Mittwoch, 11. August 2021

Soziale Medien im Wahlkampf

Unser Alltag ist geprägt von Sozialen Netzwerken. Wir benutzen sie täglich, ob als Zeitvertreib, zur Kommunikation oder für Informationen und Nachrichten. Wer sich für Politik interessiert und auf diversen Sozialen Netzwerken unterwegs ist, dem wird aufgefallen sein, dass Parteien und Kandidat*innen diese immer häufiger nutzen. Nicht nur bei großen Wahlen, auch auf kommunaler Ebene werden sie immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt für das wahlpolitische Geschehen.

Durch die Corona-Pandemie wird dieses Verhalten verstärkt, denn die klassischen Wahlkampfstände und -veranstaltungen sind nur in kleinerem Rahmen möglich. Auch „Fachleute sind sich einig, dass der Wahlkampf in den sozialen Medien gerade auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie im Wahljahr 2021 mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl Ende September 2021 ein noch bedeutenderer Erfolgsfaktor sein wird“ (Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2021). Gerade deshalb ist das Thema des digitalen Wahlkampfs aktuell so spannend.

Klassischer vs. digitaler Wahlkampf

Zum klassischen Wahlkampf zählen Haustürgespräche, Wahlkampfveranstaltungen, Wahlplakate, Werbespots im Rundfunk oder Fernsehduelle. Doch seit einigen Jahren gibt es noch eine weitere Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen - das Internet. Vor allem Soziale Netzwerke werden gerne dazu benutzt, um die Wähler*innen zu erreichen.

Barack Obama revolutionierte den Wahlkampf mit seiner Online-Kampagne 2008 (vgl. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2021). Zwar ist das Ausmaß des Online-Wahlkampfs in den USA nicht vergleichbar mit dem hierzulande, jedoch wird immer mehr Geld, Zeit und Personal in die digitalen Kampagnen der deutschen Parteien investiert (vgl. ebd.).

Digitaler Wahlkampf ist ein fester Bestandteil und nicht mehr wegzudenken in den Wahlkampfstrategien. Klassischer und digitaler Wahlkampf verschmelzen immer mehr miteinander. Beispielsweise werden Wahlkampfveranstaltungen im Internet und auf Sozialen Medien gerne live übertragen, um mehr Publikum zu erreichen. Bei Kampagnen über soziale Medien muss allerdings beachtet werden, dass diese unterschiedlichen Kommunikationslogiken folgen, somit muss dies in der Wahlkampfstrategie berücksichtigt und an die entsprechenden Formate angepasst werden (vgl. ebd.).

Einer der gravierendsten Unterschiede zwischen klassischem und digitalem Wahlkampf ist die erweiterte Messbarkeit politischer Verhaltensweisen und Einstellungen. Informationen über Unterstützer*innen und Wähler*innen sind dank umfangreicher Datenbanken leichter zu sammeln. Durch Messungen der Kampagnenaktivität und der Interessen der Unterstützer*innen wird die Kampagnenorganisation immer präziser (vgl. Jungherr 2017).

Microtargeting

Für genau diese präzisere Kampagnenorganisation werden vermehrt finanzielle und personelle Ressourcen für Microtargeting bereitgestellt (vgl. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2021).

„Microtargeting heißt zunächst einmal ‚sehr präzises Zielen‘ und meint im digitalen Kontext personalisierte Werbung für eine ganz bestimmte Zielgruppe“ (ebd.).

Durch soziodemografische und sozioökonomische Daten werden solche Zielgruppen erfasst und dann speziell für diesen Personenkreis zugeschnittene Werbung geschaltet. Die Kampagne wird durch die verschiedenen Interaktionen der Nutzer*innen weiter abgestimmt, so beeinflussen deren Reaktionen Inhalt und Form weiterer Wahlwerbung.

Mit Microtargeting ist es den Parteien außerdem möglich, ihre politischen Gegner bei deren potenzieller Wähler*innenschaft mit gezielten Anzeigen und Falschmeldungen schlecht darzustellen. Dies wird auch als negatives Microtargeting bezeichnet und war beispielsweise im US-Wahlkampf 2020 stark verbreitet (ebd.).

Datenschutz

Jedoch haben es die deutschen Parteien nicht ganz so einfach. Im Vergleich zur US-amerikanischen Gesetzgebung wird in Deutschland durch die geltenden Datenschutzrichtlinien die Sammlung und Aufbereitung von persönlichen Daten viel stärker begrenzt. Allerdings stehen im Bereich sozialer Netzwerke viele Daten zur Verfügung, die man unter Berücksichtigung der deutschen Datenschutzrichtlinien beim Microtargeting nutzen darf (vgl. Papakyriakopoulos et al. 2017, S. 328-329).

„Solange die Nutzer eigenständig Informationen über ihre politischen und sonstigen Präferenzen veröffentlichen und ihr politisches Verhalten offenbaren, ist eine Analyse dieser Daten legitim“ (Papakyriakopoulos et al. 2017, S. 329).

Die Rechtslage lässt das Erfassen und Auswerten von Daten zu, solange die Daten von öffentlicher Seite stammen und dabei keine verschiedenen Datenquellen kombiniert werden (vgl. Papakyriakopoulos et al. 2017, S. 329).

Antworten auf negatives Microtargeting

Gerade in sozialen Medien ist die Grenze zwischen Information und Wahlwerbung oft nicht erkennbar. Aufgrund dieser Intransparenz haben Vertreter*innen mehrerer Online-Plattformen, darunter auch Facebook, einen freiwilligen Verhaltenskodex für Desinformationen mit der Europäischen Kommission unterzeichnet. Jedoch wird dieser Kodex von vielen Fachleuten aufgrund seiner Freiwilligkeit und der schwammigen Formulierung kritisiert (vgl. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2021). Eine weitere Antwort auf den Missbrauch von Microtargeting war die Einführung der Facebook Ad Library im Jahr 2019. Zur Einflussnahme auf Wahlen gibt Facebook an:

„Transparenz hat für uns oberste Priorität, um die Einflussnahme auf Wahlen zu vermeiden. Deshalb findest du in der Werbebibliothek zusätzliche Informationen über diese Art von Werbung, zum Beispiel wer eine Anzeige finanziert hat, wie viel dafür ausgegeben wurde, und wie groß die Reichweite der Anzeige in verschiedenen demografischen Gruppen war. Wir speichern diese Anzeigen sieben Jahre lang in der Bibliothek“ (Facebook 2021b).

Ein zum Thema passendes Video: "Online-Wahlkampf: Die Strategien der Parteien" vom Medienmagazin ZAPP des NDR. Mit besonderem Bezug auf Microtargeting ab Minute 14:49 bis 19:07:


Soziale Medien als Nachrichtenquelle

Wie wichtig soziale Medien sind, wenn es um das Thema Nachrichten geht, lässt sich anhand des ‚Digital News Report‘ des Hans-Bredow-Instituts erkennen. Laut dem Bericht ist das Nachrichteninteresse der erwachsenen deutschen Internetnutzer stabil auf einem hohen Niveau. 94 Prozent nutzten 2020 mehrmals pro Woche die Online-Nachrichten Das Interesse der 18- bis 24-Jährigen stieg um 7 Prozentpunkte auf 50 Prozent und bei den 24- bis 34-Jährigen um 9 Prozentpunkte auf 66 Prozent an.

Die klassischen Nachrichtenquellen, wie beispielsweise das Fernsehen, werden noch immer am häufigsten genutzt, jedoch ist ein Anstieg bei den Sozialen Medien als Nachrichtenquelle zu verzeichnen. 2020 wurden Soziale Medien von 37 Prozent der Befragten als Quelle für Nachrichten genutzt. Die befragten 18- bis 24-Jährigen nutzten 2020 zu 56 Prozent soziale Medien als Nachrichtenquelle, 30 Prozent gaben soziale Medien sogar als ihre wichtigste Nachrichtenquelle an (vgl. Höllig/Hasebrink 2020, S. 6). Bürger*innen, die an Nachrichten interessiert sind, sind schätzungsweise auch stark an Politik interessiert.

„Der Anteil der erwachsenen Onliner, die sich für Politik interessieren, ist im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr 2019 um drei Prozentpunkte auf 52 Prozent gewachsen […] Unter den 25- bis 34-jährigen Internetnutzern in Deutschland sagen in diesem Jahr 44 Prozent, dass sie sehr oder überaus an Politik interessiert sind. Das sind sieben Prozentpunkte mehr als 2019“ (Höllig/Hasebrink 2020, S. 14).

Aufgrund dieser Zahlen ist es sehr verständlich, warum soziale Medien für den Wahlkampf interessant sind. Viele Bürger*innen nutzen soziale Netzwerke als Nachrichtenbezugsquelle, interessant ist dabei, dass für politische Infos auch gerne direkt Fraktionen, Parteien oder den Politiker*innen selbst gefolgt wird.

Parteien auf Facebook

Facebook hat mit 2,85 Mrd. aktiven monatlichen Nutzer*innen weltweit eine enorme Reichweite. 68 Prozent der 20- bis 29-Jährigen in Deutschland nutzen Facebook (vgl. Statista 2021). Es ist also nicht verwunderlich, dass auch Parteien und Politiker*innen Facebook für ihre Zwecke nutzen.

Facebook-Fans

Laut einer Recherche der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg hat die AfD 512.000 Facebook-Fans und damit mit Abstand die meisten unter den deutschen Parteien. Am zweitmeisten hat die Linke mit 249.000 Facebook-Fans, danach die Grünen mit 206.000, gefolgt von der CDU mit 196.000 und der SPD mit 192.000. Das Schlusslicht bildet die FDP mit 150.000 Fans auf Facebook (vgl. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2021). Genauere Einblicke in die Vorgänge beim Wahlkampf mit Facebook bringt eine Analyse der digitalen Wahlkampfstrategien zur Europawahl 2019 in Deutschland und Österreich der Friedrich Ebert Stiftung.

Interaktionsraten

„Die AfD schaffte es im Verlauf des gesamten Wahlkampfes am besten, ihre Themen fast ausschließlich über organische Metriken auf Facebook zu verbreiten“ (Brodnig et al. 2019, S. 12).

Sie schaffte es 84 Mal, unter die ‚Top 100 Partei-Postings‘ mit den meisten Interaktionen zu kommen. Das erfolgreichste Posting der AfD schaffte es auf 25.314 Interaktionen, vergleichend dazu schaffte es das erfolgreichste Posting der CDU auf 15.290 und das der SPD auf nur 7.985 (vgl. Brodnig et al. 2019 S. 12). Wie man sieht, ist die AfD auch beim Thema Interaktionsraten Spitzenreiter. Pro Facebook-Posting erhielt die AfD im Durchschnitt 1.800 Shares, 2.500 Likes und ca. 1000 Kommentare. Die anderen Parteien erreichten durchschnittlich nur einen Bruchteil dieser Werte, am wenigsten die CDU mit 313 Likes pro Posting (vgl. Brodnig et al. 2019, S. 16).

Dialogfähigkeit und Antwort

„Social Media lebt von Dialog, die Dialogfähigkeit gehört zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren der Kommunikation auf Facebook“ (Brodnig et al. 2019 S. 22).

Deshalb ist eine aktive Community sehr wichtig. Die AfD hat eine solche und erhielt während der Europawahl 2019 mit Abstand die meisten Kommentare auf Facebook. Während die CDU mit 42.434 Nutzer*innen-Kommentare am zweitmeisten erhielt, schaffte es die AfD auf 141.102 Nutzer*innen-Kommentare. Die wenigsten erhielten die Linke (13.680) und die CSU (9.289).

Dialog lebt von Kommentaren beider Seiten. Die FDP hat unter den Parteien die meisten eigenen Kommentare verfasst. Sie zeigt, was ein eingespieltes Community-Management erreichen kann. Mit 1.613 eigenen Kommentaren und 15.504 Nutzer*innen-Kommentaren erreicht die FDP eine Antwortquote von 10,4 %. Mit 97 eigenen Kommentaren der AfD und 48 von Seiten der CDU, schaffen es die beiden Parteien auf eine Dialogquote von geraden mal 0,1 %. Trotz weniger eigener Kommentare der AfD blieben etliche Nutzer*innen bis zum Ende motiviert und halfen dabei, die Postings in die Breite zu tragen (vgl. Brodnig et al. 2019, S. 22).

Reaktionen

Mit ‚Reactions‘ zeigen Nutzer*innen von Sozialen Netzwerken ihre Emotionen zu Beiträgen. Auf Facebook diente dazu lange Zeit ein einfacher Like-Button. Mit diesem können Nutzer*innen zeigen, dass ihnen etwas gefällt oder sie einen Beitrag unterstützen. Facebook erweiterte vor einigen Jahren diesen Like-Button um fünf sogenannte ‚Reactions‘. So konnte man 2019 neben einem Like auch mit ‚Wütend‘, einem ‚Haha‘, ‚Love‘, ‚Traurig‘ und einem ‚Wow‘ reagieren (vgl. Brodnig et al. 2019, S. 23).

Neuestens gibt es außerdem noch eine Umarmung als Reaktion. Wenn man etwas mit einem like markiert, werden von Facebook weiterhin ähnliche Inhalte angezeigt (vgl. Facebook 2021a). Das Reaktionsverhalten bestimmt also maßgeblich, welche Inhalte man sieht und welche nicht. Das funktioniert nicht nur mit Likes. Facebook gibt an:

„Beiträge mit vielen ‚Wütend‘-Reaktionen können zu negativen Erlebnissen auf Facebook beitragen. Wir nutzen ‚Wütend‘-Reaktionen, um Inhalte zu beurteilen und ihr Ranking im News Feed zu bestimmen, um solche negativen Erlebnisse zu reduzieren. Wenn wir z.B. einen Beitrag mit vielen ‚Wütend‘-Reaktionen sehen, kann dies Einfluss darauf haben, ob er anderen Nutzern angezeigt wird“ (Facebook 2021a).

Mit dem Wissen über die Auswirkungen von Reaktionen der Facebook Nutzer*innen kommt die Frage auf, welche Parteien für ihre Postings welche und wie viele Reaktionen erhalten haben. Die meistgenutzten Reaktionen während der Europawahl 2019 waren die ‚Wütend‘-, ‚Haha‘- und ‚Love‘-Reaktion.

  • Mit Abstand die meisten ‚Wütend‘-Reaktionen erhielten Postings der AfD mit 71,8 %, die meisten ‚Wütend‘-Reaktionen der anderen Parteien erhielt die CSU mit 24,6 % und am wenigsten die Postings der FDP mit 13,1 %.
  • Bei den ‚Haha‘-Reaktionen liegen CDU und CSU mit über 67 % vorn, gefolgt von SPD mit 51,1 %. Absteigend geht es weiter mit FDP (35,1 %), B90/ Die Grünen (28 %), Die Linke (23,6 %) und endet mit der AfD (11,2 %).
  • Die ‚Love‘-Reaktion wird von den Nutzer*innen am unterschiedlichsten genutzt. Während die Liste angeführt wird von den Grünen (50,8 %), der FDP (46,3 %) und der Linken (44,5 %), bedient die SPD das Mittelfeld mit 29,7 % ‚Love‘-Reaktionen. Weit zurück liegen hierbei die AfD (8,6 %), CDU (5,6 %) und das Schlusslicht bildet die CSU mit 4,1 % (vgl. Brodnig et al. 2019, S. 23).

Beitragstypen / Medienformate

In ihren Postings nutzten die Parteien im digitalen Wahlkampf zur Europawahl 2019 auf Facebook unterschiedliche Beitragstypen (Foto, Video, Link, Status und Notiz). Die Analyse der Medienformate zeigt, dass auch für Parteien Videoinhalte auf Social Media immer wichtiger werden (vgl. Brodnig et al. 2019, S. 27).

„Am stärksten setzte Die LINKE mit 61,4 % aller Postings auf Video, gefolgt von der CDU (46,1 %) und den Grünen (44,2 %). Aber auch bei allen anderen Parteien war mindestens jedes fünfte Posting ein Video“ (Brodnig et al. 2019, S. 27).

Fotos sind jedoch weiterhin die meistgenutzten Medienformate der Parteien. Allein 73 % der CSU-Inhalte bestanden aus Fotos, darunter Grafiken und Sharepics. Auch SPD und FDP nutzten in über 60 % ihrer Inhalte Fotos. Die hohe Nutzungsrate von Fotos und Videos ist nicht verwunderlich.

„Auffällig ist die geringe Foto-Quote bei der Linken, dort war nur gut jedes fünfte Posting ein Foto. Alle anderen Medienformate spielten parteiübergreifend im Formate-Mix keine große Rolle. Lediglich [..] LINKE und AfD setzten noch etwas stärker auf Postings mit ausschließlich Links und ohne weitere Medienformate“ (Brodnig et al. 2019, S. 27).

Parteiausgaben für Werbung auf Social Media

Die Zahlen der Interaktionsraten und Reaktionen auf Postings von Parteien sind nicht unwesentlich. Die meisten Parteien geben Geld für Werbeanzeigen auf sozialen Netzwerken aus, wie viel, ist dabei jedoch ein gewaltiger Unterschied. NETZPOLITIK.ORG hat eine Analyse des Facebook-Werbereports vom 27. April bis 26. Mai 2019 erstellt. Dafür wurden die Ausgaben der Bundesaccounts der Parteien, die von regionalen Accounts und einzelner Politiker*innen zusammengerechnet.

An der Spitze der Werbeausgaben während der Europawahl stehen die Grünen mit Gesamtausgaben von 545.525 €. Allein die Ausgaben des Bundesaccounts der Grünen belaufen sich auf 208.259 € und damit sind sie noch lange nicht so hoch wie die der Union. Zwar hat die CDU/CSU weniger Gesamtausgaben (447.269 €), dafür haben beide Bundesaccounts 360.826 € für Werbung ausgegeben.

Damit haben die Bundesaccounts von CDU und CSU jeweils mehr in Werbung auf Facebook investiert als die gesamte SPD im gesamten Wahlkampf. Deren Gesamtausgaben belaufen sich auf 329.567 €, davon gehen 181.401 € auf das Konto ihres Bundesaccounts. Die FDP gab insgesamt etwas mehr als 200.000 € aus, davon gut die Hälfte über den Bundesaccount.

Weit weniger gaben Linkspartei und AfD für Facebook-Werbung aus. Die Linke investierte insgesamt 51.266 €, davon 33.972 € über den Bundesaccount. Damit liegen die Ausgaben des Bundesaccounts der Linkspartei immer noch höher als die Gesamtausgaben der AfD. Diese gaben nur 32.376 € insgesamt und nur 20.792 € über den Bundesaccount aus (vgl. Dachwitz/ Mrohs 2019).

Interessant ist, wie strategisch Investitionen für Facebook-Werbung gemacht wurden. Das meiste Geld wurde in der Woche vor der EU-Wahl ausgegeben. Die Linke schaltete in den letzten Tagen für 15.280 € Werbung. Beim Grünen Bundesaccount fiel mehr als die Hälfte der Werbeausgaben auf die Woche vor der Wahl. Auch die Union investierte in den sieben Tagen vor der Wahl mit 165.122 € knapp die Hälfte der Gesamtausgaben der Bundesaccounts. So auch ähnlich bei der SPD (vgl. Dachwitz/Mrohs 2019).

Dieses Bild verschiebt sich nun aber aufgrund der Corona-Pandemie. Vorher mussten kurz vor der Wahl noch viele unentschlossene Wähler*innen geworben werden. Jedoch wird durch die Pandemie mit einem massiven Anstieg der Nutzung von Briefwahl bei der Bundestagswahl gerechnet. Ein wunderbares Beispiel ergibt sich aus der Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg. Hier hat sich die Zahl der Briefwähler*innen im Vergleich zur Landtagswahl 2016 mehr als verdoppelt. 51,3 Prozent stimmten 2021 per Briefwahl ab, 2016 waren es nur 21 Prozent (vgl. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2021).

Es ist selbsterklärend, dass die Budgets der Parteien bei der Bundestagswahl größer ausfallen werden, hier soll nur angemerkt werden, dass die Grünen für die kommende Bundestagswahl schon eine Verdopplung der Ausgaben fürs Digitale auf 2,5 Millionen € angekündigt haben (vgl. ebd.).

Erfolgsfunktionen des digitalen Wahlkampfs

Es gibt vier Erfolgsfunktionen, die der Wahlkampf im Internet erfüllen sollte, nämlich die Informations-, Vernetzungs-, Teilhabe- und Mobilisierungsfunktion.

  • Informationsfunktion: Gerade soziale Netzwerke sind wie dafür gemacht, um sich ein digitales Image aufzubauen. Parteien und Kandidierende können hier gezielt Informationen über politische Inhalte und die eigene Person teilen. Alles ist möglich, vom Ansprechen von Nischenthemen bis hin zu breit diskutierten Themenfeldern. Wichtig dabei sind regelmäßige Beiträge, um die eigenen Standpunkte im Vergleich zu den Mitbewerber*innen klarzustellen. Nutzer*innen von sozialen Netzwerken suchen meist nicht gezielt nach Parteien, sondern eher nach Themen und Interessen. Durch dieses Suchverhalten und die Interaktion mit Freunden bauen sie sich so einen persönlichen Nachrichtenraum auf. Über Algorithmen werden dann Empfehlungen in diesen Nachrichtenraum gespült. Für Parteien und Kandidierende gilt es mit ihren Botschaften in diesen Nachrichtenraum zu gelangen. Es ist nicht wie an einem Infostand, an dem man gezwungenermaßen vorbeiläuft. In den Sozialen Medien müssen die Parteien zur Wählerschaft durchzudringen versuchen (vgl. ebd.).
  • Vernetzungsfunktion: Soziale Medien haben eine ausgezeichnete Vernetzungsfunktion. Nie war es einfacher, sich als Partei oder als Wahlkämpfer*in untereinander, mit Parteifreunden und einer potenziellen Wählerschaft zu vernetzen (vgl. ebd.). Durch diese Vernetzung kann der politische Diskurs erweitert und die Kommunikation von Politik und Bevölkerung verbessert werden. Gerade unbekanntere Kandidierende können durch aktives Auftreten im Netz stark von der Vernetzung profitieren. Diese Vernetzungsstärke lässt sich anhand der Anzahl der Follower und Fans ermitteln (vgl. ebd.).
  • Teilhabefunktion: „Mit der Vernetzungsfunktion geht die Teilhabefunktion einher, sprich wie viele Fans und Follower die veröffentlichten Beiträge lesen (sogenannte „Views“) oder liken und so passiv an einer Diskussion oder einem Thema teilhaben“ (ebd.).
  • Mobilisierungsfunktion: Jedoch reicht die Anzahl der Follower und Fans allein nicht aus. Denn bei Social Media geht es vor allem um das Liken, Teilen oder Kommentieren von Beiträgen. Wichtig ist also, die Follower und Fans zu aktiven Handlungen zu bewegen. Je mehr gelikt, geteilt und kommentiert wird, desto höher stufen die Algorithmen der Plattformen die Beiträge ein und desto höher wird die Reichweite der Beiträge. Und das ist schließlich das Ziel, so viele Personen wie möglich zu erreichen und am besten dazu zu bringen, sich als Wahlhelfer*innen mit einzubringen oder natürlich bei der Wahl für sie zu stimmen (vgl. ebd.). Eine ausführlichere Betrachtung dieser Erfolgsfunktionen während der Bundestagswahl 2017, auch mit Blick auf andere soziale Netzwerke, findet man in einer Studie der Quadriga Hochschule Berlin.

Learnings des Digital Campaigning

Außerdem wurden in dieser Studie sogenannte Learnings für digitale Wahlkämpfe formuliert. Die wichtigsten sind hier aufgelistet:

  • Verschmelzen der Welten: Man darf das Digitale und das Analoge nicht getrennt voneinander betrachten. Durch das Integrieren des Digitalen in die Kampagne und das Nutzen von digitalen Instrumenten für die Kampagne verschmelzen die digitale und analoge Welt miteinander (vgl. Voigt/Seidenglanz 2017, S. 85-86).
  • Echtzeit-Wahlkampf: Die Kommunikation der Kampagnen beschleunigt sich durch das Internet enorm. Während Veranstaltungen und Wahlkampfauftritte live gestreamt werden, erfolgen die Reaktionen und Kommentare in Echtzeit. Alles wird auf Social Media begleitet und vermittelt den Bürger*innen somit den Eindruck, hautnah dabei zu sein. Außerdem entwickelt sich durch die Messung und Auswertung der Stimmung in Echtzeit ein nahezu synchroner Feedbackkanal. So kann die Kampagne permanent optimiert werden (vgl. Voigt/Seidenglanz 2017, S. 86-87).
  • Plattformvielfalt: Die Zahl digitaler Kanäle nimmt immer weiter zu, also muss man sinnvoll auswählen, welche dieser Kanäle man wie nutzt, um die besten Ergebnisse zu erzielen (vgl. Voigt/Seidenglanz 2017, S. 87).
  • Kultivierung der Fanbase: Auch online ist es wichtig, eine Gemeinschaft aufzubauen, denn alles läuft über soziale Gruppen, sowohl die Informationsweitergabe als auch die Mobilisierung. Bürger werden direkt in die Kampagne miteingebunden und sollen sich beteiligen. Das geht vom Ändern des Profilbildes bis hin zum Mobilisierungsaufruf an Freunde und Bekannte (vgl. Voigt/Seidenglanz 2017, S. 88).
  • Homebase und Homeless Media: Früher stand die eigene Webseite im Vordergrund und auch heute ist sie immer noch die Homebase der politischen Kommunikation. Mit Homeless Media sind die sozialen Netzwerke gemeint, hier hält sich die Zielgruppe auf. Ein Zusammenspiel von Webseite und sozialen Plattformen ist also sehr wichtig. Hier gilt es zu beachten, wo und wie welcher Content verbreitet wird. Die Inhalte müssen dementsprechend zugeschnitten werden. Wenn das gelingt, führt es zu einer hohen Reichweite (vgl. Voigt/Seidenglanz 2017, S. 89-90).
  • Aufmerksamkeit wird mit Geld und Daten erkauft: Die Aufmerksamkeit im Internet schwindet und der Feed wird schnell unübersichtlich. Um im Kampf um die Mehrheit im Netz und gegen das Untergehen im Feed zu gewinnen, müssen sich Parteien die Aufmerksamkeit erkaufen. Doch um nicht unnötig Geld auszugeben, müssen sie sich genaustens überlegen, wofür sie Geld ausgeben. Um die eigene Kommunikation effizienter und effektiver zu gestalten, wird es immer wichtiger, gesammeltee Daten noch schneller und genauer zu analysieren und auszuwerten (vgl. Voigt/Seidenglanz 2017, S. 90-91).
  • Legislatur der digitalen Disruption: „Der Parlamentarismus gewinnt mit der digitalen Kommunikation an Beteiligungsmöglichkeiten und dem dialogischen Bürgerkontakt. Das Digitale ist Teil des Politischen geworden. Das gilt einerseits, wenn es um die Inhalte geht, wo es eine digital denkende Gesetzgebung braucht […]. Andererseits wächst die Teilhabe, wenn es um Petitionen, Diskurse über Gesetze oder neue Initiativen geht“ (Voigt/Seidenglanz 2017, S. 94).

Fazit

Der digitale Wahlkampf ist nicht mehr wegzudenken und vollkommen in der deutschen Parteienlandschaft angekommen. Jede Partei nutzt soziale Medien und die meisten geben zunehmend Geld für ihre digitalen Kampagnen aus. Diese werden immer effektiver und zielgerichteter. Der digitale Wahlkampf birgt dennoch Schattenseiten, diese gilt es zu beheben um einen allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Ablauf der Wahlen zu sichern. Die Pandemie hat den digitalen Wahlkampf in ein anderes Licht gerückt und neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen geschaffen. Wir werden sehen, wie mit diesen bei der Bundestagswahl 2021 und in kommenden Wahlen umgegangen wird.

Literaturverzeichnis

  • Brodnig, Ingrid / Fuchs, Martin / Hammer, Luca / Holnburger, Josef (2019): Wie funktioniert Social-Media-Wahlkampf?, in: Demokratie und Menschenrechte, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung.
  • Dachwitz, Ingo / Mrohs, Lorenz (2019): Zahlen, bitte (II). Alle Werbeausgaben der Parteien bei Facebook, in: NETZPOLITIK.ORG [online] https://netzpolitik.org/2019/zahlen-bitte-ii-alle-werbeausgaben-der-parteien-bei-facebook/ [25.06.2021].
  • Facebook (2021a): „Gefällt mir“-Angaben und Reaktionen zu Beiträgen, [online] https://www.facebook.com/help/1624177224568554/%E2%80%9Egef%C3%A4llt-mir%E2%80%9C-angaben-und-reaktionen-zu-beitr%C3%A4gen/?helpref=hc_fnav [04.06.2021].
  • Facebook (2021b): Was ist die Facebook-Werbebibliothek und wie kann ich sie durchsuchen?, [online] https://www.facebook.com/help/259468828226154 [07.08.2021].
  • Höllig, Sascha / Hasebrink, Uwe (2020): Reuters Institute Digital News Report 2020. Ergebnisse für Deutschland. Arbeitspapiere der Hans-Bredow-Instituts, Projektergebnisse Nr. 50. Hamburg: Hans-Bredow-Institut.
  • Jungherr, Andreas (2017): Einsatz digitaler Technologie im Wahlkampf [online] https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/medienpaedagogik/medienkompetenz-schriftenreihe/257600/einsatz-digitaler-technologie-im-wahlkampf [31.07.2021].
  • Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (2021): Digitaler Wahlkampf, Auf Stimmenfang im Netz, [online] https://www.lpb-bw.de/wahlkampf-digital [26.05.2021].
  • Papakyriakopoulos, Orestis / Shahrezaye, Morteza / Thieltges, Andree et al. (2017): Social Media und Microtargeting in Deutschland. Informatik Spektrum 40, 327–335.
  • Statista (2021): Facebook Inc.: Zahlen und Daten zum kalifornischen Social Media-Imperium, [online] https://de.statista.com/themen/138/facebook/ [28.05.2021].
  • Voigt, Mario / Seidenglanz, René (2017): Digital Campaigning in der Bundestagswahl 2017. Implikationen für Politik und Public Affairs. Berlin: Quadriga Hochschule Berlin.

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