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Donnerstag, 30. März 2017

Das Online-Petitionsportal des Bundestages - Mehr Partizipation durch das “E”?

Das Ende des Monats naht, als Student oftmals ein Grund, sich auf das Nötigste zu beschränken. Der Kontostand bringt einen fast zur Verzweiflung und man überlegt, auf was man die nächste Woche lieber verzichten sollte. Zwar bekommen viele Studierende Unterstützung vom Staat in Form von BAföG, aber bis vor kurzem war der BAföG-Satz geringer als der Hartz-IV-­Satz, der dem entspricht, was man für den minimalen Lebensunterhalt braucht.

Durch eine E-Petition hat sich das nun zum Besseren gewandelt. Ein Student reichte diese beim Deutschen Bundestag ein und bemängelte die Situation. Der Petitionsausschuss stimmte der E-Petition zu und leitete sie an das zuständige Ministerium weiter. Genau zu diesem Zeitpunkt wurde dort über das Thema BAföG diskutiert. Durch das perfekte Timing der E-Petition wurde es dem Student ermöglicht, Einfluss auf die Politik zu nehmen und die Situation vieler anderer Studierender zu verbessern. Die Bedarfssätze, der Wohnzuschlag und die Freibeträge werden steigen, und Studenten dürfen einen Minijob haben, ohne befürchten zu müssen, dass die Einkünfte mit dem BAföG verrechnet werden.

Wird Partizipation durch E-Petitionen auf einmal so einfach gemacht? Kann man sich vom Sofa aus politisch engagieren und das nur mit einem Mausklick? Einfacher geht es kaum. Aber ist das schon “richtige” Partizipation? Kann man es sich in Zukunft sparen, auf Demonstrationen zu gehen oder an Streiks teilzunehmen? Bequemer scheint es auf jeden Fall. Doch reicht das wirklich aus? Verleitet diese Bequemlichkeit die Menschen sogar eher dazu, sich nicht mehr außerhalb der digitalen Welt zu engagieren? Oder verlockt die Bequemlichkeit politisch bisher Nicht-Engagierte, ihre Interessen zu vertreten?

Im folgenden Text werde ich zunächst Petitionen im allgemeinen thematisieren, daraufhin das Online-Petitions-System des Bundestages und dessen Verfahren kurz beschreiben, woraufhin ich erläutere, wer dieses System nutzt. Auf dieser Basis werde ich in der Literatur vertretene sowie eigene Kritik an diesem System üben, um daraus ein Fazit zu ziehen.

Petitionen

Artikel 17 des Grundgesetzes besagt,
 “dass jedermann [...] das Recht [hat], sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.” 
Somit steht es jedem Bürger und jeder Bürgerin zu, eine Petition einzureichen. Petitionen sind eine besondere Form der Partizipation, da der Bürger alleine oder in einer Gruppe sowohl persönliche als auch öffentliche Anliegen gegenüber dem Staat vorbringen kann. Es wird also ein sehr großes Feld der politischen Teilhabe abgedeckt. Ein großer Vorteil von Petitionen ist, dass die Kosten und auch der bürokratische Aufwand sehr gering sind. Der Nachteil daran ist aber, dass die Durchsetzungskraft dieser Partizipationsform sehr gering ist. Riehm zieht den Vergleich zu einem Gerichtsverfahren, das zwar sehr kostenaufwendig ist, aber dafür eine höhere Chance auf die Durchsetzung des Begehrens besitzt (vgl. Riehm u.a. 2013).

Allgemein lassen sich Petitionen in Mehrfach-, Sammel-, Massen- und öffentliche Petitionen aufteilen.

