Mittwoch, 26. Mai 2021

Wikipedia und Wissen in der Postmoderne

In diesem Beitrag stellt Patrik Lehmann folgenden Aufsatz vor:

Brandt, Dina (2009): Postmoderne Wissensorganisation oder: Wie subversiv ist Wikipedia?; in: LIBREAS. Library Ideas, Jg. 14 (2009), S. 4-18. DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/4070.

Der Aufsatz von Dina Brandt beschäftigt sich mit der Wissensorganisation in der postmodernen Gesellschaft und versucht dies anhand von Wikipedia näher zu erläutern. Wie spiegelt sich die Auffassung von Wissen in der postmodernen Gesellschaft in Wikipedia wider? Zunächst einmal muss geklärt werden, wie Wissen zu betrachten ist.

Der Auffassung von Berger und Luckmann nach entsteht Wissen durch „zeitlich und kulturell bedingte soziale Interaktionsprozesse“. Das bedeutet, dass der Anspruch auf Wahrheit von Wissen sich erst in einem lokalen, interaktionalen Kontext ergeben kann (S. 4). Da die postmoderne Gesellschaft einer Ausdifferenzierung und einer starken Pluralisierung unterliegt, werden die Wissensbestände auch immer komplexer und größer. Darüber hinaus stellt Wissen in der Postmoderne auch eine wichtige Quelle der Wertschöpfung, neben Arbeit und Kapital, dar.

Diese Pluralisierung macht auch die Wikipedia aus. Bei Wikipedia handelt es sich um eine Web 2.0-Anwendung, das heißt die Nutzer der Plattform selber können die Inhalte bestimmen. Bei Wikipedia kann also jeder einen neuen Eintrag anlegen, Einträge bearbeiten oder löschen (S. 6). Zwar haben sich seit der Entstehung einige Grundprinzipien entwickelt, dies führt jedoch nicht dazu, dass garantiert werden kann, dass die Artikel als „richtig“ erachtet werden können.

Die von vielen geschätzte freie Produktion und der freie Zugang zu Wissen birgt in der Umsetzung aber einige Probleme. Ein Problem besteht darin, dass nur durch die Masse der Wikipedianer Fehler entdeckt werden können, aber es gibt keine Garantie dafür, dass dies auffällt (S. 10). Selbst wenn diese Fehler entdeckt und korrigiert werden würden, könnten innerhalb von wenigen Sekunden Beiträge auch wieder „falsch“ umgeschrieben werden.

Wer hat also das Recht zu entscheiden, was als „richtig“ oder „falsch“ betrachtet wird? Früher waren es die Herausgeber, welche diese Aufgabe übernommen und auch entschieden haben, welches Wissen dokumentiert und archiviert wird. Dies hat sich in der postmodernen Gesellschaft aber geändert, wie man anhand von Wikipedia gut beobachten kann (S. 12). Durch die Gleichberechtigung in der Wikipedia ist das Kernproblem also immer die Veränderung bereits ausgehandelter und bestehender Artikel (S. 14). Inwieweit kann Wikipedia also als Referenz dienen, wenn das was gestern dort stand, heute dort vielleicht nicht mehr steht?

Das Wikipedia-Prinzip der Offenheit spiegelt der Meinung der Autorin nach einen „faktisch vollzogenen, weiteren Schritt in der Kapitulation vor der Komplexität unserer Welt“ wider (S. 14). Die Autorin stellt sich also die Frage: „Ist eine Selektion und Strukturierung des Gewussten angesichts unserer gesellschaftlichen Realität der „Parallelwelten“ und pluralistischen Lebensweisen überhaupt noch zu erreichen oder gar wünschenswert?“ (S. 14).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen