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Montag, 14. Juni 2021

Löschdiskussionen auf Wikipedia

In diesem Beitrag stellt Kathrin Blanke folgenden Aufsatz vor:

Hanauska, Monika (2018): Aushandlungsprozesse in vernetzten Systemen - die Löschdiskussionen auf Wikipedia; in: Industrie 4.0 / Made in China 2025 - Gesellschaftswissenschaftliche Perspektiven auf Digitalisierung in Deutschland und China, KIT Scientific Publishing, S. 149-163, online unter: https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000083481 

Dr. Monika Hanauska behandelt die Löschdiskussionen in der Online-Enzyklopädie Wikipedia. In ihrem Einstieg gibt sie einen Einblick in die nicht immer konstruktiv geführten Löschdiskussionen. Des Weiteren rückt sie destruktive Debatten in den Vordergrund, welche auf die Beziehung der Diskussionsteilnehmer zurückzuführen sind, wodurch die Selbstorganisation der Wikipedia negativ beeinträchtigt werden könnte (S. 149).

Bevor die Autorin auf die Beispiele zu sprechen kommt, zeigt sie auf, dass die zunehmende Digitalisierung dazu führt, dass wir in unserem Alltag ständig digitale Technologien nutzen. Auch ein sozialer Austausch und eine Vernetzung ist mithilfe des Social Webs zunehmend möglich. Hierbei ist es nicht nötig, dass es eine übergeordnete Instanz gibt, die dies organisiert, wie man bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia erkennen kann. Vielmehr beruht sie auf der Zusammenarbeit der Nutzer*innen. Diese Arbeitsteilung in der Wikipedia zeigt sich in allen inhaltlichen, technischen und administrativen Arbeiten. Wichtig dabei ist der kommunikative Austausch untereinander, welchen Hanauska im Zusammenhang damit, wie die Arbeit funktioniert und was überhaupt als enzyklopädisches Wissen angesehen wird, veranschaulicht (S. 149-150).

Weiterhin greift sie die Anfänge von Wikipedia in ihrem Beitrag auf. Hierbei zeigt sie, dass Wikipedia auf der Wiki-Technologie beruht und wahrscheinlich deshalb so erfolgreich ist, da Nutzer*innen die Enzyklopädie nicht nur kostenlos nutzen, sondern auch an ihr mitarbeiten können. Dabei liegt die Organisation bei den Nutzer*innen, demzufolge beruhen auf ihren Interessen die Inhalte der Artikel.

Das Problem bei alldem ist die unausgeglichene Verteilung der Beiträge und die unkontrollierte Qualität der Texte. Um dem zu begegnen, entwickelte die Wikipedia im Laufe der Jahre interne Verfahren für die Qualitätssicherung. Dazu zählt unter anderem der Prozess, in welchem neue Autoren von erfahrenen Wikipedia-Autoren betreut und kontrolliert werden. Im Gegensatz zu anderen Enzyklopädien werden bei der Wikipedia die Artikel erst im nachhinein auf ihre Qualität überprüft (S. 151-152).

„Damit werden Prozesse der Überarbeitung und der Qualitätsverbesserung vor den Augen der Nutzer durchgeführt was einerseits die Transparenz dieser Verfahren erhöhen, andererseits aber auch das Vertrauen in die als qualitativ ungenügend eingestuften Artikel erschüttern kann.“ (S. 152)

Bei den Anfängen von Wikipedia lag das Augenmerk auf der Mitarbeit der Nutzer*innen und auf dem Ziel, ein breites Artikelangebot zu erstellen. Die Community hat sich über die Jahre selbst weiterentwickelt und sich somit einen gewissen Qualitätsstandard angeeignet, der durch Diskussionen eingehalten werden soll, unter anderen um das Vertrauen der Nutzer*innen zu stärken.

Des Weiteren betrachtet Hanauska die Qualitätsüberprüfung anhand zweier Beispiele. Die Qualitätsprüfungen finden insbesondere in Form von Verbesserungsdiskussionen und Löschdiskussionen statt. Dementsprechend handelt es sich diesbezüglich um eine eigene Selektionslogik. Fortfolgend erläutert die Autorin den Vorgang eines Löschantrages (S. 152-153).

Es muss explizit ein Löschantrag gestellt werden, dieser kann erfolgen, wenn „stilistische und sprachliche Mängel, Vergehen gegen den Grundsatz der neutralen Darstellung eines Gegenstandes, fehlende enzyklopädische Relevanz des Gegenstandes oder aber Verstöße gegen die Belegpflicht“ festgestellt werden (S. 153). Es wird erst auf den Löschantrag zurückgegriffen, wenn alle anderen Mittel wie Verbesserungen gescheitert sind.

Jede/r Nutzer*in, angemeldet oder unangemeldet, hat dabei das Recht, einen Löschantrag mit einer schlüssigen Begründung zu stellen. Der Vorteil dabei ist, dass daraus eine Präzisierung hervorgeht, die beschreibt, was Wikipedia darstellen soll, welche Arten von Wissen repräsentiert werden sollen und wie die Darbietung dieses Wissens optimiert werden kann (S. 153).

Nach dem Antragsgesuch wird eine Diskussion eingeleitet, in welcher alle Nutzer*innen ihre Meinung und Argumente zu dem Thema äußern können. Der Artikel wird gekennzeichnet, sodass jeder an der Diskussion teilnehmen kann und darauf aufmerksam gemacht wird, dass die Diskussion für die folgenden sieben Tage angesetzt ist. Dementsprechend wird die Möglichkeit geschaffen, eine Entscheidung in Bezug auf den Artikel zu treffen (S. 154).

Fortfolgend greift die Autorin auf, dass es vorkommen kann, dass sich die Debatte inhaltlich verschiebt. Weg von ihrer eigentlichen Thematik, hin zu einer persönlichen Auseinandersetzung der Nutzer*innen. Wiederum könnte dies in einer Sanktionierung oder in einem Ausschluss der Nutzer*innen münden, aufgrund eines Verstoßes gegen die Verhaltensregeln oder durch minderwertige Beiträge.

Beispiele

Im ersten Beispiel wird auf einen Artikel über einen österreichischen Adligen verwiesen, hier wurde die Relevanz des Artikels infragegestellt. Die Diskussion zeigte sich sehr konstruktiv (siehe Formulierungen wie „die entsprechenden Passagen hinzufügen“ oder „der Hinweis [sollte] ergänzt werden“). Hier bewirkten die konkreten Vorschläge und die Bereitschaft zur Einigung, dass der Artikel verbessert wurde. Nach diesem konstruktiven und sachlichen Austausch zwischen Verfasser, Antragssteller und weiteren Nutzer*innen wurde der Löschantrag zurückgezogen, wodurch der Artikel erhalten blieb. Dies ist ein Beispiel dafür, dass die Selbstorganisation auf der Wikipedia funktioniert (S. 155-157).

Das zweite Beispiel betrifft einen Software-Artikel. Schon zu Beginn verlagerte sich die Diskussion auf eine persönliche Ebene, da die Antwort auf die ironische Formulierung des Antragsstellers „Rezeption? Verbreitung? Nichts zu erkennen – ein unaussprechlicher Name reicht nicht“ auf dessen persönliche Ebene vorrückte, mit Formulierungen wie „hast du gerade nichts Besseres zu tun […]“. Folglich wurde der Antragssteller persönlich angegriffen, da ihm der Nutzer unterstellte, ohne Begründung löschen zu wollen.

In diesem Fall liegt keine Kooperationsbereitschaft der Nutzer*innen vor. Weitere Diskussionspunkte zielten auf die Qualität der Wikipedia ab, dabei wurde dies fortfolgend auf der persönlichen Ebene diskutiert und Konfrontationen wurden gesucht. Schlussendlich kamen die Administratoren zu der Entscheidung, den Artikel zu löschen, dennoch ist es fraglich, ob die Diskussion eine Löschung rechtfertigt, da diese nicht auf sachlicher Ebene stattgefunden hat. Aufgrund der Uneinigkeit scheiterte die Selbstorganisation, in solchen Fällen wäre es nötig, auf eine übergeordnete Instanz zurückgreifen zu können (S.155, 158-160).

Zusammenfassend äußert sich Hanauska, dass diese Beispiele die Diskussionen in der Wikipedia veranschaulichen sollen. Dabei stellt sie auch dar, dass es immer auf die Diskussionsteilnehmer in der Wikipedia ankommt und folglich die Selbstorganisation durch die Wikipedianer ermöglicht werden kann. Dementsprechend liegt das Scheitern und Gelingen der Selbstorganisation ganz bei den Nutzer*innen.

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