Seiten

Samstag, 18. März 2017

iPad-Nutzung in der Schule mit besonderem Fokus auf körperlich Beeinträchtigte

Am 27. Januar 2010 stellte Steve Jobs das erste iPad vor. Ein tragbarer Computer, der einem Smartphone ähnelt. Nach über 7 Jahren ist es nicht mehr nur ein Must-have für Appleaffine, auch die Schullandschaft zeigt vermehrt Interesse am Tablet und dessen unendlichen Möglichkeiten. Apple versucht sich im Bildungsbereich mit dem iPad zu etablieren und macht in diesem Kontext auch für den Einsatz in der Sonderpädagogik Werbung.



Doch warum lohnt sich der Einsatz des iPads im Unterricht und welche Aspekte machen die Nutzung des iPads für Lernende mit Beeinträchtigung attraktiv?

Im Folgendem ermittle ich das Potential des iPads mit seinen Bedienungshilfen und Fähigkeiten für den Schulunterricht. Dabei werde ich einen besonderen Fokus auf die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern mit einer körperlichen Beeinträchtigung richten und das Für und Wider des Einsatzes eines iPads diskutieren. Neben dem Attraktivitätsaspekt und der Rolle der Lehrkräfte werde ich mich auch zum Ende hin noch der Finanzierungsfrage widmen.

Das iPad als Nachfolger der Computerräume

Mediennutzung ist in den Schulen zum Glück zunehmend verankert. Schließlich schreibt auch der Bildungsplan Medienkompetenz als ein zu erstrebendes Ziel vor. Doch ist die Nutzung der Technologie eher ein Highlight innerhalb der Schulwoche anstatt konstitutive Realität. Klassenräume sind selten umfangreich mit Computern ausgestattet und die extra vorgesehenen Computerräume oftmals besetzt. Der spontane Einsatz ist daher nicht möglich.

Nicht zuletzt zeigen auch die verbreiteten Smartphone-Verbote auf dem Schulgelände und explizit im Unterricht, dass die Mediennutzung in der Schule bewusst reduziert wird. Dabei mögen die Begründungen nicht ganz unberechtigt sein. Gleichzeitig liegt es aber doch auch in den Händen der Schule, den Lernenden den richtigen Umgang mit den neuen Medien nahezulegen. Schließlich soll die Schule auf die Zukunft vorbereiten und diese ist eben gemäß der Entwicklung der vergangenen Jahre besonders stark durch Netbooks, Smartphones und auch Tablets beeinflusst. Doch aufgrund besetzter Computerräume und auch veralteter Geräte wird der effiziente Umgang nicht erlernt.

Gerade für beeinträchtigte Schülerinnen und Schüler ist ein Tablet aber nicht nur ein Lernmedium, sondern auch ein mögliches Hilfsmittel, das die aktive Teilhabe am Unterricht und auch an der Gesellschaft ermöglicht.

Flexibles iPad statt statischer Computer

iPads überzeugen ganz klar mit ihrer Tragfähigkeit. Aufgrund der Größe und des Gewichts können die Geräte nicht nur platzsparend verstaut werden, sondern auch flexibel in alle Räume mitgenommen werden. Die Lernenden und Lehrenden müssen also nicht mehr den Computerraum aufsuchen, denn das Tablet kommt zu ihnen. Auch für die Lehrkräfte ist das ein ausschlaggebender Vorteil. Schließlich können iPads auch spontan in den Unterricht einbezogen werden und den Verlauf der Stunde bereichern, und sei es nur, dass Einzelne mal schnell nach den aktuellen Zahlen der Sonntagsfrage schauen.

Damit verbunden ist schon ein weiterer Vorteil. Im Gegensatz zu vielen Computern können iPads schnell eingesetzt werden. Während im Computerraum die ersten Minuten schon mal damit verbracht werden, dass alle Schülerinnen und Schüler die Rechner hochfahren und sich anmelden, kann das iPad schon innerhalb von wenigen Sekunden genutzt werden. Die Lernzeit wird also effektiver genutzt.

Zwar gibt es auch Klassenräume, die schon mit Computern ausgestattet sind, jedoch ist hier neben der längeren Zeitspanne, die ein Computer braucht, bis er betriebsbereit ist, auch der Platz ein ausschlaggebendes Argument. Schülerinnen und Schüler, die eine Förderschule für körperlich Beeinträchtigte besuchen, bewegen sich häufiger auch in Rollstühlen fort. Bei der Einrichtung des Klassenzimmers müssen daher auch breitere Wege bedacht werden, damit keiner in seiner Freizügigkeit eingeschränkt wird. Vergleicht man daher nur den Unterschied zwischen 5 statischen Computern oder 5 beweglichen iPads in einem Raum, dann ist in jedem Fall die zweite Variante platzsparender.

Dieser neu gewonnene Platz im Klassenraum könnte wiederum für die Lagerung von körperlich Beeinträchtigten genutzt werden, die während des Schulalltags auch mal hingelegt werden müssen, da sie selbstständig keine andere Position einnehmen können oder auch die Entspannung brauchen. Eine mögliche Positionierung ist die Lagerung mit dem Bauch auf einem Keil, damit weiterhin die Möglichkeit besteht, mit den Händen Aufgaben am Boden zu bearbeiten. Während in dieser Situation nun die Nutzung eines Computers ausgeschlossen ist, glänzt das iPad auch in diesem Fall wieder durch seine geringe Größe und vor allem Höhe. Ohne Probleme kann es auf den Boden vor die Schülerin oder den Schüler gelegt werden (vgl. Krstoski, 2015, S. 13) und ermöglicht dadurch, dass die Arbeit am gegenwärtigen Inhalt auf dem iPad nicht unterbrochen werden muss.

Die Anzahl potentieller Barrieren wird auch durch fehlende Kabel reduziert, da so Stolperfallen vermieden werden (vgl. Krstoski, 2015, S. 13). Stromkabel für das iPad werden im Schulalltag in der Regel nicht gebraucht, da die gute Akkulaufzeit ausreichend ist. Jedoch muss es in der Verantwortung der Nutzerinnen und Nutzer liegen, dass die iPads immer aufgeladen mit in die Schule gebracht werden, sofern die Schule die Geräte nicht aufbewahrt.

Auch in diesem Zusammenhang kann die Portabilität erneut aufgegriffen werden. Schülerinnen und Schüler, die sich nur mit erhöhtem Kraftaufwand fortbewegen können oder sogar im Rollstuhl sitzen, werden durch die Mitnahme eines iPads im Wesentlichen nicht mehr belastet. Geschützt durch eine Hülle oder Tasche, kann das iPad in der Schultasche transportiert werden. Das Gewicht hält sich in Grenzen und ist im Gegensatz zu vielen Hilfsmitteln, die das iPad kompensiert, viel geringer. Im weiteren Verlauf werde ich noch Vergleiche zu gängigen Hilfsmitteln ziehen.

Bedienbarkeit des Tablets

Bedient wird das iPad über seine berührungsempfindliche Oberfläche. Es hat im Gegensatz zum Computer keine Maus, über die Befehle ausgeführt werden. Ein großer Vorteil ist in diesem Zusammenhang die niedrigschwellige Bedienung. Schülerinnen und Schülern mit motorischer Beeinträchtigung kann die Kraft fehlen, um genug Druck zur Betätigung von Tasten aufzubringen. In diesem Fall ist die einfache Berührung eines Aktionsfeldes eine wichtige Voraussetzung, um das Medium überhaupt zu nutzen.

Wichtig ist im diesem Zusammenhang auch die direkte Rückmeldung und Interaktivität mit dem Gerät. Besonders für Kinder mit hohem Förderbedarf ist es wichtig, nicht nur über Dritte handeln zu können, sondern selber aktiv zu sein und etwas zu bewirken. Am iPad erfahren sie das in einem besonderen Ausmaß. Wenn sie ein Symbol auf dem Display berühren, bewirken sie damit sofort etwas und erfahren Selbstwirksamkeit. Sei es zum Beispiel nur das Auslösen der Kamerafunktion. Direkt nach dem Drücken der Fototaste kann das aufgenommene Bild betrachtet werden. Selbst etwas bewirken zu können, ist besonders wichtig für Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Es fördert ihr Selbstbild und befähigt sie auch zur aktiven Teilnahme.

Die Berührungsempfindlichkeit kann aber auch ein Nachteil sein. Nicht alle Lernenden sind in der Lage, die Fingerbewegungen immer zielgerecht zu steuern und zu kontrollieren. Daher kann es vorkommen, dass die Hand über die Oberfläche streicht und dadurch die gegenwärtige Aktivität unterbricht, obwohl dies nicht beabsichtigt war. Betroffene, die ihre Finger nicht gezielt steuern können, haben daher Probleme bei der Auswahl von einzelnen Feldern. Sie wählen möglichweise mit ihren Handballen ein Feld aus, dass sie nicht ansteuern wollten. In dieser Situation kann der Einsatz eines iPads frustrierend sein und wäre dann eventuell auch nicht entsprechend für die Bedürfnisse der betroffenen Person.

Jedoch gibt es auch technische Abhilfen und Tricks, um etwas dagegen zu machen. Damit das Display wirklich nur auf den Befehl eines Fingers und nicht auf die ganze Hand reagiert, kann man einen einfachen Handschuh überziehen und nur an einem Finger den oberen Teil des Stoffes entfernen (vgl. Hallbauer/Reinhard, 2015, S.95). Darauf zu achten wäre bei dieser Lösung, dass es ein leichter Handschuh ist, der auch bei höheren Temperaturen noch angenehm zu tragen ist. Darüber hinaus muss der Handschuh auch von Seiten der Lernenden überhaupt akzeptiert werden.

Sofern die Symbole auf dem Display aufgrund der fehlenden Feinmotorik der Schülerinnen und Schüler nicht gezielt ausgewählt werden können, wäre es möglich, Abhilfe über externe Schalter zu schaffen, welche als Bedienungshilfe ebenfalls erworben werden können. Mit Hilfe von zwei Schaltern, die durch eine Bluetooth-Verbindung mit dem Gerät in Kontakt sind, kann die Nutzerin oder der Nutzer einzelne Symbole auswählen und sich überall hin durchklicken. Es gibt also durchaus Anpassungsmöglichkeiten, um einen noch breiterem Publikum die Nutzung des iPads zu ermöglichen. Zu beachten gilt es dabei aber, dass die Flexibilität, die das iPad ausmacht, durch weiteres Zubehör wiederum eingeschränkt wird (vgl. Castaňeda/Hallbauer, 2015, S. 159). Der ursprüngliche Vorteil - also die einfache Nutzung - kann in diesem Fall nicht mehr ausgeschöpft werden.

Personen, die in ihrer Motorik besonders stark eingeschränkt sind und daher auf eine Augensteuerung angewiesen wären, können momentan noch nicht mit dem iPad arbeiten. Wie u.a. die Homepage Macwelt berichtet, ließ sich Apple aber bereits ein Patent für eine Augensteuerung gewähren. Die Umsetzung fehlt momentan aber noch auf den Geräten.

Bedienungshilfen

Unter der Rubrik iOS in der Sonderpädagogik stellt Apple unterstützende Technologien vor, die das Lernen am iPad auch für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Bedarf vereinfachen. Das iPad verfügt über barrierefreie Funktionen, die bereits auf dem Gerät installiert sind und es dadurch besonders nutzerfreundlich machen. Lernenden mit physischen und motorischen Beeinträchtigungen legt Apple die Nutzung des Assistive Touch, Siri und die Diktierfunktion nahe (vgl. Apple (DE) Schule & Uni – Sonderpädagogik iOS).

Die Option „Diktieren“ ermöglicht es auch Lernenden, die zum Tippen von Texten besonders lange brauchen oder welche aufgrund ihrer Erkrankung überhaupt nicht in der Lage sind, die Tastatur effektiv zu bedienen, ihre Texte aufzusagen. Im Schulalltag ist das natürlich nur anwendbar, wenn sich der Rest der Klasse dadurch nicht gestört fühlt. Jedoch wird so wertvolle Zeit eingespart, die die Schülerinnen und Schüler sonst zum manuellen Verfassen der Texte benötigen. Die Konzentration muss nicht für die motorische Herausforderung der Texteingabe verschwendet werden, sondern wird auf den Inhalt gerichtet.

Hinter dem Begriff „Assistive Touch“ verbirgt sich die Möglichkeit, das Multi-Touch Display an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Komplexere Handlungen, wie z.B. das Streichen mehrerer Finger über das Display, lassen sich über einen Fingertipp ersetzen. Weitere Einstellungen können vorgenommen werden, um eigene Gesten zu erstellen, die die Bedienbarkeit an die motorischen Fähigkeiten anpasst und den Zugang erleichtert. Eine wertvolle Anpassungsmöglichkeit ist die Verzögerungseinstellung. Der zum Öffnen von Anwendungen notwendige Doppelklick kann dann bei Bedarf auch langsamer ausgeführt werden.

Schülerinnen und Schüler mit einer Beeinträchtigung des Sehvermögens profitieren unter anderem von „VoiceOver“. Das Programm liest vor, was gerade auf der Oberfläche des iPads passiert. Es unterstützt beim Navigieren und gibt Auskunft darüber, auf welcher App sich der Finger gerade befindet.

Mit der Option „Auswahl vorlesen“, kann man sich Texte vorlesen lassen. Die Sprechgeschwindigkeit kann dabei individuell an die Bedürfnisse angepasst werden.
Diese Option ist ebenfalls hilfreich, um das Erlernen von Lesefertigkeiten zu unterstützen und ein besseres Verständnis zu erreichen (vgl. Apple (DE) Schule & Uni – Sonderpädagogik iOS). Die Sprachausgabe soll nach Möglichkeit das selbstständige Lesen nicht ablösen, jedoch die sprachliche Entwicklung unterstützen und das Verständnis von Textinhalten vereinfachen, indem Lesen und Zuhören kombiniert werden. Auch Schülerinnen und Schüler, die kognitiv besonderer Förderung bedürfen, kann dies zugutekommen. Ebenfalls wird Lernenden, die sich besonders anstrengen müssen, um die einzelnen Ziffern und Buchstaben lesen zu können, geholfen und ermöglicht, sich auf den Inhalt statt auf das Lesen zu konzentrieren.

Anstatt sich einen Text vorlesen zu lassen, kann aber auch die Option „Zoomen“ die Nutzung erleichtern. Das iPad ermöglicht eine Vergrößerung von bis zu 500% (vgl. Apple (DE) Schule & Uni – Sonderpädagogik iOS). Auch der Lehrkraft kommt diese Funktion in der Vorbereitung zugute, denn Texte, die auf dem iPad zur Verfügung gestellt werden, können individuell angepasst werden. Sofern jemand eine größere Schrift benötigt, kann ein Dokument schnell über die Zoom-Funktion entsprechend vergrößert werden. Die Lehrkraft muss so in der Vorbereitung nicht mehr ständig darauf achten, beispielsweise DINA4 Blätter auf ein A3 Format zu vergrößern, um allen Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden. Neben dem Zeitaufwand werden auf Dauer auch Druckkosten gespart. Dennoch kann das iPad aufgrund seines Displays für manche noch einfach zu klein sein und ist daher nicht in jeder Situation die geeignete Wahl.

Damit sich die Schülerinnen und Schüler auf ihre Aufgaben am iPad konzentrieren können und nicht von zu vielen Reizen abgelenkt werden, gibt es den geführten Zugriff und den Safari Reader.
Der „geführte Zugriff“ schränkt Gesten auf der Oberfläche ein, damit die Lernenden nicht zwischen den Anwendungen wechseln, sondern eine Aufgabe gezielt bewältigen können. Dafür muss die Hometaste deaktiviert werden. Darüber hinaus kann man auch weitere Einschränkungen vornehmen (vgl. Kitzinger, 2015, S. 77), die das Risiko minimieren, dass unbeabsichtigte Berührungen auf der Oberfläche etwas Ungewolltes ausführen. Ziel ist es, innerhalb einer App ungestört arbeiten zu können und störende Effekte zu verhindern.

Der „Safari Reader“ sorgt bei der Internetrecherche dafür, dass die Komplexität reduziert wird, da überflüssige Inhalte, die vom Eigentlichen ablenken, nicht sichtbar sind. Dazu gehört unter anderem Werbung (vgl. Apple (DE) Schule & Uni – Sonderpädagogik iOS). Inhalte im Internet stellen oftmals schon an sich eine Herausforderung für Lernende da, die auch kognitiv beeinträchtigt sind, da die Sprache nicht immer einfach gehalten ist. Die Konzentration auf das Wesentliche hilft ihnen daher, den Überblick nicht zu verlieren und vermeidet Stresssituationen, die sich wiederum negativ auf die Bewegungsfähigkeit auswirken könnten. 

Kommunikation

In der Sonderpädagogik ist der Austausch zwischen den Lehrerinnen und Lehrern und den Eltern oftmals von großer Bedeutung. Deshalb haben viele Lernende, die sich nicht selbst ausdrücken können, Heftchen oder Bücher, in denen die Eltern und Lehrer sich austauschen und erzählen, was Wichtiges passiert ist. So kann man darauf beziehend z.B. in Kontakt mit dem Kind treten, ein Thema aufgreifen und versuchen, eine Kommunikation aufzubauen, auch wenn das dann nur auf ein Lachen oder Nicken für ein „Ja“ bzw. auf ein Kopfschütteln für ein „Nein“ reduziert ist.

Besonders attraktiv macht sich das iPad in diesem Zusammenhang mit der Fähigkeit, Filme und Fotos aufzunehmen und abspielen zu lassen. Die Möglichkeit, nicht nur Medien anschauen zu können, sondern diese auch mit dem iPad zu erstellen, begünstigt den Austausch und verringert den Zeitaufwand. Denn die Zeit, die es benötigt, um einen Bericht auf das iPad zu sprechen, bzw. um einen kurzen Informationsfilm zu drehen, ist kürzer als die Zeit, die es braucht, um alles aufzuschreiben. Diese Funktion kann u.a. einen Big Mack ersetzen, der herkömmlich als Aufnahmegerät zum Informationsaustausch zwischen der Schule und zuhause dient.

Doch noch wichtiger als der Austausch über das Kind ist die Kommunikation mit dem Kind. Eingeschränktes oder fehlendes Sprechvermögen erschwert die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden. Da Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler nicht immer artikuliert werden können, ist es für die Lehrkraft nicht immer möglich, auf diese einzugehen.

Abhilfe schafft u.a. schon seit vielen Jahren die Kommunikation über Bilder. Ein Bild mit einem Wasserglas verdeutlicht z.B., dass man etwas trinken möchte. Ein herkömmliches Gerät in der unterstützten Kommunikation, welches bisher oft von betroffenen Personen genutzt wird, ist ein Go Talk. In seinem Rahmen können mehrere Bilderfolien auf verschiedenen Ebenen und zu verschiedenen Themenbereichen eingespannt werden. Je nach Größe der Oberfläche können das mal nur 9 Bilder oder auch 32 sein. Im Video wird ein Go Talk 20+ vorgestellt, der 5 verschiedene Ebenen besitzt und damit Platz für 100 verschiedene Bilder bietet.



Der GoTalk 32+ ist momentan der größte Talker dieser Art und hat eine Kapazität von 160 Bildern mit jeweils einer kurzen Sprachaufnahme. Die Kosten liegen bei 265€ (vgl. Prentke Romich Deutschland, Kommunikation ohne Grenzen).

Das iPad könnte diese Art der unterstützen Kommunikation mithilfe einer Auswahl an verschiedenen Apps kompensieren. Dazu gehört unter anderem die App MetaTalkDE. Diese kostet momentan (Stand 16.03.2017) 199,99€ im App Store. Doch nicht nur der Preis ist von Vorteil, sondern auch das Vokabular, das in größerem Umfang zur Verfügung steht. Außerdem können mit der Kamera eigene Bilder aufgenommen werden und als Vokabel in die App integriert werden. Wie z.B. Bilder von den Eltern oder auch eigenen Hobbys. (Das Video über die App MetaTalkDE zeigt diese Einstellungsmöglichkeit ca. ab 5:30.)



Die App bietet den Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit zur selbstständigen Kommunikation und gehört damit zu einer von vielen Apps, die das iPad so attraktiv für die unterstützte Kommunikation machen. Auf die Bedeutung von digitalen Medien und auch des iPads für die unterstützte Kommunikation wurde ich durch den Beitrag Digitale Bildung in der Sonderpädagogik hier im Blog aufmerksam gemacht. Viele Tipps und Empfehlungen rund um das Thema iPad und unterstützte Kommunikation bietet der UK-App-Blog von Igor Krstoski. 

Apps im Unterricht

Doch nicht nur für den Bereich der unterstützten Kommunikation ist das iPad interessant. Auch in den einzelnen Unterrichtsfächern können Apps den Frontalunterricht und andere Lehrformen ergänzen und das individuelle Lernen und Lehren am Medium ermöglichen. Gerade in Klassen mit Schülerinnen und Schülern, die einen besonderen Förderbedarf haben, ist einheitliches Lernen oft nicht möglich. Die Heterogenität verlangt differenziertes Lernen. Die mittlerweile immer größer werdende Auswahl an Apps für den Unterricht ermöglichen individuelles Lernen mit dem iPad. Je nach Bedarf werden auf die einzelnen iPads der Lernenden verschiedene Apps gespielt, die auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt sind.

Beispiel Deutschunterricht: Mit der App BookCreator kann ein Digitales Buch erstellt werden, in dem Bilder mit Text verbunden werden. Die erstellten Bücher können später gemeinsam in der Klasse angeschaut werden. Das schafft auch eine Brücke zwischen Kindern, die Probleme haben mit dem Sprechen und deren Mitschülerinnen und Mitschülern. Das iPad ermöglicht es, sich auszudrücken und die eigene Kreativität zu zeigen. Dadurch wird ein Miteinander geschaffen und die Teilhabe aller ermöglicht. In der Interaktion mit anderen erfährt man Selbstwertgefühl, welches neben dem Lernerfolg ein wichtiges Ziel ist.

Auf die Fülle der Apps kann ich im Rahmen dieser Arbeit nicht eingehen, jedoch neben dem UK-Blog auf eine weitere Liste aufmerksam machen, die von mehreren Fachkundigen zusammengestellt wurde und in Kategorien gegliedert eine Übersicht bietet.

Aufgabe der Lehrkraft

Im sonderpädagogischen Kontext gehört es auch zu den Anforderungen an die Lehrkräfte, dass diese die Teilhabechancen von ihren Schülerinnen und Schülern erkennen und danach streben, diese zu verbessern. Wie an vielen Punkten schon aufgegriffen wurde, kann ein iPad die Eigenaktivität fördern, doch damit Schülerinnen und Schüler die vielfältigen Möglichkeiten wahrnehmen können, müssen sie richtig angeleitet werden. Dafür muss sich die Lehrkraft Zeit nehmen und die Chancen des Tablets entdecken, damit man diese schließlich mit den Lernenden effektiv umzusetzen kann.

Das bedeutet, dass aus der Vielzahl an Apps eine gut begründete Auswahl getroffen werden muss. In der Unterrichtsvorbereitung muss man sich also gut mit den Apps auseinandersetzen und auch fortlaufend neue Apps erproben und deren Nutzen erörtern. Kostenlose Apps wie Bitsboard ermöglichen es, Lernspiele vorzubereiten, die anschließend per Mail auf die Tablets der Lernenden gesendet oder in die Dropbox geladen werden (vgl. Pawel, 2015, S. 26).

Am besten bespricht man die Auswahl von Apps auch mit dem Kollegium. Generell empfiehlt es sich, in der Einrichtung Standards zu etablieren, also einen gemeinsamen Stamm an Apps zu finden (vgl. Schubert, 2015, S. 38). So können Wissen und Erfahrungen im Kollegium ausgetauscht werden. Außerdem erhöht es die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Lehrer in einer Vertretungsstunde dann auch mit den Apps auskennt.

Grundsätzlich baut die Arbeit mit dem iPad auf dem Verständnis der anleitenden Lehrkräfte auf. Dafür sind Fortbildungen notwendig, die zum Beispiel das Kreis-Medienzentrum Ludwigsburg anbietet. Ebenfalls informiert die Seite UK-Kiste zu aktuellen Fortbildungsangeboten. Grundsätzlich geht aber auch viel über den Austausch mit Schulen, die bereits Erfahrung gesammelt haben. Außerdem kann man auch Fortbildungsangebote von Händlern nutzen (vgl. Hofmann/Franz/Schneider-Pungs, 2016, S. 15). Bei Fragen zum sicheren Einsatz von iOS-Geräten bietet auch die Seite Lehrerinnenfortbildung Baden-Württemberg Informationsmaterial. 

Finanzierung der iPads

Grundsätzlich gilt es zu klären, ob die Anschaffung einzelner Geräte angestrebt wird, die allen Klassen dann nach Absprache stundenweise zur Verfügung stehen, oder ob doch der Bedarf einer ganzen Klasse nach dem 1:1-Prinzip gedeckt werden soll. Im Weiteren werde ich von einer 1:1 Ausstattung innerhalb einer Klasse ausgehen, die erst den integrierten Einsatz eines iPads im Schulalltag ermöglichen würde.

Es gibt es verschiedene Modelle der Finanzierung. Eine Möglichkeit wäre die Elternfinanzierung über Drittanbieter. In diesem Fall würde die Verantwortung für das Gerät auch im Schadensfall bei der Familie und die Abwicklung mit Versicherungen auch in deren Händen liegen (vgl. Hofmann/Franz/Schneider-Pungs, 2016, S. 16f.). Das Gerät steht dann auch in der Freizeit zur Verfügung und kann über den Schulalltag hinaus ohne Einschränkung genutzt werden. Obwohl die Anschaffung eines iPads keine günstige Angelegenheit ist, kann es kostengünstiger als die herkömmlichen Hilfsmittel sein, die das iPad kompensiert.

Die zweite Möglichkeit wäre die Schulfinanzierung. In diesem Fall verleiht die Schule die Geräte an die Nutzerinnen und Nutzer. Nun würde die volle Verantwortung auch für Handlungen im Schadensfall bei der Schule liegen (vgl. Hofmann/Franz/Schneider-Pungs, 2016, S. 17). Der Etat der Schulen ist jedoch in der Regel zu gering, um die doch relativ hohen Kosten einer flächendeckenden Anschaffung zu leisten. Denkbar wäre es noch, die Finanzierung über einen längerfristigen Haushaltsplan zu ermöglichen (vgl. Schubert, 2015, S. 39). Ansonsten sind Schulen auch auf Spenden von außerhalb angewiesen. Die Lassbergschule in Sigmaringen konnte z.B. einen Klassensatz an iPads anschaffen, da sie eine großzügige Spende erhalten hat (vgl. Krstoski, 2015, S. 10).

Bei der dritten Variante besitzen Schülerinnen und Schüler bereits ein iPad daheim und können es dann mit in die Schule nehmen. In diesem Fall sollte mit den Eltern abgeklärt werden, wie im Schadensfall vorgegangen wird (vgl. Schubert, 2015, S. 41).

Schülerinnen und Schülern kann ein iPad auch als Hilfsmittel von der Krankenkasse erstattet werden, sofern ein Bedarf vorliegt, der die Nutzung rechtfertigt. Sofern beispielsweise die Lehrkräfte und anderes Fachpersonal feststellen, dass die Kommunikation über MetaTalkDE am besten geeignet für die Schülerin oder den Schüler ist, müssen Gutachten verfasst werden, die diese Annahme unterstützen. Fraglich ist dann jedoch, wie das iPad neben seiner ursprünglich vorgesehenen Nutzung noch verwendet werden darf. Der Finanzierungsfrage widmete sich auch schon der Beitrag Tablet-Schule in diesem Blog.

Ein iPad ist nur so wertvoll, wie das Umfeld es macht

Ohne Engagement von außen wird es keine Wunder vollbringen. Wichtig ist, dass sich auch die Beteiligten um die Nutzerinnen und Nutzer herum mit der Funktionsweise des iPads und dessen Möglichkeiten befassen. Aufgrund der immer fortschreitenden Entwicklung muss man zudem auf dem Laufendem bleiben und auch nach Innovationen Ausschau halten, die dem Individuum helfen. Der Markt der Möglichkeiten ist noch lange nicht erschöpft, was u.a. die momentan noch fehlende Augensteuerung verdeutlicht. Doch wenn das Kollegium diesem neuen Hilfsmittel offen gegenübersteht und auch bereit ist dazuzulernen, dann birgt das iPad Potential, um den Schulalltag noch effektiver für Schülerinnen und Schüler mit Einschränkungen zu gestalten.

Dennoch hat auch das iPad seine Grenzen. Es ist nicht für alle Schülerinnen und Schüler die ideale Lösung und ersetzt nicht unbedingt die herkömmlichen Hilfsmittel. So individuell das iPad ist, so individuell muss auch entschieden werden, ob dessen Einsatz sinnvoll ist.

Literatur
  • Castaňeda, Claudio/Hallbauer, Angela (2015): Das iPad in der UK-Beratung und -Diagnostik, in: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.): Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad, Karlsruhe, S. 154-162
  • Hallbauer, Angela/Reinhard, Sven (2015): Accessibility des iPads. Bedienbarkeit, Einstellmöglichkeiten und Zubehör für einen (fast) barrierefreien Zugang, in: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.): Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad, Karlsruhe, S. 87-100
  • Hofmann, Andreas/Franz, Eyk/Schneider-Pungs, Cornelia (2016): Tablets im Unterricht – Ein praktischer Leitfaden. iPads & Co. produktiv einsetzen und Apps didaktisch sinnvoll einbinden, Hamburg
  • Kitzinger, Annette (2015): Kindersicherung, Backup und mehr. Tipps & Tricks rund um das iPad, in: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.): Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad, Karlsruhe, S. 76-85
  • Krstoski, Igor (2015): Das iPad an Förderzentren. Körperlich-motorische Entwicklung und an Förderzentren geistige Entwicklung, in: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.): Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad, Karlsruhe, S. 8-17
  • Pawel, Sabine (2015): Caroline und Meta. Mit dem iPad durch die Schulwoche, in: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.): Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad, Karlsruhe, S. 18-28
  • Schubert, Tobias (2015): iPad-Administration in der Schule. Annäherung an ein vielschichtiges Thema, in: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.): Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad, Karlsruhe, S. 37-45
Internetquellen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen