Ebenso klagen nach Angaben des Einzelhandelsverbandes Deutschland (HDE) über 60 Prozent der ‚normalen‘ Einzelhändler über sinkende Besucherzahlen in ihren Geschäften und geben für diese Entwicklung zum Großteil dem Onlinehandel die Schuld (welt.de, 2014).
Im Folgenden soll nun ein Blick darauf geworfen werden, wie sich der stationäre Einzelhandel und der Onlinehandel in den letzten Jahren entwickelt haben und welche Möglichkeiten es gibt, den Einzelhandel vor Ort durch die Verknüpfung mit dem Onlinehandel zu stärken und zukunftsfähig zu machen.
Entwicklungstendenzen
Nach einer Schätzung des Instituts für Handelsforschung (IFH) droht rund 45.000 Einzelhandelsgeschäften wie Sportartikelhändler, Spielwarenläden, Boutiquen und Elektronikgeschäften in Deutschland bis 2020 das Aus (stern.de, 2016).
Großstädte wie Frankfurt, Stuttgart oder Köln werden kaum Probleme im stationären Handel bekommen, da es insgesamt eine starke Fokussierung auf Großstädte und deren Toplagen gibt.
Aber vor allem die Klein- und Mittelstädte mit 30.000 bis 60.000 Einwohnern werden in Zukunft Probleme im Einzelhandelsbereich bekommen. Hier werden die Umsätze der Geschäfte bis 2023 durch den Onlinehandel voraussichtlich um rund 30 Prozent schrumpfen (stern.de, 2016).
Umsatzentwicklung des Onlinehandels
Der Umsatz des Onlinehandels ist in den letzten Jahren rapide gestiegen.
Wurden im Jahr 2012 noch 29,5 Milliarden Euro im Onlinegeschäft umgesetzt, waren es 2015 52,79 Milliarden. Für 2016 wird ein Umsatz von 62,45 Milliarden Euro prognostiziert (Internationale E-Commerce-Studie 2016).
Welche Produkte werden im Onlinehandel gekauft?
Es gibt große Unterschiede, welche Produkte online oder im stationären Handel gekauft werden. Der klare Spitzenreiter bei den Online-Käufen ist die Unterhaltungselektronik. 27 Prozent der gesamten Onlineausgaben fließen in diesen Bereich, gefolgt von Mode, für die knapp 22 Prozent verwendet werden (Roland Berger Strategy Consultants, 2013).
Weitgehend gefeit vor der Online-Konkurrenz ist bislang noch der Lebensmittelhandel. Hier liegt der Marktanteil der Online-Händler noch deutlich unter einem Prozent.
Und auch eine Umfrage zu dem Thema, welche Produkte Kunden eher im Onlineshopping und welche im klassischen Einzelhandel kaufen, zeigt deutlich, dass beim Kauf von Unterhaltungselektronik, Handys und Computern der Onlinehandel präferiert wird. Möbel, Heimwerkerbedarf und Lebensmittel werden hingegen im Einzelhandel vor Ort gekauft (siehe Statista).
Doch auch diese Produkte werden in Zukunft verstärkt im Internet gekauft. Im Jahr 2020 wird voraussichtlich auch im Lebensmittelhandel jeder zehnte Euro per Mausklick ausgegeben (welt.de, 2014). Ebenso wird erwartet, dass in weniger als zehn Jahren ein Viertel aller Einkäufe im Internet erledigt werden (welt.de, 2014).
Bei einem weiteren Anstieg des Onlinehandels (auch in Bezug auf den Kauf von Lebensmitteln im Internet), würde das wohl das Aussterben des stationären Einzelhandels bedeuten.
Dennoch ist die Annahme falsch, dass Kunden in Zukunft nur noch per Mausklick einkaufen wollen. Eine Mehrheit der Käufer möchte beim Einkauf die Möglichkeit haben, sowohl online als auch offline kaufen zu können.
Nicht nur für die ‚Digital Natives‘ (14-29 Jahre) nehmen die kanalübergreifenden Einkaufsangebote eine wichtige Bedeutung ein. Auch bei der mittleren Altersgruppe sowie – sogar in verstärktem Maße – in der Alterskategorie 50 plus erfahren Händler, die On- und Offline-Einkaufsmöglichkeiten verbinden, eine besondere Wertschätzung.
Nach Einschätzung der Befragten wird sich an dieser Situation auch in Zukunft nichts ändern. Der Trend zum Multichannel-Shopping dürfte noch zunehmen. 86 Prozent der befragten Verbraucher sind der Meinung, dass es für Händler in der Zukunft immer wichtiger werden wird, ihre Produkte über verschiedene Kanäle (offline/online/mobil) anzubieten.
Verknüpfung von Online- und Offline-Handel
Die Zukunft liegt also eindeutig in der intelligenten On-/Offline-Integration – dem Multichannel-Handel, also dem mehrgleisigen Vertrieb der Produkte (online/offline). Diese Kombination hat sich das Unternehmen Runners Point, ein Filialfachhändler für Schuhe, zunutzegemacht.
Bei Runners Point kann der Kunde den Laufschuh im Laden anprobieren und sich vor Ort umfassend beraten lassen. Anschließend kann er diesen im Laden bestellen und sich die Schuhe bequem nach Hause schicken lassen. Beim weiteren Shopping-Bummel kann auf das Tragen von unnötigen Plastiktüten verzichtet werden (Hell, 2013).
Einen ähnlichen Weg gehen auch sogenannte Pop-Up-Stores. Diese öffnen ihre Läden meist in leerstehenden Geschäftsräumen und verschwinden dann wieder.
So stellt etwa die britische Traditionsmarke Marks & Spencer beim Launch ihres Online-Shops in Deutschland die neue Kollektion in mehreren deutschen Städten in Pop-Up Stores vor (Hell, 2013).
Die Ware kann vor Ort nur vorgestellt und getestet werden, das Mitnehmen ist nicht möglich. Das Bestellen und Kaufen der Ware wird an einer iPad-Bar vorgenommen. Anschließend wird die Ware nach Hause geliefert. Auch hier gilt das Prinzip: vor Ort anschauen und testen und dann nach Hause liefern lassen.
Ebenso setzte das 2014 insolvent gegangene Unternehmen mStore, das einer der größten deutschen Apple-Händler war, von 2012 an einen Schwerpunkt auf das mobile Online-Shopping mittels QR-Codes (Hell, 2013). Mit der innovativen QR-Technologie konnten Kunden von mStore die PayPal QR Shopping-App auf ihrem Smartphone installieren.
Das Scannen eines QR-Codes, der im Laden angebracht war, mit der Handy-Kamera reichte aus, um sofort in einen vereinfachten Checkout-Prozess zu gelangen. Voraussetzung dafür war ein Konto bei PayPal. Die gewünschte Ware wurde an die bei PayPal hinterlegte Adresse geliefert (Hell, 2013). So war es möglich, dass Kunden beispielsweise eine Notebook-Tasche, die es in sieben Farben gab, im Store anschauen konnten und die gewünschte Farbvariante per QR-App nach Hause bestellen konnten.
Auch außerhalb der stationären Öffnungszeiten gab es die Möglichkeit, durch in den Schaufenstern oder an Werbeplakaten angebrachten QR-Codes mit Mobiltelefonen vor Ort einzukaufen (Hell, 2013). Durch QR-Shopping konnte die Lücke zwischen Ladenöffnungszeiten und dem Online-Store geschlossen werden.
Darüber hinaus bietet das QR-Shopping deutliche Vorteile im Vergleich zu anderen Mobile-Lösungen. Der Einkauf per Handy mit der PayPal-Technologie ist mit einer einzigen App – und damit ohne Medienbruch – möglich.
Diese aufgeführten Beispiele von Runners Point und mStore zeigen, wie eine Verknüpfung zwischen Offline- und Onlineshopping funktionieren kann.
Auch Händler, die Lebensmittelprodukte vertreiben, setzen auf die On-/Offline-Integration. Das Unternehmen ‚Emmas Enkel‘ ist ein Unternehmen, das wie eine Art Tante-Emma-Laden aufgebaut ist. Es verkauft eine Vielfalt an Lebensmitteln und setzt dabei auf die On-/Offline-Integration.
So gibt es im Ladenbereich von Emmas Enkel nur eine recht überschaubare Anzahl an Produkten – rund 500 Artikel (Hell, 2013). Im angeschlossenen Lager, das die Verkaufsfläche deutlich übersteigt, sind allerdings noch einmal rund 1.500 Artikel verfügbar.
Das Angebot ist online verfügbar und kann per Handy durch Scannen des QR-Codes aus dem Gesamtsortiment ausgewählt werden. Nach ein paar Minuten stehen die fertig gepackten Einkaufstüten dann am Verkaufstresen zur Abholung bereit.
Das Ladengeschäft und Lager verbindende Funktionsprinzip von Emmas Enkel machte eine Reihe von Weiterführungen naheliegend. So bietet Emmas Enkel neben dem Einkauf vor Ort auch die Abholung von online bestellten Waren im Laden an. Auch die Online-Bestellung und deren Lieferung nach Hause ist innerhalb der Öffnungszeiten des Ladens möglich (Hell, 2013).
Der moderne Tante-Emma-Laden ermöglicht den Einkauf auch außerhalb der Öffnungszeiten. Dafür wird eine QR-Wand, die vor dem Laden angebracht ist, und die QR-Shopping-App von PayPal benutzt (Hell, 2013).
Unterstützt durch Entwicklungen, wie zum Beispiel QR-Code- und Barcode-Scanning, wird den Verbrauchern zunehmend die Möglichkeit gegeben, zwischen den Absatzkanälen zu springen. Somit können Einkaufskanäle verschmelzen.
Die Idee von Emmas Enkel hat innovative Möglichkeiten für das Verschmelzen von Online- und Offlinehandel aufgezeigt. Jedoch zeigt das Beispiel des modernen Tante- Emma-Ladens, dass dieses Konzept nur geringen Erfolg hatte.
Die drei Emmas Enkel Läden werden in absehbarer Zeit schließen. Ferner wurde das Unternehmen von der Metro-Gruppe aufgekauft, die aus Emmas Enkel einen reinen Onlinehandel machen will.
Eine weitere Chance für stationäre Einzelhändler bietet eBay. eBay ist auf den Zug der Verknüpfung von Online- und Offline-Handel aufgesprungen und erwarb im Dezember 2010 eine lokale Einkaufssuchmaschine in den USA. Diese macht den Warenbestand von Läden in US-Städten im Web durchsuchbar. Man kann die Ware online bezahlen und anschließend im Laden abholen (Hell, 2013).
Damit hat eBay begonnen, auch die stationäre Verfügbarkeit von Artikeln auf dem Online-Marktplatz anzuzeigen. Des Weiteren können stationäre Händler eBay als zusätzlichen Vertriebskanal nutzen.
Durch den zusätzlichen Vertrieb über Online-Kanäle wie eBay wird es vielen Einzelhändlern erst ermöglicht, ihr Ladengeschäft weiter zu betreiben. Denn durch diese Methode können die Händler ihre Produkte über eBay 116 Millionen zusätzlichen potenziellen Kunden weltweit zugänglich machen.
Generell spielt das Thema Click & Collect, also Online-Bestellung und Abholung im Ladengeschäft, im Handelsumfeld eine große Rolle. So registrierten die Multichannel-Händler unter anderem bei Walmart in den USA, dass von der Möglichkeit des Online-Bestellens und dem anschließenden Abholen im Ladengeschäft 50 bis 70 Prozent der Käufer Gebrauch machten (Hell, 2013).
Walmart-Kunden, die nach einer Online-Bestellung die Waren im Ladengeschäft abholten, gaben durchschnittlich 60 US-Dollar zusätzlich in der Filiale aus. So kann durch diese Strategie der Online- den Offline-Handel unterstützen (Hell, 2013).
Aber nicht nur Einzelhandelsketten oder kleinere Einzelhändler, sondern auch Städte sind auf den Zug der Verknüpfung von Online-/Offline-Handel aufgesprungen. Vorreiter war Wuppertal, das den lokalen Händlern mit dem Projekt "onlineCity Wuppertal" (OCW) schon seit 2014 die Möglichkeit bietet, mit einem gemeinsamen Internetauftritt Kunden zu werben.
Eine Art lokale Einkaufsstraße wird im Internet angeboten. So können Einwohner in Wuppertal durch einen gemeinsamen Online-Shop von lokalen Händlern die Möglichkeit nutzen, bei diesen einzukaufen und anschließend die Ware, wenn möglich noch am gleichen Tag, nach Hause geliefert zu bekommen oder sich diese selbst abzuholen (Christiane ten Eicken, 2015).
Darüber hinaus gibt es Shop-Stationen, an denen Kunden sich über die online angebotenen Produkte informieren und diese dort (aus)probieren können. Eine Servicestation als zentrale Versand- und Rückgabestelle über die üblichen Öffnungszeiten hinaus ist ebenfalls integriert (Christiane ten Eicken, 2015).
Fazit
Der ‚klassische‘ Einzelhandel hat in den letzten Jahren immer mehr mit der Konkurrenz des Onlinehandels zu kämpfen. So ist die beschränkte Reichweite des stationären Handels objektiver Nachteil gegenüber dem Onlinehandel. Während ein Onlinehandel-Unternehmen von Anfang an die Möglichkeit hat, ein potenziell unbegrenztes Kunden-Reservoir zu adressieren, ist die Reichweite des lokalen Handels limitiert (Hell, 2013). Ein weiterer Nachteil ist die räumliche Begrenzung und die zeitliche Einschränkung durch die Ladenöffnungszeiten (Hell, 2013).
Um diese Wettbewerbsnachteile zu überwinden, muss der stationäre Handel daher den zusätzlichen Vertriebskanal ‚Online‘ nutzen, um die bestehenden Beschränkungen zu überwinden und seine Kundenreichweite zu vergrößern.
Eine gute Möglichkeit zur Erhöhung der eigenen Online-Sichtbarkeit stellt hier die Zusammenarbeit mit reichweitenstarken Partnern dar. Das können lokale Einkaufsportale wie Online City oder Preisvergleichsportale im Internet sein (Hell, 2013). Ebenso geeignet sind Online-Plattformen wie eBay, die es Unternehmen vor Ort ermöglichen, im Netz mit ihrem Waren- bzw. Dienstleistungsangebot aufzutreten.
Schließlich eignen sich innovative Technologien gut dafür, die Möglichkeiten des lokalen Einzelhandels zu vergrößern. Die Beispiele ‚mStore‘ und ‚Emmas Enkel‘ zeigen, wie sich QR-Codes nutzen lassen, um die zeitliche Reichweite eines Ladengeschäfts über die gesetzlichen Öffnungszeiten hinaus auszudehnen (Hell, 2013).
Die von PayPal entwickelten mobilen Bezahltechnologien verdeutlichen zudem, wie technische Neuerungen es dem Handel ermöglichen können, seine Berührungspunkte mit den Kunden zu erhöhen und bestehende Barrieren aus dem Weg zu räumen (Hell, 2013).
Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass die Versuche, Online- und Offline-Handel zu kombinieren, nicht immer gelingen. Es sollte allerdings klar sein, dass nur diejenigen, die die im Netz vorhandenen Chancen nutzen, ihr Warenangebot über möglichst viele zusätzliche Kanäle verfügbar machen können. Somit besteht auch die Möglichkeit, dem stationären Handel vor Ort eine Zukunft zu geben.
Quellenverzeichnis
bluepartner GmbH. Zugriff am 07.09.2016 von
https://bluepartner.de/blog/mobile-shopping-treibender-motor-online-handel/
BluhmBlog. Zugriff am 07.09.2016 von
http://www.bluhmsysteme.com/blog/wp-content/uploads/2014/10/virteinkaufswand2.jpg
eBay International AG. Zugriff am 06.09.2016 von http://www.zukunftdeshandels.de/omnichannel/Ergebnisse
Hell, M. (2013). Local Heroes. Zukunftsfähiger Einzelhandel durch Online-/Offline-Integration. Zugriff am 03.09.2016 von http://www.zukunftdeshandels.de/sites/default/files/downloadable-books/Local-Heroes_Gesamt-PDF.pdf
Innenstädte veröden wegen Online-Handels. Welt.de, 2014. Zugriff am 03.09.2016 von http://www.welt.de/wirtschaft/article124921314/Innenstaedte-veroeden-wegen-Online-Handels.html
Internationale E-Commerce-Studie, 2016 Zugriff am 06.09.2016 von http://www.retailmenot.de/studien/internationale-ecommerce-studie-2016
Statista GmbH. Zugriff am 06.09.2016 von http://de.statista.com/statistik/daten/studie/201914/umfrage/einkaufsverhalten-im-onlinehandel-vs-einzelhandel-nach-produktgruppen/
Wie sich Städte verzweifelt gegen Onlinehändler stemmen. Stern.de, 2016. Zugriff am 06.09.2016 von http://www.stern.de/wirtschaft/statt-amazon--staedte-stemmen-sich-gegen-den-online-handel-6701060.html
Wirtschaftsförderung Wuppertal AöR, 2015. Zugriff am 06.09.2016 von
http://www.onlinecity-wuppertal.de/home/
Roland Berger Strategy Consultants. Wie wir in einer Multichannel-Welt wirklich einkaufen. Chancen für Handel und Hersteller, 2013. Zugriff am 06.09.2016 von https://www.ece.de/fileadmin/PDF_deutsch/Studien/Multichannel_-_Studie_Dem_Kunden_auf_der_Spur__Kurzversion_.pdf
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