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Samstag, 5. Juni 2021

Wikipedia als Text- und Schreibform in der Schule

In diesem Beitrag stellt Simon Casacchia folgenden Aufsatz vor:

Storrer, Angelika (2012): Neue Text- und Schreibformen im Internet: Das Beispiel Wikipedia; in: Helmut Feilke (Hrsg.): Textkompetenzen in der Sekundarstufe II. Stuttgart, S. 277-304, Vorabversion online unter: http://studiger.fb15.tu-dortmund.de/images/Storrer-textkompetenzen-preprint.pdf.

Angelika Storrer macht in ihrem Aufsatz auf verschiedene essenzielle Eigenschaften der Website Wikipedia aufmerksam und bezieht diese auf einen schulischen Zusammenhang. Im folgenden wird auf die Kernpunkte dieses Aufsatzes eingegangen, die Eigenschaften und Funktionen der Wikipedia werden dabei erläutert.

Im Fokus des Werkes stehen zwei Thematiken: Zum ersten das Konzept des Hypertextes und zum zweiten das des interaktionsorientierten Schreibens. Beide Konzepte werden dabei am Beispiel Wikipedia veranschaulicht (vgl. S. 1). Angelika Storrer verfolgt mit ihrem Werk das Ziel,

„Hypertexte und interaktionsorientiertes Schreiben in die Diskussion über Sprach- und Textkompetenzen im Deutschunterricht der Sekundarstufe II zu integrieren, denn hypertextuelle Darstellungsformen und internetbasierte Kommunikationsformen haben im Alltag heutiger Jugendlicher einen hohen Stellenwert“ (S. 1).

Das Wissen um einen Hypertext ist nach Storrer für das Verständnis neuer, digitaler Genres vonnöten. Beim Vergleich von Hypertexten mit abgeschlossenen und linearen Texten könne man zudem Funktionen der Textualität, Schriftlichkeit und von Sprachwandelprozessen verdeutlichen.

Was aber ist ein Hypertext? Storrer nennt in ihren Erläuterungen einige Attribute, welche nun vorgestellt und erläutert werden sollen. Als erste Eigenschaft wird die „Nicht-Linearität“ genannt (vgl. S. 7). Zentral ist, dass innerhalb eines Wikipedia-Artikels weitere Artikel über Links verbunden sind, welche der Nutzer beim Lesen selbständig aktivieren oder ignorieren kann (vgl. S. 7). Dieses Feature hat zur Folge, dass die Nutzer*innen der Wikipedia die Reihenfolge, in welcher Artikel gelesen werden, selbst bestimmen können, wodurch individuelles Informationslesen beschleunigt und vereinfacht wird (vgl. S. 8).

Als zweite Eigenschaft wird die Multimodalität genannt, welche sich dadurch auszeichnet, verschiedene mediale Objekte (zum Beispiel Videos, Schrift, Bilder und Audiodateien) miteinander zu kombinieren (vgl. S. 9). So finden wir in einem Wikipedia-Artikel üblicherweise nicht nur schriftliche Inhalte sondern oft auch Bilder, Videos oder Audiodateien.

Die Eigenschaft „Interaktivität“ wird als drittes genannt und als Interaktion zwischen Mensch und Computer verstanden, im Beispiel Wikipedia tritt diese unter anderem durch das Anklicken von weiterführenden Links oder durch das Eingeben von Suchbegriffen auf (vgl. S. 9). Storrer macht darauf aufmerksam, dass in der medienwissenschaftlichen Literatur der Begriff „interaktiv“ auch auf die Kommunikation zweier Menschen über ein Medium bezogen sein kann. Solche Kommunikationsmöglichkeiten werden dann durch Blogs, Diskussionsforen oder Chats realisiert (vgl. S. 10).

Als letztes Merkmal von Hypertexten wird die „Adaptivität/ Offenheit“ genannt (vgl. S.11). Adaptivität meint hierbei, dass die Inhalte der Wikipedia auf verschiedenen Endgeräten unterschiedlich angepasst graphisch dargestellt werden, während die Eigenschaft „Offenheit“ die Tatsache beschreibt, dass Texte innerhalb der Wikipedia nicht abgeschlossen und fertig sind, sondern sich im stetigen Ausbau und Verbesserungsprozess befinden (vgl. S. 11f.).