  • Mehrfachpetitionen sind mehrere Petitionen, die das gleiche Thema haben, aber von unterschiedlichen Petenten eingereicht wurden.
  • Bei Sammelpetitionen gibt es nur einen Initiator und BürgerInnen, die dessen Anliegen selbst unterzeichnen oder Unterschriften sammeln und die Liste beilegen. Die Kommunikation des Petitionsausschusses beschränkt sich auf den Initiator, der dafür verantwortlich gemacht wird, alle Mitzeichner zu informieren, was ein sehr großer Aufwand sein kann.
  • Nach großen Kampagnen kann es passieren, dass mehrere tausend Bürger den Petitionsausschuss mit dem gleichen Anliegen kontaktieren. Unter einer Massenpetition versteht man, dass eine Petition aus dieser Vielzahl an Petitionen zur Leitpetition gemacht wird. Der Verfasser dieser Leitpetition wird zum Initiator gemacht.
  • Die öffentliche Petition wird, wie schon am Namen zu erkennen, auf der Internetseite des Petitionsausschusses des Bundestages veröffentlicht. Diese Neuerung war erst mit dem Web 2.0 möglich. Vorbild für das deutsche System war Schottland. Die Petition muss ein allgemeines Interesse behandeln, das an den Bundestag gerichtet ist. In einem bestimmten Zeitraum kann die Petition mitgezeichnet und diskutiert werden.
In Deutschland wurde das Petitionsgesetz 2005 reformiert. Seit diesem Jahr gibt es die Möglichkeit, im Internet eine Petition einzureichen oder zu unterstützen. E-Petitionen werden hier in drei Formen aufgeteilt. Zunächst elektronisch eingereichte Petitionen, also zum Beispiel Petitionen, die per Email eingereicht werden, was nicht automatisch eine Veröffentlichung mit einbezieht. Weitere Aufteilungen werden zwischen öffentlichen elektronischen Petitionen und öffentlichen Petitionen mit partizipativen und kommunikativen Elementen gezogen. Ob eine Petition allerdings mithilfe des Internets eingereicht wurde oder nicht, kann man nicht daran erkennen, ob sie im Internet hochgeladen wurden oder nicht (vgl. Riehm et al. 2009a, S. 39 ff., nach Riehm 2013).

“Betrachtet man nur die ins Internet »eingestellten« Petitionen, kann man eine »passive« oder »rezeptive« und eine »aktive« oder »interaktive« Variante unterscheiden” (Riehm 2013, S. 39). Passiv bedeutet, dass der Internetnutzer nur als Rezipient agieren kann. Bei der aktiven Variante ist es diesem möglich, sich selbst mit einzubringen. Das kann beispielsweise durch die Möglichkeit, eine Petition mitzuzeichnen, erfolgen.

In Konkurrenz stehen diese staatlichen Plattformen für E-Petitionen häufig mit nichtstaatlichen Internetseiten, zum Beispiel von NGOs oder “Sozialunternehmen” (Campact, MoveOn, Change.org), die mithilfe von E-Petitionen Geld erwirtschaften. Letztere betitelt Kathrin Voss als Hybridorganisationen, die zwar als soziale Bewegungen zu sehen sind, aber gleichzeitig Mittel aus dem Lobbyismus anwenden (Voss 2013). Die dort eingereichten Petitionen haben aber direkt nichts mit dem Staat zu tun und werden auch nicht automatisch weitergeleitet. 

Online-Petitions-System des Bundestags

Seit 2005 gibt es als Modellversuch die Internetplattform des Petitionsausschusses des Bundestags und somit die Möglichkeit, öffentliche Petitionen zu erstellen und diese digital zu diskutieren. Mit wenigen persönlichen Daten kann man sich hier registrieren und Petitionen einreichen.



Es gibt folgende Möglichkeiten:
  • Eine Petition ohne Veröffentlichung, mit der man seinen privaten Interessen Gehör verschaffen, aber auch Themen von allgemeinem Interesse vorbringen kann.
  • Eine Petition zur Veröffentlichung, für die bestimmte Richtlinien eingehalten werden müssen, wie beispielsweise, dass die Petition ausschließlich das allgemeine Interesse behandeln darf und keine persönlichen Bezüge aufweisen darf. Man muss eine kurze Zusammenfassung (500 Zeichen) und Begründung (3000 Zeichen), die verständlich geschrieben sein muss, vorbringen. Außerdem muss das Thema auf eine sachliche Diskussion abzielen, das heißt, zu provokante Inhalte werden nicht veröffentlicht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann man eine Petition veröffentlichen. Diese Veröffentlichung steht nicht nur Einzelpersonen frei, sondern auch Gruppen können gemeinsam eine Petition einreichen.
  • Man kann eine Petition für Dritte einreichen. Hierfür benötigt man eine Vollmacht der Person. Etwaige Anlagen müssen aber trotzdem noch in Briefform eingereicht werden. 


Im Petitions-Forum können die Nutzer alle öffentlichen Petitionen finden und diese unterzeichnen und kommentieren. Es findet eine Unterteilung zwischen Petitionen in der Mitzeichnungsfrist, Petitionen, die momentan geprüft werden, und abgeschlossenen Petitionen statt. Die Petitionen, die sich noch in der Mitzeichnungsfrist befinden, sind so geordnet, dass man zuerst diejenigen sieht, bei denen die Frist bald abläuft. Auch die Beiträge im Forum sind sinnvoll in Diskussionszweige unterteilt.




Der Modellversuch von 2005 wurde 2008 durch die Empfehlung des TAB in den Regelbetrieb übernommen. 2012 wurde die alte Software modernisiert, beispielsweise gibt es seitdem die Möglichkeit, unter einem Pseudonym zu unterschreiben, das man von der Software zugeordnet bekommt (trotzdem muss man sich mit seinem Namen oder wahlweise mit dem neuen Personalausweis registrieren).

Auf der sehr übersichtlich gestalteten Seite des Petitionsausschusses sind die aktuellen Petitionen aufgeführt. Außerdem finden sich hier die Jahresberichte, aktuelle Termine für öffentliche und nicht-öffentliche Sitzungen sowie Videoaufzeichnungen der vergangenen Sitzungen.




Wie läuft das ab?

In “10 Punkte[n] zum Ablauf und Inhalt des Petitionsverfahrens” versucht der Petitionsausschuss, das Verfahren transparenter zu machen und darauf aufmerksam zu machen, warum eine Petition nicht innerhalb weniger Wochen behandelt werden kann.

Zunächst muss die Petition schriftlich mit den im Internet verfügbaren Formularen, per Mail, Brief oder Fax eingereicht werden. Diese Petition wird nun auf ihre Zulässigkeit geprüft. Ausschließlich diejenigen Petitionen, die mit der Bundesgesetzgebung oder Beschwerden über Bundesbehörden zu tun haben, kommen vor den Petitionsausschuss.

Aussortiert werden Petitionen, die eine reine Meinungsäußerung oder Beleidigungen beinhalten, und Petitionen, die nicht in den Verantwortungsbereich des Bundes (z.B. Gerichtsurteile) fallen. Petitionen, für die die Länder verantwortlich sind, werden vom Petitionsausschuss an die jeweils Zuständigen weitergeleitet.

Alle Petitionen werden mit einer Nummer in einer Akte hinterlegt und elektronisch erfasst. Der Petent erhält eine Bestätigung, wenn die Petition vom Petitionsausschuss empfangen wurde. Nur sehr wenige Petitionen werden als öffentliche Petitionen zugelassen und “als nicht öffentliche Petition weiter behandelt” (Riehm 2013).

Nachdem überprüft wurde, ob die Petition überhaupt zulässig ist, wird sie vom Petitionsausschuss inhaltlich geprüft. In manchen Fällen kann eine Behörde unmittelbar weiterhelfen, in anderen ist die Petition als aussichtslos zu bewerten. Dann wird diese nicht weiter behandelt, sofern der Petent keinen Widerspruch einlegt.

Der Petitionsausschuss holt sich die Meinungen der Ministerien und Behörden, manchmal sogar die eines Fachausschusses des Bundestags ein, um die Petitionen richtig bewerten zu können. Ist es nicht eindeutig, ob eine Petition positiv oder negativ behandelt werden kann, werden zwei Mitglieder des Petitionsausschusses hinzugezogen, die die Petition erneut prüfen.

Nur selten ist der Petent zu diesem Zeitpunkt noch gefragt. In der Regel ist das nur der Fall, wenn in einer Frist von vier Wochen ein Quorum von 50.000 Unterschriften erreicht wurde. Dann wird die Petition normalerweise öffentlich vom Ausschuss diskutiert. Der Hauptpetent wird zu dieser Sitzung gebeten und kann seine Petition dort vertreten. Allerdings kann es passieren, dass auch mit 50.000 Mitzeichnern keine Sitzung zustande kommt oder dass mit einem nicht erreichten Quorum eine Sitzung einberufen wird. Zentral hierfür ist der Inhalt der Petition.

Ist die Petition nach der Sitzung erfolgreich, wird der Antrag noch einmal innerhalb des Petitionsausschusses verhandelt. Es wird nun entschieden, ob der Antrag an den Bundestag weitergeleitet werden soll. Wird der Antrag weitergeleitet, so wird im Plenum des Bundestages diskutiert, ob ein Beschluss auf Grundlage der Petition folgen soll. Dieser Beschluss geht wiederum an den Petenten und an die Bundesregierung und wird von dieser bewilligt oder abgelehnt. 

Wer nutzt das System?

Vorrangig wird die E-Petitions-Plattform von überdurchschnittlich gebildeten Männern höheren Alters genutzt. Nach Riehm und Lindner hat sich die Altersgruppe seit 2009 etwas verschoben. Eine große Gruppe der Nutzer von E-Petitionen ist 39 Jahre alt oder jünger. “Der größte Zuwachs erfolgte in der Altersgruppe bis 19 Jahren, deren Anteil von 1,2% auf 9,1% anstieg” (Riehm 2013). Im Bericht des Petitionsausschusses für 2015 berichtet Kersten Steinke sogar von einem 11-Jährigen, der von seinem Petitionsrecht Gebrauch gemacht hat. Im Allgemeinen ist aber keine Tendenz erkennbar, dass durch die Erweiterung des Petitionssystem ins Internet neue Bevölkerungsschichten mobilisiert werden konnten (vgl. Riehm 2013).

In der Studie “Birds of a Feather Petition Together? Characterizing E-Petitioning Through the Lens of Platform Data” von 2016 wurde das Nutzungsverhalten der Online-Petitionsseite des Bundestages ausgewertet. Die Nutzer wurden in vier Gruppen aufgeteilt, die nach der Häufigkeit der Zeichnung einer Petition erstellt wurde.
  1. Die Singletons unterzeichnen nur einmalig eine Petition. Sie machen mit 68% der Nutzer den größten Teil aus. Auch bei den erfolgreichsten Petitionen hat diese Nutzergruppe einen bedeutenden Anteil von 35%.
  2. Die Returnees, die 2 bis 23 Petitionen unterschreiben, also nicht zu den einmaligen Nutzern gehören, aber auch nicht als “heavy users” bezeichnet werden können. 31% der Nutzer gehören zu dieser Gruppe. Bei den 50 erfolgreichsten Petitionen machten sie 55% der Unterschriften aus.
  3. Highly active users zeichneten 24 bis 118 Petitionen.
  4. Hyperactive users bilden das eine Prozent mit den meisten unterschrieben Petitionen. Sie haben zwischen 119 und 1918 der Petitionen unterschrieben.
Beachtet man die Politikfelder genau, so ist auffällig, dass die sporadischen Unterzeichner vor allem in den Bereichen Sozialpolitik, Gesundheit, Justizwesen, Bildung und Wissenschaft aktiv sind. Die hyperaktiven Nutzer konzentrieren sich auf die Felder “Arbeit” und “Sonstiges”. 

Kritik

Eine kritische Stimme gegenüber dem E-Petitions-System des Bundestages kommt von Stephan Eisel (ein ehemaliger Abgeordneter der CDU). Er bemängelt, dass vor lauter Euphorie die Grenzen der Wirkung und Reichweite der E-Petitionen vergessen wurden. Beispielsweise hat sich die Anzahl der Nutzer zwar konstant erhöht, die aktive Nutzung jedoch seit 2013 verringert. Eisel sieht die Ursache darin, dass man sich, um eine Petition einzureichen oder zu unterzeichnen, registrieren muss. Somit kann man zwar hohe Zahlen (ca. 2.000.000 Nutzer) vorweisen, doch wirklich nachhaltig scheint die Entwicklung nicht zu sein.

Der größte Teil der Petitionen wird nach wie vor per Post eingereicht. Und auch die Anzahl an Petitionen in der Bundesrepublik Deutschland hat sich nicht vermehrt. Bei den Online-Petitionen ist eine zeitliche Frist gesetzt, bei herkömmlichen Petitionen nicht. Insgesamt ist die Anzahl der Mitzeichnungen im Internet verhältnismäßig gering.

Trotz Vorteilen, wie der räumlichen und zeitlichen Unabhängigkeit (einmal abgesehen von der Frist), kann man keine besondere Mobilisierung durch das Netz feststellen. Die anfängliche Euphorie wurde bereits gedämpft. Trotz hohen Werten in den Jahren 2012 und 2013 wurden im letzten Jahr so wenige Petitionen verzeichnet wie seit der Wiedervereinigung.

Des Weiteren muss geprüft werden, inwiefern die Petitionen beeinflusst werden können. Durch grassroot-Kampagnen können sich auch Organisationen einschalten, die eine weitaus größere Reichweite haben als ein einzelner Bürger. Ein weiteres Problem in Hinblick auf stark umstrittene Themen ist, dass es möglich ist, jede Petition direkt mit einer Gegenpetition zu beantworten.

Zum Beispiel im Bereich der Flüchtlingspolitik forderten 2016 viele Petenten, Asyl für Deutschland auch schon im Ausland beantragen zu können. Viele andere Petenten forderten hingegen eine Obergrenze für Flüchtlinge. Die Wirksamkeit der Petitionen ist in einem solchen Fall fraglich. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass eine Person mehrere Online-Petitionen unter verschiedenen Namen unterzeichnet. Doch ich würde diese Gefahr als eher gering einschätzen, da sie immer vorhanden ist, sobald kein persönlicher Kontakt besteht, also nicht nur im Internet.

Im Bereich Barrierefreiheit hat der Petitionsausschuss noch einiges an Arbeit vor sich. Allein die Tatsache, dass eine Petition schriftlich eingereicht werden muss, schließt Bevölkerungsgruppen aus. Das widerspricht dem in Artikel 17 GG betonten “jedermann”. In Thüringen wurde bereits eingeräumt, dass man auch die Möglichkeit hat, sich mündlich an die Behörde zu wenden (vgl. Guckelberger 2011).

In leichte Sprache übersetzt ist weder die Internetseite des Petitionsausschusses noch die Seite, auf der man E-Petitionen einreichen kann. Zwar gibt es auf der Seite des Petitionsausschusses eine Verlinkung zur Deutschen Gebärdensprache und zu leichter Sprache, aber klickt man darauf, wird man nur zu Seiten weitergleitet, die ausschließlich allgemeine Informationen zum Bundestag beinhalten.

Eine häufige Kritik an E-Petitionen ist, dass keine wirkliche Partizipation hinter dem Unterzeichnen einer E-Petition steckt. Man tut etwas Gutes für sein Gewissen, aber das war es auch schon. Sehr anschaulich beschreibt Morozov diese Entwicklung mit den folgenden Worten:
“This shopping binge in an online identity supermarket has led to the proliferation of what I call “slacktivism”, where our digital effort make us feel very useful and important but have zero social impact.”
Er führt weiter aus, dass der heutige digitale Aktivismus impliziert, dass es einfache Lösungen für komplexe Probleme gibt. Slacktivists beruhigen ihr Gewissen durch wenige Mausklicks und werden, so die Kritik, nicht wirklich aktiv. Morozov sieht den digitalen Aktivismus, wie er momentan besteht, nicht als wahre Partizipation, da er keine gesellschaftlichen Veränderungen herbeiführt.

Auch Kathrin Voss evaluiert, dass die Wirkung, die E-Petitionen auf deutsche Abgeordnete haben, sehr gering ist. (Das Interesse vieler Abgeordneter scheint angesichts der gähnenden Leere im Bundestag bei der Petitionsausschusssitzung 2015 sehr gering zu sein.) Die Partizipation von Online- Aktionen beschränkt sich häufig nur auf “eine Zustimmungsbekundung per Mausklick”, die Online-Plattformen ermöglichen ein “fluides Engagement” und “unverbindliche Partizipation” (vgl. Voss 2013).

Dennoch ist der digitale Aktivismus nicht ausschließlich negativ zu bewerten. Bakardjieva sieht den “subactivism” als Chance an, dass politische Themen in sozialen Netzen in unseren Alltag eingebettet sind. So werden die eigenen Interessen mit Politik verknüpft. Genau diese Einbettung kann dann zu einer Ausweitung der politischen Aktivität und somit auch zu "echter" Partizipation führen.

Schmidt und Johnson befragten 2013 Nutzer der Online-Petitionsseite des Bundestages und fanden heraus, dass diese sehr gewillt waren, auch andere Partizipationsformen zu nutzen. Im Schnitt eher als der Durchschnitt der Deutschen, aber gleichzeitig der “Politik” eher skeptisch gegenüberstehen.

Allgemein ist es sehr schwer, per se Aussagen über die Wirkung von digitaler Partizipation zu treffen. Man kann weder damit rechnen, dass die Bürger sich plötzlich für jedes Thema engagieren, noch, dass sie von anderen Partizipationsformen abgehalten werden (vgl. Schmidt, Johnson 2014). 

Fazit

Die E-Petition ist eine gute Möglichkeit, mit dem Staat in Verbindung zu treten, auch wenn man ihre Wirkung nicht überschätzen darf, da es viele Faktoren gibt, die den Erfolg einer Petition beeinflussen. Zum Beispiel muss die öffentliche Stimmung sowie das Timing, passen. Dennoch darf man die Wirkung nicht unterschätzen. Auf jeden Fall gibt es eine Person, die das liest, was man dem Staat mitteilen möchte.

Mehr Partizipation wurde durch die Einführung der E-Petition im Deutschen Bundestag nicht erreicht. Vielmehr findet eine Verschiebung statt: Bei ungefähr der gleichen Anzahl an Petitionen werden momentan etwas weniger als ein Drittel der Petitionen online eingereicht. Dennoch wurde die Möglichkeit zu partizipieren erweitert, was sicherlich ein positiver Effekt ist.

Ich finde, man sollte Partizipationsformen nicht ausschließlich nach ihrer gesellschaftlichen Wirkung bewerten. Dass eine einzelne Person nach Jahren des Rechtsstreits durch eine E-Petition nun endlich den richtigen Rentenbetrag bekommt, hat auf die Gesellschaft als solche praktisch keinen Einfluss, für die einzelne Person aber einen immensen. Genau das macht Petitionen aus. Der Bürger kann direkt mit dem Staat in Verbindung treten.

Als einzige Partizipationsform sind E-Petitionen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene natürlich nicht sehr einflussreich, aber durch einzigartige Merkmale bildet sie trotzdem einen wichtigen Teil der Partizipation. Es kann nicht einen Weg der “richtigen” Partizipation geben. Welche Partizipationsform einem zusagt, ist eine sehr subjektive Sache, zu unterschiedlichen Charakteren passen unterschiedliche Partizipationsformen.

Manche Leute gehen gerne auf eine Demonstration, andere unterzeichnen lieber eine Petition und einige nehmen beide Möglichkeiten wahr. Partizipationsformen ergänzen sich eher, als dass sie sich gegenseitig ausschließen. Durch das Internet wurde zwar einiges bequemer, meiner Meinung nach sollte die Bequemlichkeit der Sache aber nichts abtun. Leider nehmen einige Politiker E-Petitionen weniger ernst.

Ein sehr großer Vorteil des Petitionsrechts ist, dass es für jeden gilt. Gerade für zukünftige Politiklehrer ist es wichtig, den Schülern Partizipationsformen näherzubringen, die sie auch aktiv anwenden können. Für Schüler wäre es gut möglich, E-Petitionen zu erstellen und mitzuzueichnen, da der Weg kostenfrei und unbürokratisch ist. Für mich wäre die E-Petition definitiv etwas, das ich den Schülern, neben anderen Partizipationsformen, im Unterricht vorstellen würde. 

Literatur

  • Guckelberger, Anette (2011): Aktuelle Entwicklungen des parlamentarischen Petitionswesens.Online-Petitionen, Öffentliche Petitionen, Landesrecht. Baden- Baden.
  • Richter, Saskia/ Bürger, Tobias (2014): E-Petitionen als Form politischer Partizipation. Welchen Nutzen generieren digitale Petitions-Plattformen? In: Politik und Internet. Der Bürger im Staat. H.4. Jg.64. Ulm. Landeszentrale für politische Bildung.
  • Riehm, Ulrich/ Böhle, Knud/ Lindner, Ralf (2013): Elektronische Petitionssysteme. Analysen zur Modernisierung des parlamentarischen Petitionswesens Deutschland und Europa. Berlin.
  • Voss, Kathrin (2013): Grassrootskampagnen und E-Petitionen als Mittel zivilgesellschaftlicher Partizipation. In: Voss, Kathrin (Hrsg.): Internet und Partizipation. Bottom-up oder Top-down? Politische Beteiligungsmöglichkeiten im Internet. Wiesbaden, S. 149-160

Internetquellen


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