Sie
legt Lippenstift und Lidschatten auf. Smokey Eyes und rote Lippen, verrucht und
sexy möchte sie aussehen. Minirock, Pumps und eine kleine Handtasche werden sie
auf ihrem Weg in die Bar begleiten. Sie trägt schöne Dessous – schwarz und in
Spitze gehüllt. Sie hat gelesen, dass dies für die meisten Männer besonders
attraktiv zu sein scheint. Sie betrachtet sich im Spiegel, lächelt. Er wird
ihrem Charme nicht widerstehen können, da ist sie sich sicher. Noch schnell
einige Spritzer Parfum und los geht’s.
Sie parkt ihren Wagen in einer
Seitenstraße, schließlich darf er ruhig etwas auf sie warten. Ein letzter
prüfender Blick und sie steigt aus dem Auto aus. Langsam tänzelt sie in
Richtung Bar. Ihre klappernden Absätze kündigen ihr Kommen an und viele Männer
drehen sich nach ihr um. Sie spürt eine Erregung, fühlt sich sexy wie nie. Doch
plötzlich beschleicht sie das Gefühl, welches sie die ganze Zeit zu verdrängen
versucht hat: Unsicherheit. Wird er mich wirklich anziehend finden? Was sage
ich, wo doch schon so viel im Chat geschrieben wurde? Sieht er wirklich so aus
wie auf den Fotos? Keine Zeit nachzudenken, denn dort sitzt er.
Lässig an der
Bar gelehnt, einen Gin
Tonic in seiner
linken Hand. Halt! Moment! Schrieb er nicht, dass er Rechtshänder sei und nur
Bier möge? Jetzt bloß nicht durchdrehen, was zählen die geschriebenen Worte
denn noch? Jetzt, wo sie ihm gegenübersteht. Sie lächelt und bestellt einen
Mojito. Nun wird es sich entscheiden. Bleibt es bei diesem Drink, verbringen
die beiden die ganze Nacht miteinander oder, was bis gerade noch undenkbar
schien, das ganze Leben?
Sicherlich
fragen sich einige Leserinnen und Leser, was an einer ersten Begegnung dieser
Art neu oder gar besonders sein soll. Das berühmte erste Date hat es doch schon
immer gegeben. Ja, aber so ganz stimmt das eben nicht mehr. Die Szene ähnelt
vielen Begegnungen, die es bereits zu früheren Zeiten gegeben hat, doch haben
sich die Vorstellungen immens geändert. Einige Bestandteile des Kennenlernens,
etwa das Ritual eines gemeinsamen Essens oder Drinks, scheinen noch heute zu
existieren. Und wer macht im Jahre 2016 den ersten Schritt und spricht sein
Gegenüber an? Richtig, selbstverständlich übernimmt dies der Mann. Wo kämen wir
da hin, wäre es anders?
Die
starr anmutenden Traditionen, so scheint es, sollen das Neue, das sich durch
eine „unergründliche existenzielle Unbestimmtheit auszeichnet“, verschleiern
(Kaufmann 2010, S. 8). Jedoch hat sich mit Beginn des 21. Jahrhunderts die Art
und Weise der Liebesbegegnungen, gar der Sexualität, abrupt gewandelt. Kaufmann
nennt es eine sanfte Revolution, welche durch zwei sehr unterschiedliche
Phänomene ausgelöst wurde: eine neue Bejahung der Sexualität durch die Frauen
und die allgemeine Verbreitung des Internets.
Insbesondere das Internet hat
Auswirkungen auf unser Liebesleben und unsere Sexualität. Auch heute noch
lernen sich viele Menschen im realen Leben kennen. In einer Bar, beim Tanzen,
über gemeinsame Freunde oder – ganz klassisch – auf der Arbeit. Aber es gibt,
wie meine Kommilitonin hier bereits
feststellte, vermehrt Menschen, die ihr Glück auf virtuellem Wege, nämlich
im Internet, suchen.
Sie können dabei auf vielfältige Dating-Plattformen
zurückgreifen. In den letzten Jahren wurden Dating-Apps, etwa
Tinder oder
Lovoo, immer beliebter. Ähnlich wie bei den Sozialen Netzwerken
generiert der
User ein eigenes
Profil, welches Fotos und zusätzliche Informationen enthalten kann. Doch wie
präsentiert man sich im
World Wide Web?
Und hat das Internet auch unser Intimstes, nämlich unsere Sexualität,
verändert? Diesen Fragen wird im folgenden Beitrag nachgegangen.