Ein Satz, den jeder mit Zugang zu Fernseher oder Radio in den Ohren hat. Doch nicht nur bei der Einnahme von Medikamenten ist die Konsultation von Arzt oder Apotheker der erste Gedanke, sondern auch bei verschiedenen Krankheitssymptomen, die untersucht werden wollen. Aber die Packungsbeilage lesen und Wort für Wort, Zeile für Zeile bis zur möglichen Beantwortung einer Frage durchkämmen? Arzt oder Apotheker fragen und dafür Wartezeiten und Anfahrtsweg in Kauf nehmen? Ist dieser Hinweis noch zeitgemäß?
Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt, Ihren Apotheker oder das Web 2.0.
Wäre diese Art von Hinweis nicht viel fortschrittlicher, der immer digitaleren Gesellschaft viel angemessener? In einer Welt, die in so vielen Bereichen von digitalen Kommunikationswegen beeinflusst und verändert wurde, ist es keine Überraschung, dass auch das Gesundheitssystem nicht unberührt bleibt.
Das Web 2.0 erleichtert unter anderem durch user generated content, das heißt, durch die Möglichkeiten der interaktiven Mitgestaltung von Inhalten und der einfachen Teilnahme an Netzwerken, den Zugang zu wichtigen Informationen, die den eigenen Krankheitsfall betreffen. Wer nimmt bei diesen Möglichkeiten schon gerne einen langen Aufenthalt im Wartezimmer auf sich, wenn das virtuelle Wartezimmer viel bequemer und vor allem reichhaltiger an Informationen ist als zehn Minuten in der Sprechstunde?
Der E-Patient
Die Möglichkeiten zur Selbstdiagnose durch das Web 2.0 schaffen ein völlig neues Patientenbild. Per Definition zeichnet sich ein Patient durch sein Leiden aus (lat. pati = erdulden, leiden), wegen dem er oder sie von „einem Arzt, einer Ärztin oder einem Angehörigen anderer Heilberufe behandelte oder betreute Person ist“.[1]
Schon die Definition weist darauf hin, dass die Beziehung von Arzt und Patient in keinem Gleichgewicht ist. Die Kommunikation und Interaktion kann niemals auf Augenhöhe stattfinden, da der Patient immer in gewissem Grad von dem Fachwissen des Arztes oder des Apothekers abhängig ist.
Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Einen anderen Weg gibt es nicht.
Doch, es gibt einen anderen Weg. Das Web 2.0 bietet den Patienten die Möglichkeit, sich selbst handlungsfähiger zu machen. Es verringert die Abhängigkeit von Ärzten und Apothekern. Das Web 2.0 macht aus dem Patienten, wie man in Jahrhunderte kannte, den E-Patienten.
Das Web 2.0 erleichtert unter anderem durch user generated content, das heißt, durch die Möglichkeiten der interaktiven Mitgestaltung von Inhalten und der einfachen Teilnahme an Netzwerken, den Zugang zu wichtigen Informationen, die den eigenen Krankheitsfall betreffen. Wer nimmt bei diesen Möglichkeiten schon gerne einen langen Aufenthalt im Wartezimmer auf sich, wenn das virtuelle Wartezimmer viel bequemer und vor allem reichhaltiger an Informationen ist als zehn Minuten in der Sprechstunde?
Der E-Patient
Die Möglichkeiten zur Selbstdiagnose durch das Web 2.0 schaffen ein völlig neues Patientenbild. Per Definition zeichnet sich ein Patient durch sein Leiden aus (lat. pati = erdulden, leiden), wegen dem er oder sie von „einem Arzt, einer Ärztin oder einem Angehörigen anderer Heilberufe behandelte oder betreute Person ist“.[1]
Schon die Definition weist darauf hin, dass die Beziehung von Arzt und Patient in keinem Gleichgewicht ist. Die Kommunikation und Interaktion kann niemals auf Augenhöhe stattfinden, da der Patient immer in gewissem Grad von dem Fachwissen des Arztes oder des Apothekers abhängig ist.
Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Einen anderen Weg gibt es nicht.
Doch, es gibt einen anderen Weg. Das Web 2.0 bietet den Patienten die Möglichkeit, sich selbst handlungsfähiger zu machen. Es verringert die Abhängigkeit von Ärzten und Apothekern. Das Web 2.0 macht aus dem Patienten, wie man in Jahrhunderte kannte, den E-Patienten.
Der Begriff E-Patient entstand jedoch schon vor dem Web 2.0. Der Mediziner Tom Ferguson „Doc Tom“ erkannte bereits in den 1980ern, wie wichtig es für Patientinnen und Patienten ist, sich selbst zu informieren. Nach seiner Promotion im Jahr 1978 an der Yale Medical School entschied er sich gegen die Arbeit in einer Praxis und stattdessen dafür, sein Wissen an Patientinnen und Patienten weiterzugeben.
Da das Internet damals noch nicht als Informationskanal zur Verfügung stand, tat er dies durch seine Arbeit als Redakteur bei der Zeitschrift „Whole Earth Catalog“ sowie durch die Veröffentlichung der Zeitschrift „Medical Self-Care“ und einem Buch mit demselben Titel. Neben seinen Publikationen trat er auch in diversen Fernsehshows auf.
Nach dem Aufkommen des Internet war es für Ferguson naheliegend, auch dieses für die Informationsverbreitung zu verwenden. Die Vernetzung der Patienten durch das Internet motivierte Ferguson dazu, einen Namen für diese neue Patientengeneration zu entwickeln: „e-patient“. Dabei stand das „e“ vor Patient ursprünglich nur für elektronisch. Im Lauf der Zeit kamen jedoch mehr und mehr Bedeutungen hinzu, die ebenfalls in das Bild des E-Patienten passten:
Informationskanäle des E-Patienten
Da das Internet damals noch nicht als Informationskanal zur Verfügung stand, tat er dies durch seine Arbeit als Redakteur bei der Zeitschrift „Whole Earth Catalog“ sowie durch die Veröffentlichung der Zeitschrift „Medical Self-Care“ und einem Buch mit demselben Titel. Neben seinen Publikationen trat er auch in diversen Fernsehshows auf.
Nach dem Aufkommen des Internet war es für Ferguson naheliegend, auch dieses für die Informationsverbreitung zu verwenden. Die Vernetzung der Patienten durch das Internet motivierte Ferguson dazu, einen Namen für diese neue Patientengeneration zu entwickeln: „e-patient“. Dabei stand das „e“ vor Patient ursprünglich nur für elektronisch. Im Lauf der Zeit kamen jedoch mehr und mehr Bedeutungen hinzu, die ebenfalls in das Bild des E-Patienten passten:
- empowered (mündig, ermächtigt)
- engaged (engagiert)
- equipped (ausgestattet/gerüstet)
- enabled (befähigt)
Informationskanäle des E-Patienten
Im Jahr 2012 führte MSL Germany in Zusammenarbeit mit SKOPOS eine Gesundheitsstudie durch. Im Rahmen dieser Studie stellte sich heraus, dass der wichtigste Informationskanal für deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher das Internet ist. Innerhalb des Internet sind Wikipedia und Seiten von Krankenkassen die Spitzenreiter, wenn deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher sich zu Gesundheitsthemen informieren. Nachfolgend einige Beispiele, die neben Wikipedia und Krankenkassenwebsites eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen, vor allem im Hinblick auf das Web 2.0 und user generated content.
Wikis
Wikis sind Webseiten, die kontinuierlich von verschiedenen Autoren weitergeführt werden. Ein Beispiel ist die Seite Ganfyd. Ganfyd wurde von einer Gruppe Ärzten und Medizinstudenten gegründet. Die Abkürzung steht für Get A Note From Your Doctor. Die Macher haben es sich zum Ziel gesetzt, ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu teilen.
Blogs
Blogs werden für das Posten von Informationen, persönlicher Meinungen und Erfahrungen verwendet. Das Erstellen eines Blogs kann buchstäblich innerhalb von fünf Minuten erledigt sein. Folglich ist dies auch ein Weg, durch den man seine eigene Krankengeschichte oder auch sein eigenes Fachwissen auf schnelle und unkomplizierte Art und Weise teilen und veröffentlichen kann.
Von deutschen Nutzerinnen und Nutzern wird die Vertrauenswürdigkeit der auf Blogs bereitgestellten Informationen jedoch in Frage gestellt. Laut der MLS-Gesundheitsstudie vertrauen nur 20 Prozent der Befragten den auf Blogs verfügbaren Inhalten.
Natürlich gibt es auch Blogs, die von Ärzten oder Fachkräften betrieben werden. Ein Beispiel ist das Blog Kids and me 2.0, auf dem ein Kinderarzt Geschichten und Erfahrungen, natürlich anonymisiert, aus seiner Praxis erzählt, und dabei, quasi durch die Hintertür, auch häufige Fragen von Patientinnen und Patienten beantwortet.
Ein weiteres Blog, welches an dieser Stelle nicht fehlen darf, ist das Blog e-patients.net von Dave deBronkart und der Society for Participatory Medicine. Ihr Konzept soll Patientinnen und Patienten dabei unterstützen, sich aktiv für sich selbst in Sachen Gesundheit und Pflege einzusetzen. Außerdem soll durch ihre Aufklärungsarbeit die gegenseitige Zusammenarbeit zwischen Patienten, Gesundheitsexperten und Pflegekräften verbessert werden.
Podcasts
Auch via Podcasts können medizinisches Wissen und Erfahrungen geteilt und verbreitet werden.
Podcasts sind ähnlich wie Blogs, nur dass das Wissen hierbei nicht über das geschriebene Wort, sondern durch Audio- und Videodateien vermittelt wird. Allerdings gibt es bei Podcasts keine regelmäßigen Sendezeiten. Neue Podcasts können bei Bedarf heruntergeladen werden.
DocCheck TV - dein Medizinfernsehen im Web ist ein Beispiel für einen medizinischen Podcast. DocCheck ist laut eigenen Angaben die größte Community für medizinische Fachberufe in Europa. Allerdings ist dieser Podcast weniger für die Patienten selbst als für medizinische Fachkräfte ausgelegt. Aber auch Laien, die bei der Informationssuche über DocCheck stolpern, können gegebenenfalls von dem gebotenen Fachwissen profitieren.
Soziale Netzwerke und Foren
Ein Soziales Netzwerk besteht aus einer Gruppe beziehungsweise Community mit gemeinsamen Interessen und/oder Zielen. Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter sind inzwischen fast jedermann ein Begriff. Ein Soziales Netzwerk bietet für die Nutzer eine Vielzahl an Möglichkeiten, um miteinander zu interagieren.
Natürlich ist diese Art von Community besonders attraktiv für Menschen, die an einer schweren Erkrankung leiden. So gibt es auf Facebook beispielsweise Selbsthilfegruppen für Menschen, die an Multipler Sklerose, Glykogenose, Blasenkrebs und vielem mehr leiden.
Aber auch in verschiedenen Foren tauschen sich Online-Communities über medizinische Themen aus. Ein Beispiel hierfür ist die Online-Gemeinschaft zum Thema Leukämie Leukaemie-online. In diesem Forum werden zum einen wichtige Informationen zum Thema Leukämie bereitgestellt, und zum anderen können sich die Nutzerinnen und Nutzer über ihre Erfahrungen mit Leukämie austauschen.
Ein weiteres Beispiel ist die Community PatientsLikeMe. Unter dem Motto „Live better, together!“ tauschen sich innerhalb dieses Netzwerks über 400.000 Patienten über ihre Erfahrungen und ihr Wissen aus.
Ratgeber-Communities wie gutefrage.net und wer-weiss-was.de sind ebenfalls ein zentrales Element der Informationsbeschaffung. Laut MSL-Gesundheitsstudie liegen sie auf Platz fünf der meistgenutzten Seiten. Facebook und Twitter bilden mit zwölf und acht Prozent das Schlusslicht.
Welche Rolle die Informationen des Web 2.0 für Patientinnen und Patienten tatsächlich haben kann, fasst Dave deBronkart im folgenden YoutubeVideo eindrücklich zusammen.
Verlässlichkeit der Informationen
Natürlich unterscheidet sich die Nutzung der Informationskanäle je nach dem Inhalt, der gesucht wird. Auch diese Fragestellung hat die MSL-Gesundheitsstudie abgedeckt. Geht es beispielsweise um Allergien, wird deutlich, dass die Bedeutung einer Online-Enzyklopädie wie Wikipedia sehr hoch ist. Auch bei ernährungswissenschaftlichen Themen, wie zum Beispiel beim Thema Nahrungsergänzungsmittel, ist Wikipedia wichtigste Informationsquelle. An zweiter Stelle folgen Blogbeiträge oder Erfahrungsberichte.
Wichtig ist für Patientinnen und Patienten immer das Maß an Vertrauen und Glaubwürdigkeit, welches die unterschiedlichen Informationskanäle ausstrahlen. Dies hängt stark von der subjektiven Wahrnehmung der jeweiligen Nutzer ab. Grundsätzlich gilt: Je stärker die Neigung, das Netz zu nutzen, desto höher wird auch die Verlässlichkeit einzelner Portale und Foren eingeschätzt.
Spitzenreiter in Sachen Verlässlichkeit und Vertrauen sind aus Sicht der Nutzer redaktionell betreute Gesundheitsportale, wie die von Krankenkassen, Ministerien und gemeinnütziger Organisationen. Das Schlusslicht der Vertrauensskala bilden Seiten von Pharmaunternehmen und Beiträge von anonymen Nutzern.
Nicht außer Acht gelassen werden dürfen Informationen aus Diskussionsforen und Communities, also nutzergenerierte Inhalte. Nicht alle sind dabei in der Lage, Hilfreiches von weniger Hilfreichem zu unterscheiden. Das folgende Beispiel zeigt zwei Ergebnisse der Google Suche zum Thema „trockene Haut an den Fingergelenken“:
Der erste Screenshot zeigt einen redaktionell aufbereiteten Beitrag der Deutschen Haut- und Allergiehilfe eV.
Der zweite Screenshot zeigt einen User-Beitrag aus einem medizinischen Forum, in dem die in der Suchanfrage eingegebene Frage gestellt worden ist.
Der Beitrag der Deutschen Haut- und Allergiehilfe e.V. weist im Zusammenhang mit der trockenen Haut an den Fingergelenken auf ein Hautekzem hin. Der Forumsbeitrag jedoch empfiehlt nicht mehr als ein umsichtigeres Händewaschen und Eincremen. Als Begründung für die trockenen Stellen wird eine dickere Haut an den genannten Stellen angeführt. Nicht alle Nutzerinnen und Nutzer suchen nach mehreren Informationsquellen und können aus diesem Grund auch nicht unterscheiden, ob eine Information vollständig oder korrekt ist.
Klar ist jedoch: ohne das Web 2.0 wären die Möglichkeiten für den Austausch von Erfahrungen und Wissen und damit für die Verbesserung der Handlungsfähigkeit nur sehr rar gesät. Das Web 2.0 bietet Informationsnetzwerke und unterstützt Patientinnen und Patienten so bei der Selbsthilfe. Manche Patientinnen und Patienten wissen häufig nur über die Erkrankung selbst Bescheid. Andere wiederum haben auch ein aktuelles Wissen über die besten Informationsquellen, Behandlungen, Ärzte und mehr. Durch das Web 2.0 können sich Patientinnen und Patienten austauschen und so von dem Wissen der jeweils anderen profitieren.
Verhältnis Arzt - Patient
Doch was bedeuten all diese neuen Zugänge zu Wissen und Informationen für das Verhältnis zwischen Arzt und Patienten? Jetzt, da der Patient durch das Web 2.0 zum E-Patienten geworden ist, hat sich die Kommunikations- und Interaktionsebene zwischen Arzt und Patienten verschoben. Das Vertrauen in Ärzte ist zwar nahezu unverändert geblieben, jedoch ist ihre Monopolstellung als Ratgeber und Informationsquelle verloren.
Tatsächlich gab laut der MSL-Gesundheitsstudie mehr als ein Drittel der Befragten an, sich im Internet über Gesundheitsthemen zu informieren, um Gespräche mit Gesundheitsexperten auf Augenhöhe führen zu können. Dabei spielt unter anderem auch die Verständlichkeit der Aussagen von Ärzten eine nicht unerhebliche Rolle. Über 30 Prozent der befragten Verbraucherinnen und Verbraucher gaben an, dass sie die im Internet bereitgestellten Informationen als verständlicher empfinden, als die, die sie im Gespräch mit einem Arzt erhalten.
Bei leichten Erkrankungen verzichten einige gar ganz auf den Arztbesuch und verlassen sich ausschließlich auf die im Netz bereitgestellten Informationen. Einige Patienten wünschen sich sogar die Möglichkeit, ihren Arzt über das Internet konsultieren zu können. Allerdings steht in diesem Fall nicht der Wunsch nach einer Diagnose im Vordergrund, sondern lediglich das Beantworten allgemeiner Gesundheitsfragen und das Bestellen von Rezepten bzw. alles, bei dem man auf das „machen Sie mal ihren Mund auf und sagen Sie aaaaaaaah“ verzichten kann.
E-Patient ist nicht gleich E-Patient
Gründe für die Informationssuche im Internet gibt es viele, nicht nur die eigene Erkrankung. Betroffenheit ist laut Studie ebenfalls ein wesentlicher Auslöser. 43 Prozent der befragten Nutzer sind selbst Chroniker/Patienten, 29 Prozent suchen nach Informationen aufgrund akuter Beschwerden, 15 Prozent der Befragten haben keine Beschwerden, sondern recherchieren nur aus Interesse. Die verbleibenden 13 Prozent suchen nach Informationen, weil Angehörige unter gesundheitlichen Problemen leiden. Die Nutzung des Internet in Sachen Gesundheit geht von der allgemeinen Informationsbeschaffung bis zu dem Vergleich und dem Kauf verschiedener Medikamente.[3]
Auch wenn man die Nutzung der Möglichkeiten des Web 2.0 schnell mit der Generation der sogenannten "digital natives" in Verbindung bringt, trifft dies in Sachen E-Patient nicht zu. Nach und nach gesellen sich auch die sogenannten "Silver Surfer", also Nutzer ab 60 Jahren hinzu.[4]
Nicht jeder Mensch ist aus demselben Holz geschnitzt. Auch unter den E-Patienten gibt es Unterschiede. Dies betrifft hauptsächlich das Nutzungsmuster des Web 2.0. Die individuelle Nutzung wird in großem Maße von Vorlieben, Bedürfnissen und Motivationen bestimmt. Der Wunsch nach mehr Informationen ist ein zentrales Element für die Nutzung des Web 2.0. Im Rahmen des user generated content ist es jedoch eine Frage des Informationsmix. Wie viele Informationen stelle ich selbst bereit und wie viele Informationen konsumiere ich?
Typologie
Die MSL-Gesundheitsstudie hat die deutschen Internet-Nutzer in eine auf Social-Media-Nutzung und Soziodemografie basierende Typologie eingeteilt. Diese Typologie bestehst aus sechs unterschiedlichen Gruppen:
1. Netzwerker: Sie sehen das Web 2.0 als Selbstverständlichkeit an und nutzen dieses regelmäßig. Es macht ihnen Spaß, sich mit anderen Nutzern auszutauschen und zu vernetzen. Die Informationen, die sie auf diesem Wege erhalten, sind nicht der Grund für die Vernetzung, sondern eher ein willkommenes Nebenprodukt. Sie teilen ihre Meinungen und Vorlieben häufig und schrecken auch vor Diskussionen zu ihren Themen nicht zurück.
2. Zaungäste: Sie nutzen das Web 2.0 fast ausschließlich zur Informationsbeschaffung. Sie sind in Foren und Communities eher zurückhaltend, schätzen aber die Beiträge, die andere Nutzer zu ihren gegebenenfalls ähnlichen Suchanfragen verfassten.
3. Smarte: Die Gruppe der Smarten umfasst die jüngste Bezugsgruppe von allen Typen. Sie nutzen das Web 2.0 regelmäßig, aber, wie die Zaungäste, tendenziell eher zurückhaltend. Wenn sie sich doch beteiligen, dann erst nach reichlicher Überlegung. Wie auch bei den Zaungästen, ist die Suche nach Informationen die Hauptmotivation für die Nutzung des Web 2.0. Besonders schätzt diese Gruppe Erfahrungsberichte und Nutzerdiskussionen.
4. Traditionalisten: Die Gruppe der Traditionalisten ist genau die Gruppe, die im Netz nach Informationen über Gesundheitsthemen sucht, um auf Augenhöhe mit dem Arzt oder Apotheker sprechen zu können. Sie nutzen das Web 2.0 ausschließlich für die Recherche nach bestimmten Inhalten. Unabhängig davon können sie mit Online-Plattformen nicht viel anfangen und haben auch keinerlei Interesse daran, diese zu nutzen. Vor allem das Angeben der personenbezogenen Daten wirkt dabei besonders abschreckend auf sie.
5. Forscher: Forscher verhalten sich im Web 2.0 selbstsicher. Die Suche nach Informationen und die soziale Interaktion sind dabei in einem Gleichgewicht. Die Forscher verwenden bevorzugt mehrere Informationsquellen und betrachten dabei die einzelnen Informationen kritisch. Sie interessieren sich für die Beiträge anderer Nutzer und schätzen den Austausch mit Experten.
6. Beobachter: Die Gruppe der Beobachter hat sich seit der ersten MSL-Gesundheitsstudie stetig verkleinert. Die Nutzer, die ursprünglich der Gruppe der Beobachter angehörten, entwickeln sich mehr und mehr zu Zaungästen und Traditionalisten. Die Beobachter kennen im Gegensatz zu den Traditionalisten zwar die gängigen Netzwerke wie Facebook und Twitter, bleiben aber vollkommen unbeteiligt. Das Interesse der Beobachter gilt ausschließlich den redaktionell aufbereiteten Informationen.
Die Gruppen, die sich bei dieser Einteilung am meisten im Bereitstellen und Konsumieren von Informationen unterscheiden, sind die der Forscher und der Zaungäste. Während die einen sich aktiv und aufgeschlossen verhalten, sind die anderen eher passiv. Es gibt jedoch auch Gemeinsamkeiten. Beide Gruppen sind bereit, sich auf unterschiedlichen Plattformen zu registrieren, und beide Gruppen tun dies hauptsächlich zur Informationsbeschaffung.
Der Weg zu den Informationen unterscheidet sich jedoch. Während die Forscher keine Scheu haben, ihre gewünschten Informationen durch aktives Nachfragen zu bekommen, ist der Zaungast eher zurückhaltend und sucht bevorzugt nach redaktionell aufbereiteten Inhalten im Internet. Auch user generated content ist nicht bedeutungslos. 70 Prozent der Forscher legen beispielsweise mehr Wert auf Nutzermeinungen als auf redaktionelle Beiträge.
Anhand der unterschiedlichen Typen lässt sich erkennen, dass zwar der Großteil der Nutzer ein starkes Interesse an Informationen hat, jedoch längst nicht alle auch bereit sind, selbst Informationen zu teilen. Grund dafür ist häufig die Angst davor, zu viele eigene Daten preiszugeben. Dies trifft vor allem auf die Traditionalisten zu. Aber auch die Beobachter sind nur in Ausnahmefällen dazu bereit, ihre Daten anzugeben und so womöglich die Kontrolle über ihren Informationsfluss abzutreten.[5]
Datenschutz?
E-Patient RSD hat im Zeitraum vom 3. März bis zum 2. Mai 2016 eine anonyme, freiwillige Online-Befragung auf thematisch passenden Webseiten, Foren, und Newslettern durchgeführt. Die Themenschwerpunkte lagen dieses Jahr unter anderem auf der Analyse des Online-Verhaltens von Patienten und Gesundheitssurfern.
Auch die Auswirkungen der Internetnutzung auf das Krankheitsverhalten sowie das Verhalten auf dem Gesundheitsmarkt (Arzt, Apotheker, Krankenversicherung, Kliniken und weitere Akteure) wurden in dieser Umfrage untersucht. Aber auch das Thema Datenschutz, welches unweigerlich mit der Chronik eines E-Patienten in Verbindung steht, wurde abgefragt.
In einer offenen Antwortkategorie konnten die Befragten angeben, ob sie der Meinung sind, man könne dem Internet Daten anvertrauen oder nicht. Nur 7 Prozent haben dazu keine Meinung, ebenfalls 7 Prozent sind sich unsicher oder unentschlossen. 43 Prozent sprachen sich für die Nutzung webbasierter Datenverarbeitung aus, ebenso viele lehnten diese ab.[6]
Zugang zu den medizinischen Daten
Eine „Nebenwirkung“ der eigenen Informationsbeschaffung ist zudem, dass Patienten vermehrt nach Zugang zu den eigenen Patientendaten verlangen, um den Informationszuwachs besser auf die eigene Situation anwenden zu können. Im Zuge dessen entstand der Slogan „Gimme My DaM Data“, welcher ursprünglich der Titel eines medizinischen Vortrages war. Der Slogan verbreitete sich in einer rasanten Geschwindigkeit über das Internet. Es entstand sogar ein eigener „Gimme My DaM Data“-Song.
Die Frage, warum dieser Slogan so viel Aufmerksamkeit erhalten hat, kann nur mit dem Wunsch der Patienten nach dem Erhalt der eigenen medizinischen Daten, beantwortet werden.
In diesem Zusammenhang wurde im Jahr 2010 die Studie „Open Notes“durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie haben 100 Hausärzte in den USA ihre Unterlagen und Daten mit den Patienten geteilt. Die Patienten hatten Zugang zu allen ihren medizinischen Unterlagen in unveränderter Fachsprache. Ziel war es, herauszufinden, wie das Offenlegen der Daten das Gesundheitswesen beeinflusst.
Das Studienergebnis war eindeutig. 99 Prozent der Patienten wollten weiterhin Zugang zu ihren Daten haben. 85 Prozent bis 89 Prozent der Patienten sagten sogar, dass der Zugang zu den Unterlagen Einfluss darauf hat, für welchen Leistungsbringer sie sich entscheiden. Entgegen der Erwartungen hatte die Offenlegung der Daten kaum Auswirkungen auf das Leben der Ärzte. Die Studie beweist außerdem, dass das Offenlegen der Patientendaten die Gesundheitsversorgung effizienter macht, die Kommunikation zwischen Arzt und Patienten nachhaltig verbessert und Patienten hilft, sich selbst mehr in ihre eigene Gesundheitsversorgung einzubringen.[7]
Auch in Deutschland wird dem Wunsch der Patienten über die Kontrolle der eigenen Daten entsprochen. Durch die Entwicklung eines neuen E-Health-Gesetzes soll der Fortschritt im Gesundheitswesen vorangetrieben werden. Im Mittelpunkt stehen dabei unter anderem Datennutzung durch Patienten und Datenschutz.
Das Gesetz enthält eine Anleitung für die Einführung einer digitalen Infrastruktur mit höchsten Sicherheitsstandards. Diese digitale Infrastruktur soll die Gesundheitsversorgung nachhaltig verbessern und gleichzeitig die Selbstbestimmung der Patienten unterstützen. So soll mit dem neuen Gesetz der Einstieg in eine elektronische Patientenakte gefördert werden. Daten der Patientinnen und Patienten sollen in dieser elektronischen Patientenakte für die Patientinnen und Patienten bereitgestellt werden. Dadurch können diese dann selbstständig die jeweiligen Ärzte oder Pflegekräfte über ihre wichtigsten Gesundheitsdaten informieren[8]: „Gimme My DaM Data“.
Der Patient wird also nicht nur durch das vielfältige Angebot des Web 2.0 handlungsfähiger. Auch die Gesetzgebung unterstützt Patientinnen und Patienten dabei, in medizinischen Belangen mitbestimmen zu können.
Perspektive
Nicht nur Patientinnen passen sich an die Gegebenheiten der digitalen Welt an. Und nicht nur Patienten wissen, wie sie diese Gegebenheiten möglichst nutzbringend für sich verwenden können. Auch das Gesundheitswesen versucht, digitale Medien mehr und mehr in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Bereits im Jahr 2009 wurde im Rahmen eines Gutachtens des Rates zur Begutachtung und Entwicklung im Gesundheitswesen für den Deutschen Bundestag ein Modellprojekt durchgeführt. Das Projekt AGnES (Arztentlastende Gemeindenahe E-Health gestützte systemische Intervention) wurde von 2005 bis 2007 auf Rügen durchgeführt, um einer drohenden Unterversorgung in ländlichen Regionen entgegenzuwirken.
Entwickelt wurde das Modell hauptsächlich für die Patientinnen und Patienten, bei denen entweder präventive Leistungen, eine regelmäßige Überwachung der Therapie oder ein Monitoring des Gesundheitszustands erforderlich sind. Dabei werden die Daten bezüglich des Gesundheitszustandes der Patientinnen und Patienten bei diesem zuhause elektronisch dokumentiert und direkt in die Datenbanken des jeweiligen Hausarztes eingespeist. Dieser wiederum steht auch für Videokonferenzen zur Verfügung.
Im April 2007 wurde erstmals eine real von Unterversorgung betroffene Region in Sachsen miteinbezogen. Die Ergebnisse waren eindeutig. Es gab eine sehr hohe Akzeptanz seitens der beteiligten Ärzte. 90 Prozent empfanden die neue Versorgungsstruktur als Entlastung. Auch bei den Patienten war der Tenor nahezu durchweg positiv.[9]
Fazit
Die Entwicklung des Web 2.0 betrifft nunmehr fast alle Lebensbereiche, auch den der eigenen Gesundheit. Durch neue Gesetze wird es dem Patienten erleichtert, selbstbestimmter und mündiger über Behandlungsmethoden und Medikationen mitzuentscheiden. Vor allem durch die neuen Möglichkeiten, die das Web 2.0 bietet, können sich Patientinnen, Patienten und Interessierte auf einfache Art und Weise Informationen beschaffen und sich aufgrund dieser neuen Informationen besser mit ihrem Arzt oder Apotheker auseinandersetzen.
Trotz allem darf nicht vergessen werden, dass Web 2.0 und user generated content immer auch kritisch betrachtet werden muss. Nicht alle Nutzer, die etwas beitragen, sind gleichzeitig auch Experten. Und nicht alle redaktionellen Beiträge, vor allem die mit kommerziellem Hintergrund, haben das Wohl der Patientinnen und Patienten im Kopf. Deshalb sollte, trotz der Selbsthilfe durch Informationsbeschaffung, also immer noch ein Gesundheitsexperte konsultiert werden.
Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Wenn Sie ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten erhöhen wollen, nutzen Sie das vielfältige Informationsangebot des Web 2.0.
Quellenverzeichnis
Verlässlichkeit der Informationen
Natürlich unterscheidet sich die Nutzung der Informationskanäle je nach dem Inhalt, der gesucht wird. Auch diese Fragestellung hat die MSL-Gesundheitsstudie abgedeckt. Geht es beispielsweise um Allergien, wird deutlich, dass die Bedeutung einer Online-Enzyklopädie wie Wikipedia sehr hoch ist. Auch bei ernährungswissenschaftlichen Themen, wie zum Beispiel beim Thema Nahrungsergänzungsmittel, ist Wikipedia wichtigste Informationsquelle. An zweiter Stelle folgen Blogbeiträge oder Erfahrungsberichte.
Wichtig ist für Patientinnen und Patienten immer das Maß an Vertrauen und Glaubwürdigkeit, welches die unterschiedlichen Informationskanäle ausstrahlen. Dies hängt stark von der subjektiven Wahrnehmung der jeweiligen Nutzer ab. Grundsätzlich gilt: Je stärker die Neigung, das Netz zu nutzen, desto höher wird auch die Verlässlichkeit einzelner Portale und Foren eingeschätzt.
Spitzenreiter in Sachen Verlässlichkeit und Vertrauen sind aus Sicht der Nutzer redaktionell betreute Gesundheitsportale, wie die von Krankenkassen, Ministerien und gemeinnütziger Organisationen. Das Schlusslicht der Vertrauensskala bilden Seiten von Pharmaunternehmen und Beiträge von anonymen Nutzern.
Nicht außer Acht gelassen werden dürfen Informationen aus Diskussionsforen und Communities, also nutzergenerierte Inhalte. Nicht alle sind dabei in der Lage, Hilfreiches von weniger Hilfreichem zu unterscheiden. Das folgende Beispiel zeigt zwei Ergebnisse der Google Suche zum Thema „trockene Haut an den Fingergelenken“:
Screenshot 19.06.2019 http://www.dha-handekzem.de/ursachen.html |
Der erste Screenshot zeigt einen redaktionell aufbereiteten Beitrag der Deutschen Haut- und Allergiehilfe eV.
Screenshot 19.06.2016 http://board.netdoktor.de/beitrag/trockene-fingergelenke-was-tun.159552/ |
Der zweite Screenshot zeigt einen User-Beitrag aus einem medizinischen Forum, in dem die in der Suchanfrage eingegebene Frage gestellt worden ist.
Der Beitrag der Deutschen Haut- und Allergiehilfe e.V. weist im Zusammenhang mit der trockenen Haut an den Fingergelenken auf ein Hautekzem hin. Der Forumsbeitrag jedoch empfiehlt nicht mehr als ein umsichtigeres Händewaschen und Eincremen. Als Begründung für die trockenen Stellen wird eine dickere Haut an den genannten Stellen angeführt. Nicht alle Nutzerinnen und Nutzer suchen nach mehreren Informationsquellen und können aus diesem Grund auch nicht unterscheiden, ob eine Information vollständig oder korrekt ist.
Klar ist jedoch: ohne das Web 2.0 wären die Möglichkeiten für den Austausch von Erfahrungen und Wissen und damit für die Verbesserung der Handlungsfähigkeit nur sehr rar gesät. Das Web 2.0 bietet Informationsnetzwerke und unterstützt Patientinnen und Patienten so bei der Selbsthilfe. Manche Patientinnen und Patienten wissen häufig nur über die Erkrankung selbst Bescheid. Andere wiederum haben auch ein aktuelles Wissen über die besten Informationsquellen, Behandlungen, Ärzte und mehr. Durch das Web 2.0 können sich Patientinnen und Patienten austauschen und so von dem Wissen der jeweils anderen profitieren.
Verhältnis Arzt - Patient
Doch was bedeuten all diese neuen Zugänge zu Wissen und Informationen für das Verhältnis zwischen Arzt und Patienten? Jetzt, da der Patient durch das Web 2.0 zum E-Patienten geworden ist, hat sich die Kommunikations- und Interaktionsebene zwischen Arzt und Patienten verschoben. Das Vertrauen in Ärzte ist zwar nahezu unverändert geblieben, jedoch ist ihre Monopolstellung als Ratgeber und Informationsquelle verloren.
Tatsächlich gab laut der MSL-Gesundheitsstudie mehr als ein Drittel der Befragten an, sich im Internet über Gesundheitsthemen zu informieren, um Gespräche mit Gesundheitsexperten auf Augenhöhe führen zu können. Dabei spielt unter anderem auch die Verständlichkeit der Aussagen von Ärzten eine nicht unerhebliche Rolle. Über 30 Prozent der befragten Verbraucherinnen und Verbraucher gaben an, dass sie die im Internet bereitgestellten Informationen als verständlicher empfinden, als die, die sie im Gespräch mit einem Arzt erhalten.
Bei leichten Erkrankungen verzichten einige gar ganz auf den Arztbesuch und verlassen sich ausschließlich auf die im Netz bereitgestellten Informationen. Einige Patienten wünschen sich sogar die Möglichkeit, ihren Arzt über das Internet konsultieren zu können. Allerdings steht in diesem Fall nicht der Wunsch nach einer Diagnose im Vordergrund, sondern lediglich das Beantworten allgemeiner Gesundheitsfragen und das Bestellen von Rezepten bzw. alles, bei dem man auf das „machen Sie mal ihren Mund auf und sagen Sie aaaaaaaah“ verzichten kann.
E-Patient ist nicht gleich E-Patient
Gründe für die Informationssuche im Internet gibt es viele, nicht nur die eigene Erkrankung. Betroffenheit ist laut Studie ebenfalls ein wesentlicher Auslöser. 43 Prozent der befragten Nutzer sind selbst Chroniker/Patienten, 29 Prozent suchen nach Informationen aufgrund akuter Beschwerden, 15 Prozent der Befragten haben keine Beschwerden, sondern recherchieren nur aus Interesse. Die verbleibenden 13 Prozent suchen nach Informationen, weil Angehörige unter gesundheitlichen Problemen leiden. Die Nutzung des Internet in Sachen Gesundheit geht von der allgemeinen Informationsbeschaffung bis zu dem Vergleich und dem Kauf verschiedener Medikamente.[3]
Auch wenn man die Nutzung der Möglichkeiten des Web 2.0 schnell mit der Generation der sogenannten "digital natives" in Verbindung bringt, trifft dies in Sachen E-Patient nicht zu. Nach und nach gesellen sich auch die sogenannten "Silver Surfer", also Nutzer ab 60 Jahren hinzu.[4]
Nicht jeder Mensch ist aus demselben Holz geschnitzt. Auch unter den E-Patienten gibt es Unterschiede. Dies betrifft hauptsächlich das Nutzungsmuster des Web 2.0. Die individuelle Nutzung wird in großem Maße von Vorlieben, Bedürfnissen und Motivationen bestimmt. Der Wunsch nach mehr Informationen ist ein zentrales Element für die Nutzung des Web 2.0. Im Rahmen des user generated content ist es jedoch eine Frage des Informationsmix. Wie viele Informationen stelle ich selbst bereit und wie viele Informationen konsumiere ich?
Typologie
Die MSL-Gesundheitsstudie hat die deutschen Internet-Nutzer in eine auf Social-Media-Nutzung und Soziodemografie basierende Typologie eingeteilt. Diese Typologie bestehst aus sechs unterschiedlichen Gruppen:
1. Netzwerker: Sie sehen das Web 2.0 als Selbstverständlichkeit an und nutzen dieses regelmäßig. Es macht ihnen Spaß, sich mit anderen Nutzern auszutauschen und zu vernetzen. Die Informationen, die sie auf diesem Wege erhalten, sind nicht der Grund für die Vernetzung, sondern eher ein willkommenes Nebenprodukt. Sie teilen ihre Meinungen und Vorlieben häufig und schrecken auch vor Diskussionen zu ihren Themen nicht zurück.
2. Zaungäste: Sie nutzen das Web 2.0 fast ausschließlich zur Informationsbeschaffung. Sie sind in Foren und Communities eher zurückhaltend, schätzen aber die Beiträge, die andere Nutzer zu ihren gegebenenfalls ähnlichen Suchanfragen verfassten.
3. Smarte: Die Gruppe der Smarten umfasst die jüngste Bezugsgruppe von allen Typen. Sie nutzen das Web 2.0 regelmäßig, aber, wie die Zaungäste, tendenziell eher zurückhaltend. Wenn sie sich doch beteiligen, dann erst nach reichlicher Überlegung. Wie auch bei den Zaungästen, ist die Suche nach Informationen die Hauptmotivation für die Nutzung des Web 2.0. Besonders schätzt diese Gruppe Erfahrungsberichte und Nutzerdiskussionen.
4. Traditionalisten: Die Gruppe der Traditionalisten ist genau die Gruppe, die im Netz nach Informationen über Gesundheitsthemen sucht, um auf Augenhöhe mit dem Arzt oder Apotheker sprechen zu können. Sie nutzen das Web 2.0 ausschließlich für die Recherche nach bestimmten Inhalten. Unabhängig davon können sie mit Online-Plattformen nicht viel anfangen und haben auch keinerlei Interesse daran, diese zu nutzen. Vor allem das Angeben der personenbezogenen Daten wirkt dabei besonders abschreckend auf sie.
5. Forscher: Forscher verhalten sich im Web 2.0 selbstsicher. Die Suche nach Informationen und die soziale Interaktion sind dabei in einem Gleichgewicht. Die Forscher verwenden bevorzugt mehrere Informationsquellen und betrachten dabei die einzelnen Informationen kritisch. Sie interessieren sich für die Beiträge anderer Nutzer und schätzen den Austausch mit Experten.
6. Beobachter: Die Gruppe der Beobachter hat sich seit der ersten MSL-Gesundheitsstudie stetig verkleinert. Die Nutzer, die ursprünglich der Gruppe der Beobachter angehörten, entwickeln sich mehr und mehr zu Zaungästen und Traditionalisten. Die Beobachter kennen im Gegensatz zu den Traditionalisten zwar die gängigen Netzwerke wie Facebook und Twitter, bleiben aber vollkommen unbeteiligt. Das Interesse der Beobachter gilt ausschließlich den redaktionell aufbereiteten Informationen.
Die Gruppen, die sich bei dieser Einteilung am meisten im Bereitstellen und Konsumieren von Informationen unterscheiden, sind die der Forscher und der Zaungäste. Während die einen sich aktiv und aufgeschlossen verhalten, sind die anderen eher passiv. Es gibt jedoch auch Gemeinsamkeiten. Beide Gruppen sind bereit, sich auf unterschiedlichen Plattformen zu registrieren, und beide Gruppen tun dies hauptsächlich zur Informationsbeschaffung.
Der Weg zu den Informationen unterscheidet sich jedoch. Während die Forscher keine Scheu haben, ihre gewünschten Informationen durch aktives Nachfragen zu bekommen, ist der Zaungast eher zurückhaltend und sucht bevorzugt nach redaktionell aufbereiteten Inhalten im Internet. Auch user generated content ist nicht bedeutungslos. 70 Prozent der Forscher legen beispielsweise mehr Wert auf Nutzermeinungen als auf redaktionelle Beiträge.
Anhand der unterschiedlichen Typen lässt sich erkennen, dass zwar der Großteil der Nutzer ein starkes Interesse an Informationen hat, jedoch längst nicht alle auch bereit sind, selbst Informationen zu teilen. Grund dafür ist häufig die Angst davor, zu viele eigene Daten preiszugeben. Dies trifft vor allem auf die Traditionalisten zu. Aber auch die Beobachter sind nur in Ausnahmefällen dazu bereit, ihre Daten anzugeben und so womöglich die Kontrolle über ihren Informationsfluss abzutreten.[5]
Datenschutz?
E-Patient RSD hat im Zeitraum vom 3. März bis zum 2. Mai 2016 eine anonyme, freiwillige Online-Befragung auf thematisch passenden Webseiten, Foren, und Newslettern durchgeführt. Die Themenschwerpunkte lagen dieses Jahr unter anderem auf der Analyse des Online-Verhaltens von Patienten und Gesundheitssurfern.
Auch die Auswirkungen der Internetnutzung auf das Krankheitsverhalten sowie das Verhalten auf dem Gesundheitsmarkt (Arzt, Apotheker, Krankenversicherung, Kliniken und weitere Akteure) wurden in dieser Umfrage untersucht. Aber auch das Thema Datenschutz, welches unweigerlich mit der Chronik eines E-Patienten in Verbindung steht, wurde abgefragt.
In einer offenen Antwortkategorie konnten die Befragten angeben, ob sie der Meinung sind, man könne dem Internet Daten anvertrauen oder nicht. Nur 7 Prozent haben dazu keine Meinung, ebenfalls 7 Prozent sind sich unsicher oder unentschlossen. 43 Prozent sprachen sich für die Nutzung webbasierter Datenverarbeitung aus, ebenso viele lehnten diese ab.[6]
Zugang zu den medizinischen Daten
Eine „Nebenwirkung“ der eigenen Informationsbeschaffung ist zudem, dass Patienten vermehrt nach Zugang zu den eigenen Patientendaten verlangen, um den Informationszuwachs besser auf die eigene Situation anwenden zu können. Im Zuge dessen entstand der Slogan „Gimme My DaM Data“, welcher ursprünglich der Titel eines medizinischen Vortrages war. Der Slogan verbreitete sich in einer rasanten Geschwindigkeit über das Internet. Es entstand sogar ein eigener „Gimme My DaM Data“-Song.
Die Frage, warum dieser Slogan so viel Aufmerksamkeit erhalten hat, kann nur mit dem Wunsch der Patienten nach dem Erhalt der eigenen medizinischen Daten, beantwortet werden.
In diesem Zusammenhang wurde im Jahr 2010 die Studie „Open Notes“durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie haben 100 Hausärzte in den USA ihre Unterlagen und Daten mit den Patienten geteilt. Die Patienten hatten Zugang zu allen ihren medizinischen Unterlagen in unveränderter Fachsprache. Ziel war es, herauszufinden, wie das Offenlegen der Daten das Gesundheitswesen beeinflusst.
Das Studienergebnis war eindeutig. 99 Prozent der Patienten wollten weiterhin Zugang zu ihren Daten haben. 85 Prozent bis 89 Prozent der Patienten sagten sogar, dass der Zugang zu den Unterlagen Einfluss darauf hat, für welchen Leistungsbringer sie sich entscheiden. Entgegen der Erwartungen hatte die Offenlegung der Daten kaum Auswirkungen auf das Leben der Ärzte. Die Studie beweist außerdem, dass das Offenlegen der Patientendaten die Gesundheitsversorgung effizienter macht, die Kommunikation zwischen Arzt und Patienten nachhaltig verbessert und Patienten hilft, sich selbst mehr in ihre eigene Gesundheitsversorgung einzubringen.[7]
Auch in Deutschland wird dem Wunsch der Patienten über die Kontrolle der eigenen Daten entsprochen. Durch die Entwicklung eines neuen E-Health-Gesetzes soll der Fortschritt im Gesundheitswesen vorangetrieben werden. Im Mittelpunkt stehen dabei unter anderem Datennutzung durch Patienten und Datenschutz.
Das Gesetz enthält eine Anleitung für die Einführung einer digitalen Infrastruktur mit höchsten Sicherheitsstandards. Diese digitale Infrastruktur soll die Gesundheitsversorgung nachhaltig verbessern und gleichzeitig die Selbstbestimmung der Patienten unterstützen. So soll mit dem neuen Gesetz der Einstieg in eine elektronische Patientenakte gefördert werden. Daten der Patientinnen und Patienten sollen in dieser elektronischen Patientenakte für die Patientinnen und Patienten bereitgestellt werden. Dadurch können diese dann selbstständig die jeweiligen Ärzte oder Pflegekräfte über ihre wichtigsten Gesundheitsdaten informieren[8]: „Gimme My DaM Data“.
Der Patient wird also nicht nur durch das vielfältige Angebot des Web 2.0 handlungsfähiger. Auch die Gesetzgebung unterstützt Patientinnen und Patienten dabei, in medizinischen Belangen mitbestimmen zu können.
Perspektive
Nicht nur Patientinnen passen sich an die Gegebenheiten der digitalen Welt an. Und nicht nur Patienten wissen, wie sie diese Gegebenheiten möglichst nutzbringend für sich verwenden können. Auch das Gesundheitswesen versucht, digitale Medien mehr und mehr in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Bereits im Jahr 2009 wurde im Rahmen eines Gutachtens des Rates zur Begutachtung und Entwicklung im Gesundheitswesen für den Deutschen Bundestag ein Modellprojekt durchgeführt. Das Projekt AGnES (Arztentlastende Gemeindenahe E-Health gestützte systemische Intervention) wurde von 2005 bis 2007 auf Rügen durchgeführt, um einer drohenden Unterversorgung in ländlichen Regionen entgegenzuwirken.
Entwickelt wurde das Modell hauptsächlich für die Patientinnen und Patienten, bei denen entweder präventive Leistungen, eine regelmäßige Überwachung der Therapie oder ein Monitoring des Gesundheitszustands erforderlich sind. Dabei werden die Daten bezüglich des Gesundheitszustandes der Patientinnen und Patienten bei diesem zuhause elektronisch dokumentiert und direkt in die Datenbanken des jeweiligen Hausarztes eingespeist. Dieser wiederum steht auch für Videokonferenzen zur Verfügung.
Im April 2007 wurde erstmals eine real von Unterversorgung betroffene Region in Sachsen miteinbezogen. Die Ergebnisse waren eindeutig. Es gab eine sehr hohe Akzeptanz seitens der beteiligten Ärzte. 90 Prozent empfanden die neue Versorgungsstruktur als Entlastung. Auch bei den Patienten war der Tenor nahezu durchweg positiv.[9]
Fazit
Die Entwicklung des Web 2.0 betrifft nunmehr fast alle Lebensbereiche, auch den der eigenen Gesundheit. Durch neue Gesetze wird es dem Patienten erleichtert, selbstbestimmter und mündiger über Behandlungsmethoden und Medikationen mitzuentscheiden. Vor allem durch die neuen Möglichkeiten, die das Web 2.0 bietet, können sich Patientinnen, Patienten und Interessierte auf einfache Art und Weise Informationen beschaffen und sich aufgrund dieser neuen Informationen besser mit ihrem Arzt oder Apotheker auseinandersetzen.
Trotz allem darf nicht vergessen werden, dass Web 2.0 und user generated content immer auch kritisch betrachtet werden muss. Nicht alle Nutzer, die etwas beitragen, sind gleichzeitig auch Experten. Und nicht alle redaktionellen Beiträge, vor allem die mit kommerziellem Hintergrund, haben das Wohl der Patientinnen und Patienten im Kopf. Deshalb sollte, trotz der Selbsthilfe durch Informationsbeschaffung, also immer noch ein Gesundheitsexperte konsultiert werden.
Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Wenn Sie ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten erhöhen wollen, nutzen Sie das vielfältige Informationsangebot des Web 2.0.
Quellenverzeichnis
- [1] http://www.duden.de/rechtschreibung/Patient (19.06.2016)
- [2] Andréa Belliger, David J. Krieger (Hrsg.): Gesundheit 2.0: Das ePatienten-Handbuch, S. 19
- [3] epatient-rsd, e-patienten survey (http://epatient-rsd.com/aktuell/)
- [4] Andréa Belliger,David J. Krieger S (Hrsg.) Gesundheit 2.0: Das ePatienten-Handbuch S.14
- [5] Die MSL-Gesundheitsstudie 2012 – powered by SKOPOS Wie social ist das Gesundheitsweb? (https://download.skopos.de/news/skopos_gesundheit-2012-broschuere.pdf)
- [6] epatient-rsd, e-patienten survey (http://epatient-rsd.com/aktuell/)
- [7] http://www.opennotes.org/about-opennotes/ (19.06.2016)
- [8] http://www.bmg.bund.de/themen/.krankenversicherung/e-health-gesetz/e-health.html (19.06.2016)
- [9] http://www.bmg.bund.de/fileadmin/redaktion/pdf_misc/Gutachten_2009.pdf
- Dr. Doherty, Ian Web 2.0: A Movement Within The Health Community
(http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.536.7517&rep=rep1&type=pdf) - http://participatorymedicine.org/ (26.09.2016)
- http://www.ganfyd.org/index.php?title=Main_Page (26.09.2016)
- https://kinderdoc.wordpress.com/ (26.09.2016)
- http://e-patients.net/ (19.06.2016)
- http://tv.doccheck.com/de (26.09.2016)
- http://www.leukaemie-online.de/diskussionsforen (26.09.2016)
- https://www.patientslikeme.com/ (26.09.2016)
- https://www.youtube.com/watch?v=cxZy-Vnu0c0 (16.09.2016)
- http://www.dha-handekzem.de/ursachen.html (19.06.2016)
- http://board.netdoktor.de/beitrag/trockene-fingergelenke-was-tun.159552/ (19.06.2016)
- https://www.youtube.com/watch?v=0gpk-fbfg4Y (19.06.2016)
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