„Es ist also gerade die schriftliche Fassung, mit der die „Offenheit“ von Hypertexten am besten genutzt werden kann - sie ist die Grundlage für die Überarbeitung und Optimierung, für die stetige Anpassung der Wissenrepräsentation an neue Verhältnisse“ (S. 15).

Durch das Zitat verdeutlicht Storrer, dass sich hierbei das Merkmal der „Offenheit“ bei Hypertexten hauptsächlich auf den schriftlichen Teil bezieht. Ein Hypertext vereint zwar neben der schriftlichen Form auch Audio- oder Videodateien, diese lassen sich jedoch nicht so schnell ändern oder anpassen wie die Schrift. In einem weiteren Abschnitt des Aufsatzes wird ein Vergleich von (gewöhnlichen) Texten mit Hypertexten vorgenommen. Storrer trifft dazu die folgende Aussage:

„Der entscheidende Unterschied zwischen der Wikipedia und gedruckten Enzyklopädien liegt weniger im Produkt als im Prozess: Die Wikipedia ist ein offener Hypertext, an deren Inhalt und Gestalt sich prinzipiell alle Interessierten beteiligen können, sofern sie sich an die Leitlinien und Prinzipien der Artikelgestaltung halten“ (S. 16).

Der Unterschied liegt also nicht in der eigentlichen Gestaltung oder im Inhalt von Texten und Hypertexten, sondern darin, dass ein Hypertext niemals wirklich abgeschlossen ist. Jeder Nutzer kann den Hypertext wieder und wieder verbessern oder abändern. Findet eine Person zum Beispiel einen Fehler innerhalb eines Wikipedia-Artikels, so kann sie diesen ohne große Mühe verbessern. Diese Möglichkeit steht jedem Nutzer offen. Obwohl ein Hypertext nicht abgeschlossen ist, sind sie also im selben Maße monologisch konzipiert und folgen fundierten Mustern im Bezug ihrer Anordnung bzw. ihrer Strukturierung (vgl. S.17).

Im vierten und letzten Abschnitt des Aufsatzes erklärt Storrer die Unterschiede zwischen textorientiertem und interaktionsorientiertem Schreiben. Beide Arten werden am Beispiel Wikipedia erläutert. Beim textorientierten Schreiben steht die Erschaffung eines Textes im Vordergrund, welcher in seiner Orthographie, Grammatik, Struktur und Formulierung bestimmte Merkmale zu erfüllen hat (vgl. S.19). Das textorientierte Schreiben hat nach Storrer eine essenzielle Bedeutung:

„Das textorientierte Schreiben steht im Zentrum der schulischen Schreibdidaktik und prägt auch viele Schreibanlässe in beruflichen und institutionellen Kontexten; auch das literarische, journalistische und wissenschaftliche Schreiben ist üblicherweise textorientiert“.

Zudem bietet Wikipedia aber auch Bereiche, in denen interaktionsorientiertes Schreiben üblich ist. Dieses wird nach Storrer wie folgt definiert:

„Beim interaktionsorientiertem Schreiben steht das aktuelle Kommunikationsgeschehen im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Beteiligten wechseln in der Interaktion zwischen Produzenten- und Rezipientenrolle und beziehen sich in ihren Beiträgen unmittelbar auf die Beiträge anderer Nutzer“ (S. 20).

Beim interaktionsorientiertem Schreiben steht also nicht der Aufbau oder die Formulierung des Textes im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, Kommunikation zu ermöglichen. Am Beispiel Wikipedia findet man diesen Schreibstil in den Diskussionsbereichen der Website (vgl. S. 20). Die Autorin hält es für wichtig, die SuS im Kontext der Sprachdidaktik über die Unterschiede zwischen den beiden Schreibarten aufzuklären und diese voneinander abzugrenzen, wofür sich die Wikipedia ideal eignet, da auf ihr beide Schreibarten aufzufinden sind (vgl. S. 20f.). Storrer schlussfolgert:

„Gerade weil die Beiträge ein sehr breites sprachstilistisches Spektrum abdecken, kann man an den Diskussionsseiten gut verdeutlichen, dass nicht das Medium (Internet) oder ein bestimmtes soziales Netzwerk (deutsche Wikipedia) den Sprachstil bestimmt, sondern dass die Schreiber ihren Schreibstil an die Konventionen der jeweiligen Kommunikationsform und an die Erfordernisse der individuellen Situation anpassen“ (S. 21).

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