nutzer einen ähnlichen Suchbegriff eingegeben haben und den gleichen Vorschlag seitens Google angenommen haben. So wird durch die eigene Annahme eines Vorschlags wiederum ein Feedback erzeugt, welches Google bei anderen Nutzern und Nutzerinnen einsetzt. Feedbackdaten werden aber nicht nur von Google eingesetzt, sondern von vielen Internet-Riesen wie Facebook, Amazon oder PayPal (Ramge 2018, S. 51).

Der Feedbackeffekt ist mit dem Netzwerkeffekt vergleichbar. Der Netzwerkeffekt beschreibt die Verbreitung einer App wie zum Beispiel WhatsApp. Je mehr Personen WhatsApp nutzen, desto mehr neue Nutzer werden angezogen. Ein identisches Prinzip ist durch den Feedbackeffekt der Künstlichen Intelligent vorhanden. Mit der Zunahme von Feedbackdaten, die Menschen oder Maschinen liefern, werden diese Systeme immer schlauer (Ramge 2018, S. 51).

Dennoch dürfen nicht nur die positiven Seiten betrachtet, sondern auch die negativen Aspekte müssen aufgeführt werden. Der Gesetzgeber muss neue kartellrechtliche Maßnahmen einleiten, um gegen Datenmonopole vorzugehen. Zudem müssen innovative Newcomer der Szene unterstützt werden, da die Dienstleistungen oder Produkte mit der höchsten Nutzerzahl am schnellsten wachsen. Dieser Fakt erschwert den Eintritt in den Markt für neue Unternehmen extrem, da diese nicht auf die Menge an Feedbackdaten zurückgreifen können, wie es die big player tun (Ramge 2018, S. 52). Thomas Ramge beschreibt die Situation wie folgt: „Sich selbst verbessernde Technologie hebelt den Wettbewerb aus“ (Ramge 2018, S. 49).

Anwendungsbereiche

Die Anwendungsbereiche der Künstlichen Intelligenz sind nahezu unbegrenzt, weshalb eine Beschreibung aller nicht möglich wäre. Im Nachfolgenden werden die Gebiete der Künstlichen Intelligenz, angelehnt an Thomas Ramge, des Alltagsassistenten, des Verkäufers und des Arztes beschrieben. Eine tiefgründige Beschreibung ist aufgrund des Umfangs dieser Bereiche nicht möglich, vielmehr soll ein Überblick über die unterschiedlichen Einsatzgebiete aufgezeigt werden.

Im Jahr 2020 sind Sprachassistenten wie beispielsweise Alexa in vielen Haushalten präsent und werden aktiv genutzt. Noch vor einigen Jahren, während der Einführung des Amazon Echo, wurde über dieses System noch viel gespottet. Heutzutage ist klar, dass Amazon Echo weder ein Spielzug ist noch zur Belustigung der Menschen, in Form von erzählten Witzen, dienen soll, sondern der Durchbruch auf der Reise zu einem intelligenten Alltagsassistenten war.

Die Fähigkeiten von Amazons Alexa sind sehr facettenreich und reichen von der Bestellung einer Pizza über den Abruf des Wetters bis hin zum Einstellen der Heizung. Amazon verbindet Alexa natürlich mit seinem Amazon-Shop, was die Bestellung der Produkte vereinfacht, und dennoch kann man Alexa nicht als reine Abverkaufsmaschine sehen (Ramge 2018, S. 53 f.). Durch den dialogischen Abruf von lexikalischem oder zeitgenössischem Wissen bietet Alexa ebenfalls einen informativen Mehrwert. So ruft Amazons Sprachassistent Informationen aus diversen Onlinequellen ab und versucht die Antwort passend zur Frage zu verbalisieren.

Amazon versteht es wie kein anderer Onlinehändler, seinen Kunden basierend auf einem personalisiertem Empfehlungssystem Kaufvorschläge zu unterbreiten. Seit 1998 nutzt der Marktführer des Handels im Internet dieses System, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass seine Kunden*innen auf den Kaufknopf klicken. Experten gehen davon aus, dass rund ein Drittel aller Käufe aufgrund der Kaufempfehlung getätigt oder zumindest angestoßen werden. Amazon kommentiert diese Zahlen nicht.

Innovative Unternehmen sind also angespornt, Intelligenz in die virtuelle Kaufberatung zu implementierten, da Online-Werbung, die während dem Surfen penetrant angezeigt wird oftmals keinen Mehrwert bringt (Ramge 2018, S. 57 f.) Von vielen Seiten gefordert wären mehr virtuelle Shopping-Assistenten, die händlerunabhängig arbeiten und beraten. Aus Sicht der Verbraucherschützer wäre dies durch virtuelle Agenten allerdings der letzte Schritt zum gläsernen Verbraucher, wodurch eine Manipulation sehr einfach wäre (Ramge 2018, S. 62).

Wirft man einen Blick auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im medizinischen Bereich, eröffnen sich auch hier unterschiedliche Einsatzgebiete. Diverse Experimente und Studien aus den Bereichen der Onkologie, Kardiologie und bei genetischen Krankheiten weisen auf ein besseres Diagnostizieren durch Maschinen hin. So lassen sich durch das Deep-Learning-Verfahren mit Computer-Tomografie-Bildern genauere Vorhersagen von einem Krankheitsverlauf bei Brustkrebs treffen, was die Wahl der Therapieart beeinflussen kann. Die Medizin erhofft sich durch den Einsatz von KI-Agenten, die Vorsorge, Forschung, Diagnose und die Therapie auf ein neues Niveau zu heben (Ramge 2018, S. 62 f.).

Fazit und Versuch eines Ausblicks

Abschließend lässt sich sagen, dass die Künstliche Intelligenz ein hochinteressantes Gebiet ist, welches allerdings für viele Menschen mehr mit Science Fiction zu tun hat als mit den Bereichen des alltäglichen Lebens. Wenn nun eine Person hinter dem Steuer einer S-Klasse sitzt, funktionieren alle Assistenten und bieten dem Fahrer oder der Fahrerin einen Zugewinn an Komfort und Sicherheit. Welche komplexen Abläufe und Systeme hierfür nötig sind und wie viele schlaue Köpfe viele Stunden Arbeit in die Entwicklung dieser Systeme gesteckt haben ist den meisten Menschen nicht klar, was aber überhaupt kein Vorwurf sein soll.

Dennoch wird schnell bewusst, dass Deutschland noch nicht auf dem Stand der Technik wie zum Beispiel China ist. Gründe hierfür sind zum einen die Politik, finanzielle Mittel und zum anderen die Gesetzeslage, welche viele Innovationen einschränkt. Um im internationalen Wettrennen der Wirtschaftsmächte Schritt zu halten, muss sich die Bundesrepublik diesen neuen Technologien annehmen und sie eigeninitiativ fördern und weiterentwickeln. Der Blick hier richtet sich nicht nur auf den wirtschaftlichen Sektor, sondern beginnt bereits mit der Digitalisierung an Schulen.

Ein konkreter Ausblick in die Zukunft der Künstlichen Intelligenz ist nur bedingt möglich, da sich Technologien extrem schnell entwickeln. Die KI wird sich höchstwahrscheinblich in vielen Bereichen durchsetzen, da es dadurch zu einer Reduktion der Fehleranfälligkeit, des Kontrollaufwandes und der Schnittstellen kommt. Es ist zu hoffen, dass vor allem der medizinische Sektor profitieren kann, da es hier um Menschenleben geht, die gegebenenfalls durch neu entwickelte Systeme gerettet werden können. Nicht immer sollte der Return On Investment und die Gier nach mehr Geld im Vordergrund stehen. Die Künstliche Intelligenz bietet viele Anwendungsbereiche, was sowohl Vorteile als auch Nachteile haben kann. Was schlussendlich überwiegt, ist branchenabhängig und wird die Zukunft zeigen.

Literaturverzeichnis

Buchquellen

  • Misselhorn, Catrin (2018): Grundfragen der Maschinenethik (3. durchgesehene Auflage). Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Ditzingen.
  • Ramge, Thomas (2018): Mensch und Maschine. Wie künstliche Intelligenz und Roboter unser Leben verändern. Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Ditzingen.

Internetquellen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen