- http://kompakt-nachrichten.de/
- http://www.widerstand.info/
- http://www.thorsteinar.de/
- http://www.ansgararyan.com/
- http://werde-unsterblich.info/
- http://www.youtube.com/watch?v=NBMXkFyRVzg
- http://www.youtube.com/watch?v=vNJi_QjGnwo
- http://www.youtube.com/user/offensivtv
- http://www.youtube.com/watch?v=hJrjyxrMcCA
- www.online-beratung-gegen-rechtsextremismus.de
- www.hass-im-netz.info
- www.schule-ohne-rassismus.org
- www.no-nazi.net
- http://osz-gegen-rechts.de/index.php?id=26
- www.keinbockaufnazis.de
Mittwoch, 30. Januar 2013
Rechtsextremismus
Hier sind die Links, die wir für die morgige Sitzung "Rechtsextremismus im Web 2.0" brauchen:
Sonntag, 27. Januar 2013
Die Zukunft der Internetsuche
Wie man Google vom Thron stoßen kann...
Ist es möglich, dem Suchmaschinengiganten Google Konkurrenz zu machen? Ja, meinen Experten – wenn man etwas anbietet, was Google nicht leisten will. Aber wie suchen User in Zukunft? weiter lesen auf FOCUS Online
Ist es möglich, dem Suchmaschinengiganten Google Konkurrenz zu machen? Ja, meinen Experten – wenn man etwas anbietet, was Google nicht leisten will. Aber wie suchen User in Zukunft? weiter lesen auf FOCUS Online
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Sonntag, 20. Januar 2013
Politische Partizipation in Zeiten des Web 2.0 - Von E-Governance bis "Facebook-Revolution"
Begriffliche Definitionen im Wirrwarr der "E-Termini"
Als E-Government wird die „schwächste“ Form der Einbeziehung des Internets in politische Prozesse bezeichnet, denn der Begriff umfasst zunächst nur die elektronische Abwicklung der Prozesse von Verwaltung und Regierung (Kneuer 2012: 32). E-Government stellt sich als bürgerfreundliche Verwaltungsdienstleistung dar – sie ist effektiver als die traditionellen analogen Verwaltungsverfahren, weil kostengünstiger, und macht zugleich mehr Transparenz möglich.
Unter E-Governance versteht man Verfahren, bei denen neben staatlichen auch nicht-staatliche Akteure in politische Prozesse miteinbezogen werden. Dies geschieht hauptsächlich mit dem Ziel themenorientierter Problemlösung auf kommunaler Ebene.
E-Demokratie (oft auch Digitale Demokratie) gilt zum einen als Überbegriff für Demokratiemodelle, in denen Mitwirkungsmöglichkeiten über das Internet vorhanden sind. Zum anderen werden unter dem Begriff aber auch demokratietheoretische Ansätze verstanden, die Computernetzwerken zentrale Aufgaben im politischen System zuordnen. Der Begriff E-Demokratie beschreibt hier demokratische Prozesse und Strukturen zwischen BürgerInnen und Staat. Ziel dieser Ansätze ist die Ermöglichung von mehr Partizipation der Bürger und die Reform der repräsentativen Demokratie.
E-Demokratie auf der einen sowie E-Government und E-Partizipation auf der anderen Seite folgen derselben hierarchischen Abstufung wie auch Demokratie, Regierung und Bürgerbeteiligung in der „analogen“ Welt (Roleff in ApuZ 7/2012: 16).
In Bezug auf demokratische Systeme wird ferner davon ausgegangen, dass die Bürger in Zukunft nicht nur durch Wählen ihrer staatsbürgerschaftlichen Pflicht nachkommen, sondern auch durch voten und posten (Roleff in ApuZ 7/2012: 20).
Doch der Fokus auf die angeblich revolutionären sozialen Medien droht zu verdecken, inwieweit gesellschaftlich-kulturelle Strukturen in den arabischen Staaten eher schrittweise und langfristig bestimmte Entwicklungen geprägt haben (Schmidt in ApuZ 7/2012: 6). Denn unbestreitbar ist, dass die sozialen Medien nicht die Ursache der Proteste waren. Der Einsatz der sozialen Medien kann umgekehrt sogar zu repressiven Zwecken benutzt werden. Wer über Facebook und Twitter Proteste und Menschenrechtsverletzungen öffentlich macht, der könnte nach einer gescheiterten Revolte auf diesem Wege als Dissident ausfindig gemacht werden. Festzuhalten bleibt somit: Das Netz nützt Unterdrückern und Unterdrückten. Näheres dazu wird in einem Zeit-Artikel von 2011 diskutiert.
Was weiterhin gegen die demokratisierende Wirkung des Internets spricht, ist die Tatsache, dass auch politisch radikale, undemokratische Standpunkte und Inhalte leichter verbreitet werden können (Schmidt in APuZ 7/2012: 7).
Ein wichtiger Aspekt sind auch Unterschiede bei der Internetnutzung. Menschen mit formal hohem Bildungsgrad nutzen das Netz intensiver als Menschen mit formal niedrigem Bildungsgrad, Reiche eher als Arme und Jüngere mehr als Ältere. Ein Begriff, der die Diskussion um den gleichberechtigten Zugang zum Internet beschreibt, lautet digital divide (Roleff in ApuZ 7/2012: 15). Sehr anschaulich stellt diese Grafik aus einer Studie des TNS-Infratest im Auftrag des Bundespresseamts aus dem April 2012 dieses Phänomen für Deutschland dar.
Darüber hinaus ist bekannt geworden, dass Menschen, die das Internet aktiv zur politischen Meinungsäußerung und Beteiligung in Deutschland benutzen, stärker zur Wahl linker Parteien tendieren (Meister 2013).
Interessant ist angesichts eben genannter Tatsachen, dass in den besagten Ländern, die von der „Facebook-Revolution“ erfasst wurden, die Zahl der Internetanschlüsse verhältnismäßig niedrig ist: „Nur rund dreieinhalb der mehr als zehn Millionen Tunesier verfügen heute über einen Zugang zum Netz. In Ägypten sind es mit einem Fünftel der Gesamtbevölkerung prozentual noch weniger“ (Noll 2011).
Das Internet bietet mit seiner Fülle an Informationen die Möglichkeit eines umfassenden Zugangs zu politischen Inhalten. Doch die politischen Informationen müssen zunächst wahrgenommen werden, ehe sie eine Anschlusskommunikation oder partizipative Handlungen auslösen können. Politische Informationen stellen jedoch keineswegs das Primärinteresse des durchschnittlichen Users des Web 2.0 dar (Hoecker in ApuZ 40/2002). Hoecker wagt sogar die pessimistische These aufzustellen, durch die intensive Verfolgung gerade nicht-politischer Interessen sei mit einer verschärften Konkurrenz für den Bereich der Politik zu rechnen. Längerfristig gesehen würde dabei das politische Interesse in der Bevölkerung eher sinken als ansteigen (Hoecker in ApuZ 40/2002).
Geradezu unerreichbar erscheint angesichts dieser Prognosen das Ziel der politischen Bildung: Der Bürger als Autodidakt, „der sich aus eigenem Antrieb mit anderen zusammenschließt, um die Gesellschaft mitzugestalten“ (Zu Ziele der PB vgl.: Brombach für pb21.de).
Barack Obama nutzte bekanntermaßen das Potenzial des Web 2.0 für seinen Wahlkampf besonders. Obama ist auch nach dem Wahlkampf sehr präsent, bspw. auf Facebook. Man findet eine sehr sorgfältig gestaltete Seite mit vielen privaten Informationen. Sehr deutlich ist seine Präsenz in dem sozialen Medium an der Zahl der Likes zu erkennen.
Angela Merkel dagegen schafft es auf Facebook nur auf etwa 226.000 Likes. Doch man erfährt, dass ihre Lieblingssendung der Tatort ist und dass sie gerne Richard Wagner hört. Bemerkenswerterweise gibt die Kanzlerin auf ihrer eigenen Homepage lange nicht so viel Privates preis. Doch dass auch Frau Merkel die sozialen Netzwerke nicht vernachlässigen möchte, zeigt beispielsweise ein Video, in dem sie ihren Facebook-Fans ein frohes Weihnachtsfest wünscht.
Weitere im Netz überdurchschnittlich präsente (Ex-?)Politiker sind Silvio Berlusconi (er bringt es immerhin auf 471.000 Likes) und Karl-Theodor zu Guttenberg, dessen Anhänger mit der bekannten Seite „Wir wollen Guttenberg zurück“ vertreten sind und dem deutschen Ex-Minister damit zu 473.000 Likes verhelfen (etwa gleichauf mit Berlusconi!). Da jedoch beide eben erwähnten politischen Persönlichkeiten überwiegend mit negativen Schlagzeilen in Verbindung gebracht werden, bestätigt sich oben genannte These, dass höchstwahrscheinlich nicht ausschließlich das politische Interesse die Anzahl der Likes begründet.
Ein relativ neues Phänomen in der politischen Parteienlandschaft ist die Piratenpartei, die mit ihrem Konzept der Liquid Democracy neue Wege der Parteipolitik beschreitet. „Die Parteimitglieder können über eine speziell entwickelte Liquid Feedback-Software eigene Anträge einbringen, zur Diskussion stellen und bei ausreichender Unterstützung zur Abstimmung bringen. Zu dem Konzept gehört aber nicht nur die Möglichkeit, sich direkt einzubringen, sondern vor allem auch, seine Stimme zu delegieren, wenn man jemand anderes in einer Frage für kompetenter hält. Damit fließen – daher “liquid” – direkte und repräsentative Demokratie ineinander“(Krüger 2011).
Schließlich ist an dieser Stelle noch das E-Voting zu nennen. Von Wahlen dieser Art wurde in Deutschland bislang jedoch noch kein Gebrauch gemacht. Nicht zuletzt aus dem Grund, weil technische Unsicherheiten und die Manipulationsanfälligkeit von Wahlcomputern noch nicht ausgeschlossen werden können (Roleff in ApuZ 7/2012: 17).
Modelle politischer Partizipation im Web 2.0
Bevor die verschiedenen Modelle politischer Partizipation hier vorgestellt werden, sollen zunächst mögliche Formen der Beteiligung erörtert werden. Nach Wagner/Brüggen ist demnach bereits das Positionieren zu Statements oder die Bekanntgabe der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen als Teil einer Partizipationshandlung zu verstehen (Wagner/Brüggen 2012: 27). Erst an zweiter Stelle nennen die Autoren die Mitwirkung. Zu dieser Form der Partizipation gehörten verschiedene Möglichkeiten des Sich-Einbringens: Das Aufwerfen von Themen, das Diskutieren und das Erhalten von Rückmeldungen auf eigene Statements (Wagner/Brüggen 2012: 28).
Im Sinne dieser Form der Partizipation biete Facebook, so argumentiert Pfeiffer, eine ideale Plattform. Von einem „hierarchiearmen Diskursansatz“, wie das soziale Netzwerk ihn biete, konnte die politische Bildung bisher nur träumen. Pfeiffer gründet diese Auffassung darauf, dass jede/r Facebook-Nutzer/in prinzipiell eine „gleich laute“ Stimme habe. Jede/r könne „die Meldungen anderer kommentieren, ihnen zustimmen, sich ablehnend äußern oder erweitern“. Aus diesem Grund lautet die These Pfeiffers: „Facebook ist eine Plattform, die Beteiligung und demokratische Mitbestimmung fördert, nicht nur in arabischen Ländern“ (Pfeiffer für pb21). Die nun folgenden Ausführungen zu Modellen politischer Partizipation sind lediglich auf Deutschland bezogen.
Partizipation auf kommunaler Ebene
Wie bereits erwähnt, bedienen sich hauptsächlich Kommunen der Möglichkeiten des E-Governments und des E-Governance. Zum einen sind mittlerweile Verfahren zur elektronischen Verwaltung weit verbreitet, (siehe dazu bspw. das Angebot der Stadt Ludwigsburg zu digitalen Formular- und Online-Diensten), zum anderen gewinnen auch Modelle des E-Governance in Form von digitalen Konsultationen an Bedeutung, was die zunehmende Zahl der Bürgerhaushalte verdeutlicht. Ein Bürgerhaushalt ist ein Instrument der Bürgerbeteiligung bei Fragen rund um die Verwendung von öffentlichen Geldern. BürgerInnen werden informiert und können direkt an den Haushaltsplanungen mitwirken.
In Stuttgart wird es ab 18.02. 2013 einen Bürgerhaushalt geben. In Ludwigsburg gibt es zwar noch keinen Bürgerhaushalt, dafür aber eine Plattform namens „MeinLB“. Mit Hilfe dieser Plattform besteht die Möglichkeit, online eigene Ideen und Projekte vorzustellen, mit anderen Bürgern in Kontakt zu treten und Mitstreiter für ein Projekt zu finden. Die eingestellten Ideen werden von den anderen Mitgliedern diskutiert und bewertet. Die Stadt Ludwigsburg erteilt vor der Freigabe eines Projekts ein Feedback und „unterstützt es nach Möglichkeit“ (Wortlaut der Betreiber der Seite).
