Sonntag, 20. Januar 2013

Politische Partizipation in Zeiten des Web 2.0 - Von E-Governance bis "Facebook-Revolution"

Begriffliche Definitionen im Wirrwarr der "E-Termini"

Als E-Government wird die „schwächste“ Form der Einbeziehung des Internets in politische Prozesse bezeichnet, denn der Begriff umfasst zunächst nur die elektronische Abwicklung der Prozesse von Verwaltung und Regierung (Kneuer 2012: 32). E-Government stellt sich als bürgerfreundliche Verwaltungsdienstleistung dar – sie ist effektiver als die traditionellen analogen Verwaltungsverfahren, weil kostengünstiger, und macht zugleich mehr Transparenz möglich.

Unter E-Governance versteht man Verfahren, bei denen neben staatlichen auch nicht-staatliche Akteure in politische Prozesse miteinbezogen werden. Dies geschieht hauptsächlich mit dem Ziel themenorientierter Problemlösung auf kommunaler Ebene. 

E-Demokratie (oft auch Digitale Demokratie) gilt zum einen als Überbegriff für Demokratiemodelle, in denen Mitwirkungsmöglichkeiten über das Internet vorhanden sind. Zum anderen werden unter dem Begriff aber auch demokratietheoretische Ansätze verstanden, die Computernetzwerken zentrale Aufgaben im politischen System zuordnen. Der Begriff E-Demokratie beschreibt hier demokratische Prozesse und Strukturen zwischen BürgerInnen und Staat. Ziel dieser Ansätze ist die Ermöglichung von mehr Partizipation der Bürger und die Reform der repräsentativen Demokratie.

E-Demokratie auf der einen sowie E-Government und E-Partizipation auf der anderen Seite folgen derselben hierarchischen Abstufung wie auch Demokratie, Regierung und Bürgerbeteiligung in der „analogen“ Welt (Roleff in ApuZ 7/2012: 16). 

Cyberdemocracy steht für die Vision von der Errichtung einer athenischen partizipativen Demokratie im Zeitalter der Digitalisierung, was im Endeffekt die repräsentative Demokratie durch eine Selbstregierung der Bürger via Netz ersetzen soll (Kneuer 2012: 33). Die Bürger sollen in diesem Modell umfassend und dauerhaft an der Gestaltung der Politik beteiligt sein und in einem virtuellen Raum den gemeinsamen Willen des Demos etablieren (ebd.).

Hoffnungen, Ansprüche und Bedenken gegenüber der E-Demokratie

Je nachdem, welchen Begriff oder welche Definition von E-Demokratie herangezogen wird, bestehen unterschiedliche Hoffnungen in Bezug auf das Potenzial der neuen Medien. Ansätze des E-Governance sehen die Möglichkeit, die repräsentative Demokratie wiederbeleben oder sie zumindest verbessern zu können. Visionen eines neuen Modells von Demokratie, die die virtuelle Agora (zentraler Fest-, Versammlungs- und Marktplatz einer Stadt) und Ekklesia (Volksversammlung in den Städten des antiken Griechenlands) und somit das athenische Ideal der Selbstregierung des Bürger verwirklichen wollen, gehen sogar noch weiter. Sehr anschaulich wird deren Vision (inkl. Liquid Democracy) in diesem Youtube-Video dargestellt.


In Bezug auf demokratische Systeme wird ferner davon ausgegangen, dass die Bürger in Zukunft nicht nur durch Wählen ihrer staatsbürgerschaftlichen Pflicht nachkommen, sondern auch durch voten und posten (Roleff in ApuZ 7/2012: 20).

Was undemokratische oder gar totalitäre Systeme betrifft, so ist in eine neue Debatte um die Wirkung digitaler Kommunikation entfacht worden, welche die schnellere Mobilisierung und Organisation von Protestbewegungen möglich mache (Kneuer 2012: 30). Schlagworte wie „Twitter-“ oder „Facebook-Revolution“ sind meist auf diese Aspekte bezogen (Kneuer 2012: 29). Die Schneeballeffekte, so die Annahme, „erhöhten die Reichweite der Bilder und Aufrufe – auch weil Fernsehsender wie CNN oder Al-Jazeera auf die nutzergenerierten Inhalte zurückgriffen und in ihre eigene Berichterstattung einbanden“ (Schmidt in ApuZ 7/2012: 6). In der Tat hat der Arabische Frühling vielversprechende Projekte hervorbringen können, wie etwa in Marokko die Crowdsourcing-Website www.reforme.ma. Hier wurden Änderungsvorschläge zur Verfassungsreform zusammengetragen (Krüger 2011).

Wirkt das Internet demokratisierend?

Angesichts der Schlagworte „Twitter-“ oder „Facebook-Revolution“ stellt sich die Frage, ob dem Web 2.0 prinzipiell eine demokratisierende Wirkung (sowohl in totalitären als auch in bereits demokratischen Systemen) unterstellt werden kann.

Doch der Fokus auf die angeblich revolutionären sozialen Medien droht zu verdecken, inwieweit gesellschaftlich-kulturelle Strukturen in den arabischen Staaten eher schrittweise und langfristig bestimmte Entwicklungen geprägt haben (Schmidt in ApuZ 7/2012: 6). Denn unbestreitbar ist, dass die sozialen Medien nicht die Ursache der Proteste waren. Der Einsatz der sozialen Medien kann umgekehrt sogar zu repressiven Zwecken benutzt werden. Wer über Facebook und Twitter Proteste und Menschenrechtsverletzungen öffentlich macht, der könnte nach einer gescheiterten Revolte auf diesem Wege als Dissident ausfindig gemacht werden. Festzuhalten bleibt somit: Das Netz nützt Unterdrückern und Unterdrückten. Näheres dazu wird in einem Zeit-Artikel von 2011 diskutiert.

Was weiterhin gegen die demokratisierende Wirkung des Internets spricht, ist die Tatsache, dass auch politisch radikale, undemokratische Standpunkte und Inhalte leichter verbreitet werden können (Schmidt in APuZ 7/2012: 7).

Ein wichtiger Aspekt sind auch Unterschiede bei der Internetnutzung. Menschen mit formal hohem Bildungsgrad nutzen das Netz intensiver als Menschen mit formal niedrigem Bildungsgrad, Reiche eher als Arme und Jüngere mehr als Ältere. Ein Begriff, der die Diskussion um den gleichberechtigten Zugang zum Internet beschreibt, lautet digital divide (Roleff in ApuZ 7/2012: 15). Sehr anschaulich stellt diese Grafik aus einer Studie des TNS-Infratest im Auftrag des Bundespresseamts aus dem April 2012 dieses Phänomen für Deutschland dar.

Darüber hinaus ist bekannt geworden, dass Menschen, die das Internet aktiv zur politischen Meinungsäußerung und Beteiligung in Deutschland benutzen, stärker zur Wahl linker Parteien tendieren (Meister 2013).

Interessant ist angesichts eben genannter Tatsachen, dass in den besagten Ländern, die von der „Facebook-Revolution“ erfasst wurden, die Zahl der Internetanschlüsse verhältnismäßig niedrig ist: „Nur rund dreieinhalb der mehr als zehn Millionen Tunesier verfügen heute über einen Zugang zum Netz. In Ägypten sind es mit einem Fünftel der Gesamtbevölkerung prozentual noch weniger“ (Noll 2011).

Das Internet bietet mit seiner Fülle an Informationen die Möglichkeit eines umfassenden Zugangs zu politischen Inhalten. Doch die politischen Informationen müssen zunächst wahrgenommen werden, ehe sie eine Anschlusskommunikation oder partizipative Handlungen auslösen können. Politische Informationen stellen jedoch keineswegs das Primärinteresse des durchschnittlichen Users des Web 2.0 dar (Hoecker in ApuZ 40/2002). Hoecker wagt sogar die pessimistische These aufzustellen, durch die intensive Verfolgung gerade nicht-politischer Interessen sei mit einer verschärften Konkurrenz für den Bereich der Politik zu rechnen. Längerfristig gesehen würde dabei das politische Interesse in der Bevölkerung eher sinken als ansteigen (Hoecker in ApuZ 40/2002).

Geradezu unerreichbar erscheint angesichts dieser Prognosen das Ziel der politischen Bildung: Der Bürger als Autodidakt, „der sich aus eigenem Antrieb mit anderen zusammenschließt, um die Gesellschaft mitzugestalten“ (Zu Ziele der PB vgl.: Brombach für pb21.de).

Festzuhalten bleibt also, dass das Internet in vielen Punkten eine erweiterte demokratische Teilhabe ermöglichen kann, diese aber eben nicht von allen BürgerInnen in gleichem Maße genutzt werden kann. „E-Demokratie ist insofern nicht nur elektronisch, sondern in gewisser Weise auch exklusiv“ (Roleff in ApuZ 7/2012: 16). 

Das Web 2.0 als politisches Werkzeug

Demokratische Wahlen und Politiker im Internet

In Deutschland sind die Wahlkämpfe noch nicht in dem Maße mit Anwendungen des Web 2.0 verbunden, wie dies in den USA der Fall ist. Ein Grund dafür liegt sicherlich in der Finanzierung. Der Wahlkampf wird hier nicht durch Spenden finanziert, sondern durch Mitgliedsbeiträge und die staatliche Parteienfinanzierung. Des Weiteren verhindern schärfere Datenschutzregelungen das Anlegen von Datenbanken über potenzielle WählerInnen. Diese Datenbanken kombinieren zum Beispiel in den USA Informationen über Konsumgewohnheiten mit dem Wahlverhalten (Schmidt in ApuZ 7/2012: 7).

Barack Obama nutzte bekanntermaßen das Potenzial des Web 2.0 für seinen Wahlkampf besonders. Obama ist auch nach dem Wahlkampf sehr präsent, bspw. auf Facebook. Man findet eine sehr sorgfältig gestaltete Seite mit vielen privaten Informationen. Sehr deutlich ist seine Präsenz in dem sozialen Medium an der Zahl der Likes zu erkennen.

Angela Merkel dagegen schafft es auf Facebook nur auf etwa 226.000 Likes. Doch man erfährt, dass ihre Lieblingssendung der Tatort ist und dass sie gerne Richard Wagner hört. Bemerkenswerterweise gibt die Kanzlerin auf ihrer eigenen Homepage lange nicht so viel Privates preis. Doch dass auch Frau Merkel die sozialen Netzwerke nicht vernachlässigen möchte, zeigt beispielsweise ein Video, in dem sie ihren Facebook-Fans ein frohes Weihnachtsfest wünscht.

Weitere im Netz überdurchschnittlich präsente (Ex-?)Politiker sind Silvio Berlusconi (er bringt es immerhin auf 471.000 Likes) und Karl-Theodor zu Guttenberg, dessen Anhänger mit der bekannten Seite „Wir wollen Guttenberg zurück“ vertreten sind und dem deutschen Ex-Minister damit zu 473.000 Likes verhelfen (etwa gleichauf mit Berlusconi!). Da jedoch beide eben erwähnten politischen Persönlichkeiten überwiegend mit negativen Schlagzeilen in Verbindung gebracht werden, bestätigt sich oben genannte These, dass höchstwahrscheinlich nicht ausschließlich das politische Interesse die Anzahl der Likes begründet.

Ein relativ neues Phänomen in der politischen Parteienlandschaft ist die Piratenpartei, die mit ihrem Konzept der Liquid Democracy neue Wege der Parteipolitik beschreitet. „Die Parteimitglieder können über eine speziell entwickelte Liquid Feedback-Software eigene Anträge einbringen, zur Diskussion stellen und bei ausreichender Unterstützung zur Abstimmung bringen. Zu dem Konzept gehört aber nicht nur die Möglichkeit, sich direkt einzubringen, sondern vor allem auch, seine Stimme zu delegieren, wenn man jemand anderes in einer Frage für kompetenter hält. Damit fließen – daher “liquid” – direkte und repräsentative Demokratie ineinander“(Krüger 2011).

Schließlich ist an dieser Stelle noch das E-Voting zu nennen. Von Wahlen dieser Art wurde in Deutschland bislang jedoch noch kein Gebrauch gemacht. Nicht zuletzt aus dem Grund, weil technische Unsicherheiten und die Manipulationsanfälligkeit von Wahlcomputern noch nicht ausgeschlossen werden können (Roleff in ApuZ 7/2012: 17).

Modelle politischer Partizipation im Web 2.0

Bevor die verschiedenen Modelle politischer Partizipation hier vorgestellt werden, sollen zunächst mögliche Formen der Beteiligung erörtert werden. Nach Wagner/Brüggen ist demnach bereits das Positionieren zu Statements oder die Bekanntgabe der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen als Teil einer Partizipationshandlung zu verstehen (Wagner/Brüggen 2012: 27). Erst an zweiter Stelle nennen die Autoren die Mitwirkung. Zu dieser Form der Partizipation gehörten verschiedene Möglichkeiten des Sich-Einbringens: Das Aufwerfen von Themen, das Diskutieren und das Erhalten von Rückmeldungen auf eigene Statements (Wagner/Brüggen 2012: 28).

Im Sinne dieser Form der Partizipation biete Facebook, so argumentiert Pfeiffer, eine ideale Plattform. Von einem „hierarchiearmen Diskursansatz“, wie das soziale Netzwerk ihn biete, konnte die politische Bildung bisher nur träumen. Pfeiffer gründet diese Auffassung darauf, dass jede/r Facebook-Nutzer/in prinzipiell eine „gleich laute“ Stimme habe. Jede/r könne „die Meldungen anderer kommentieren, ihnen zustimmen, sich ablehnend äußern oder erweitern“. Aus diesem Grund lautet die These Pfeiffers: „Facebook ist eine Plattform, die Beteiligung und demokratische Mitbestimmung fördert, nicht nur in arabischen Ländern“ (Pfeiffer für pb21). Die nun folgenden Ausführungen zu Modellen politischer Partizipation sind lediglich auf Deutschland bezogen.

Partizipation auf kommunaler Ebene

Wie bereits erwähnt, bedienen sich hauptsächlich Kommunen der Möglichkeiten des E-Governments und des E-Governance. Zum einen sind mittlerweile Verfahren zur elektronischen Verwaltung weit verbreitet, (siehe dazu bspw. das Angebot der Stadt Ludwigsburg zu digitalen Formular- und Online-Diensten), zum anderen gewinnen auch Modelle des E-Governance in Form von digitalen Konsultationen an Bedeutung, was die zunehmende Zahl der Bürgerhaushalte verdeutlicht. Ein Bürgerhaushalt ist ein Instrument der Bürgerbeteiligung bei Fragen rund um die Verwendung von öffentlichen Geldern. BürgerInnen werden informiert und können direkt an den Haushaltsplanungen mitwirken.

In Stuttgart wird es ab 18.02. 2013 einen Bürgerhaushalt geben. In Ludwigsburg gibt es zwar noch keinen Bürgerhaushalt, dafür aber eine Plattform namens „MeinLB“. Mit Hilfe dieser Plattform besteht die Möglichkeit, online eigene Ideen und Projekte vorzustellen, mit anderen Bürgern in Kontakt zu treten und Mitstreiter für ein Projekt zu finden. Die eingestellten Ideen werden von den anderen Mitgliedern diskutiert und bewertet. Die Stadt Ludwigsburg erteilt vor der Freigabe eines Projekts ein Feedback und „unterstützt es nach Möglichkeit“ (Wortlaut der Betreiber der Seite).

Partizipation auf Bundesebene

Auch auf Bundesebene finden sich mittlerweile Formen von E-Governance. So ermöglicht bspw. die von der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestags „Internet und digitale Gesellschaft“ eingesetzte Diskussionssoftware „Adhocracy“ den BürgerInnen, sich direkt in die Kommissionsarbeit einzubringen (Roleff in ApuZ 7/2012: 18). Auch im bereits abgelaufenen bundesweiten Projekt „Dialog über Deutschland“ brachten die Internetnutzer an die 11.000 Vorschläge ein und diskutierten diese. Diese Partizipationsmodelle bieten, so wie sie im Moment gestaltet sind, neue Chancen hinsichtlich der Legitimation von politischen Entscheidungen. Weiterhin kann die sogenannte „Schwarmintelligenz“ sowohl zur Informationsgewinnung als auch zur Entscheidungsvorbereitung genutzt werden (Korte in ApuZ 7/2012: 24).

Leider sehen sich jedoch viele dieser Partizipationsprojekte dem Vorwurf der fehlenden Verbindlichkeit von Ergebnissen am Ende des Diskussionsprozesses ausgesetzt (Roleff in ApuZ 7/2012: 18). Gerade auf der Seite der Enquête-Kommission sind Posts sehr enttäuschter Beteiligter zu lesen. Ein Nutzer plädiert sogar für eine Auflösung „dieser Placebo-Plattform“. Da bei vielen Versuchen des Einsatzes von Modellen des E-Governance lange unklar bleibt, was mit den Vorschlägen der Beteiligten weiter passiert, ist eine gewisse Frustration unter den Nutzern nicht verkennbar.

Als weiteres Manko der aktuellen Modelle nennt Scholz den Mangel an schnell zugänglicher Information. „Im Mittelpunkt eines Beteiligungsprojekts sollte die Information des Bürgers über das Thema stehen, denn dies ist ja Grundvoraussetzung dafür, sinnvolle Vorschläge machen zu können. Allerdings wird dieses Element eher selten genutzt. Meist werden weder Gutachten oder Studien veröffentlicht, noch eine einfache Linkliste geführt“ (Scholz für pb21.de).

Doch der Bund bietet mit dem Online-Petitionssystem des deutschen Bundestages auch konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten im Sinne von E-Democarcy. Diese Seite verkörpert das Online-Pendant zur klassischen Petition. Jede/r kann hier einen Vorschlag, der nach einer Überprüfung freigeschaltet wird, einbringen. Dieser steht dann für alle Internetnutzer zur Unterzeichnung bereit.

Partizipation auf europäischer Ebene

Auch auf europäischer Ebene finden sich Formen der Partizipation über das Internet. Auf http://www.vote-europe.net/ können sich die BürgerInnen der EU über Themen informieren (u.a. mit Hilfe von Verlinkungen zu Primärquellen der EU-Organe) und über diese diskutieren. Registrierte Nutzer können über konkrete Themen abstimmen und selbst themenbezogene Beiträge und Materialien einstellen. Des Weiteren können die Nutzer Redebeiträge einstellen (Artikel posten = „Rede halten“) und die Artikel anderer unterstützen und bewerten.

Kampagnenplattformen und Online-Petitionen

Hauptmittel der Partizipationsmodelle im Sinne der E-Demokratie sind wohl nach wie vor Kampagnenplattformen und Online-Petitionen. Die Initiatoren sind dabei sowohl einzelne BürgerInnen als auch Nichtregierungsorganisationen (Roleff in ApuZ 7/2012: 17). Im Folgenden eine Auswahl von vier Seiten, die politische Beteiligung via Internet ermöglichen:
Der Vorteil dieser Plattformen besteht in ihrer leichten und schnellen Bedienbarkeit. Leicht bekommt man das Gefühl, mit ein paar Klicks die Welt retten zu können. In Zeiten vor dem Web 2.0 gestaltete es sich entsprechend schwieriger, Personen zu mobilisieren. Heute – im Zeitalter der Online-Petitionen - reicht es, sich einmal zu registrieren, um jeden Monat Hinweise auf wichtige Petitionen zu erhalten, die mit wenigen Klicks „unterzeichnet“ werden können.

Als problematisch bei Beteiligungswerkzeugen könnte jedoch der Einfluss der Lobby-Arbeit gesehen werden. Es könnte passieren, dass einfache BürgerInnen online einfach überstimmt werden, wenn ein Lobby-Verband all seine Mitglieder aktivieren würde, um für den eigenen Vorschlag zu votieren.

Abgesehen davon sollten der Dialog und die Abstimmungsverfahren im Internet nicht abgekoppelt von der "realen" Politik erfolgen. Bürger, Politik und Verwaltung müssen auf einer Ebene und synchron miteinander diskutieren. Scholz mahnt in Bezug auf Abstimmungen bei Online-Beteiligungsverfahren vor möglichen Manipulationen. Diese Abstimmungsverfahren seien generell mit Vorsicht zu genießen, deshalb sollten die Partizpationsmöglichkeiten auch eher als Diskussionsplattform denn als Abstimmungswerkzeug gesehen werden (Scholz für pb21.de).

E-Demokratie – Beteiligung für alle oder Spielzeug der Eliten?

Inwiefern E-Demokratie als Spielzeug für Eliten oder eben als Beteiligungsinstrument für alle gelten kann, ist sicherlich von der jeweiligen Ausgestaltung der Beteiligungsform abhängig. Beteiligungsmöglichkeiten als Alibiveranstaltungen oder Pseudobeteiligungsmöglichkeiten (Stichwort: Gefällt-mir-Button auf Facebook) werden allein wohl kaum Veränderungen hervorbringen können (Wagner/Brüggen: 21). Eine Stimme gilt erst dann als gehört, wenn eine Reaktion wahrnehmbar ist (Wagner/Brüggen 2012: 31). In welchem Ausmaß also Resonanz erzeugt werden kann, entscheidet letztlich über die Wirkung der Beteiligung.

Um zu verhindern, dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Partizipationsmöglichkeiten nutzt, müssen im Zuge der Bildungsarbeit bessere Voraussetzungen geschaffen werden. Denn nach wie vor gilt, dass Online-Teilhabe in politischen Prozessen in der Regel ein ähnliches (bildungs-)bürgerliches Klientel anspricht wie traditionelle Offline-Partizipationsformate (Korte in ApuZ 7/2012: 25) (Stichwort: digital divide). Es müsste also zunächst eine flächendeckende Internetversorgung ermöglicht werden, um überhaupt von den Beteiligungsmöglichkeiten durch das Web 2.0 Gebrauch machen zu können.

Medienpädagogische Aspekte zum Thema Partizipation 2.0

Grundsätzlich gelten folgende Voraussetzungen, um Heranwachsenden Partizipation zu ermöglichen: Erstens muss ein Schüler seine Interessen kennen und klären können, um sie öffentlich einbringen zu können, oder Entscheidungsfragen zuordnen zu können. Deshalb gilt es, damit anzufangen, eigene Positionen zu finden und zu klären (Wagner/Brüggen 2012: 31).

Zweitens müssen den Lernenden Resonanzerfahrungen ermöglicht werden. Die Entwicklung einer partizipativen Kultur geht mit einem Lernprozess einher. Dieser soll auch das Erproben der Formen und Möglichkeiten, sich zu artikulieren, beinhalten (Wagner/Brüggen 2012: 37). Für dieses Erproben kann die vernetzte Öffentlichkeit aufgegriffen werden. Hier kann die eigene Meinung veröffentlicht und artikuliert werden. Weiterhin soll die Resonanz dieser Veröffentlichung ins Zentrum pädagogischer Projekte gerückt werden (Wagner/Brüggen 2012: 38). Die folgenden beiden Fragen müssen dabei gestellt, diskutiert und mit Projektzielen abgeglichen werden:
  1. Sollen aufgrund des Datenschutzes personenbezogene oder anonyme Partizipationsformen gewählt werden? (Wagner/Brüggen 2012: 39)
  2. Sollen gesonderte Online-Räume geschaffen werden oder besteht die Möglichkeit, sich direkt in die medial gerahmten Sozialräume der Jugendlichen einzuklinken?
    (Wagner/Brüggen 2012: 39)
Schließlich gilt für alle pädagogisch initiierten Partizipationsprojekte, dass Mitbestimmung auch Wirkung erzielen (können) muss - eine zentrale, aber nicht einfach zu realisierende Anforderung (Wagner/Brüggen 2012: 34).

Hinweis:Weiterführende Informationen zu den Themen „Barack Obama im Wahlkampf & die Nutzung des Web 2.0“ und zum „Bürgerhaushalt in Stuttgart“ finden sich in dem Blogbeitrag Politik 2.0 als Mittel gegen Politikverdrossenheit?

(Autorin: Marion Baumann)

Literatur

Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ) 7/2012: Digitale Demokratie. Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen von http://www.bpb.de/apuz/75827/digitale-demokratie am 12.01.2013

Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ) 39-40/2002: Online-Gesellschaft. Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen von http://www.bpb.de/apuz/26694/online-gesellschaft am 19.01.2013

Brombach, Guido für pb21.de: Welche Kompetenzen braucht politische Bildung 2.0? Abgerufen von http://pb21.de/2012/08/welche-kompetenzen-braucht-politische-bildung-2-0/ am 19.01.2013

Kneuer, Marianne (2012): Demokratischer durch das Internet? Potenzial und Grenzen des Internets für die Stärkung der Demokratie. In: Schieren, Stefan (Hrsg.): Politische Bildung. Neue Medien, alte Fragen? Das Internet in der Politik. Schwalbach/Ts: Wochenschau Verlag

Krüger, Thomas (2011): Revolutionsplattform Facebook? Wie das Internet politische Umbrüche beeinflusst… Rede zur Eröffnung des “Content Gipfels” bei den  25. Medientagen München am 21.10.2011. Dokumentiert von Muuß-Merholz, Jöran für pb21.de. Abgerufen von http://pb21.de/2011/10/revolutionsplattform-facebook/ am 19.01.2013

Meister, Andre (2013): “Politisch Netzaktive” und Politik in Deutschland: TNS Infratest findet heraus, dass die Netzgemeinde stark links ist. Veröffentlicht am: 04.01.2013 auf Netzpolitik.org (https://netzpolitik.org/2013/politisch-netzaktive-und-politik-in-deutschland-tns-infratest-findet-heraus-dass-die-netzgemeinde-stark-links-ist/)

Noll, Andreas: Revolution online. Das Internet und der Umbruch in der arabischen Welt. Sendung vom 23.06.2011 im Deutschlandfunk. Abgerufen von http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1488785/ am 19.01.2013

Pfeiffer, Thomas für pb21.de : Politische Bildung muss nach Facebook! Abgerufen von http://pb21.de/2011/06/politische-bildung-muss-nach-facebook/ am 19.01.2013

Scholz, Christian für pb21.de : Bürgerbeteiligung im Online-Zeitalter Digitale Werkzeuge zur Partizipation. Abgerufen von http://pb21.de/2011/10/partizipation-teil-1/ am 19.01.2013

Wagner, Ulrike / Brüggen, Niels (2012): Von Alibiveranstaltung und „Everyday-Makers“. Ansätze von Partizipation im Netz. In: Lutz/Rösch/Seitz (Hrsg.): Partizipation und Engagement im Netz. Neue Chancen für Demokratie und Medienpädagogik

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