Partizipation auf Bundesebene
Auch auf Bundesebene finden sich mittlerweile Formen von E-Governance. So ermöglicht bspw. die von der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestags „Internet und digitale Gesellschaft“ eingesetzte Diskussionssoftware „Adhocracy“ den BürgerInnen, sich direkt in die Kommissionsarbeit einzubringen (Roleff in ApuZ 7/2012: 18). Auch im bereits abgelaufenen bundesweiten Projekt „Dialog über Deutschland“ brachten die Internetnutzer an die 11.000 Vorschläge ein und diskutierten diese. Diese Partizipationsmodelle bieten, so wie sie im Moment gestaltet sind, neue Chancen hinsichtlich der Legitimation von politischen Entscheidungen. Weiterhin kann die sogenannte „Schwarmintelligenz“ sowohl zur Informationsgewinnung als auch zur Entscheidungsvorbereitung genutzt werden (Korte in ApuZ 7/2012: 24).
Leider sehen sich jedoch viele dieser Partizipationsprojekte dem Vorwurf der fehlenden Verbindlichkeit von Ergebnissen am Ende des Diskussionsprozesses ausgesetzt (Roleff in ApuZ 7/2012: 18). Gerade auf der Seite der Enquête-Kommission sind Posts sehr enttäuschter Beteiligter zu lesen. Ein Nutzer plädiert sogar für eine Auflösung „dieser Placebo-Plattform“. Da bei vielen Versuchen des Einsatzes von Modellen des E-Governance lange unklar bleibt, was mit den Vorschlägen der Beteiligten weiter passiert, ist eine gewisse Frustration unter den Nutzern nicht verkennbar.
Als weiteres Manko der aktuellen Modelle nennt Scholz den Mangel an schnell zugänglicher Information. „Im Mittelpunkt eines Beteiligungsprojekts sollte die Information des Bürgers über das Thema stehen, denn dies ist ja Grundvoraussetzung dafür, sinnvolle Vorschläge machen zu können. Allerdings wird dieses Element eher selten genutzt. Meist werden weder Gutachten oder Studien veröffentlicht, noch eine einfache Linkliste geführt“ (Scholz für pb21.de).
Doch der Bund bietet mit dem Online-Petitionssystem des deutschen Bundestages auch konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten im Sinne von E-Democarcy. Diese Seite verkörpert das Online-Pendant zur klassischen Petition. Jede/r kann hier einen Vorschlag, der nach einer Überprüfung freigeschaltet wird, einbringen. Dieser steht dann für alle Internetnutzer zur Unterzeichnung bereit.
Partizipation auf europäischer Ebene
Auch auf europäischer Ebene finden sich Formen der Partizipation über das Internet. Auf http://www.vote-europe.net/ können sich die BürgerInnen der EU über Themen informieren (u.a. mit Hilfe von Verlinkungen zu Primärquellen der EU-Organe) und über diese diskutieren. Registrierte Nutzer können über konkrete Themen abstimmen und selbst themenbezogene Beiträge und Materialien einstellen. Des Weiteren können die Nutzer Redebeiträge einstellen (Artikel posten = „Rede halten“) und die Artikel anderer unterstützen und bewerten.
Kampagnenplattformen und Online-Petitionen
Hauptmittel der Partizipationsmodelle im Sinne der E-Demokratie sind wohl nach wie vor Kampagnenplattformen und Online-Petitionen. Die Initiatoren sind dabei sowohl einzelne BürgerInnen als auch Nichtregierungsorganisationen (Roleff in ApuZ 7/2012: 17). Im Folgenden eine Auswahl von vier Seiten, die politische Beteiligung via Internet ermöglichen:
Meister, Andre (2013):
“Politisch Netzaktive” und Politik in Deutschland: TNS Infratest
findet heraus, dass die Netzgemeinde stark links ist.
Veröffentlicht am: 04.01.2013 auf Netzpolitik.org
(https://netzpolitik.org/2013/politisch-netzaktive-und-politik-in-deutschland-tns-infratest-findet-heraus-dass-die-netzgemeinde-stark-links-ist/)
Als E-Government wird die „schwächste“ Form der Einbeziehung des Internets in politische Prozesse bezeichnet, denn der Begriff umfasst zunächst nur die elektronische Abwicklung der Prozesse von Verwaltung und Regierung (Kneuer 2012: 32). E-Government stellt sich als bürgerfreundliche Verwaltungsdienstleistung dar – sie ist effektiver als die traditionellen analogen Verwaltungsverfahren, weil kostengünstiger, und macht zugleich mehr Transparenz möglich.
Unter E-Governance versteht man Verfahren, bei denen neben staatlichen auch nicht-staatliche Akteure in politische Prozesse miteinbezogen werden. Dies geschieht hauptsächlich mit dem Ziel themenorientierter Problemlösung auf kommunaler Ebene.
E-Demokratie (oft auch Digitale Demokratie) gilt zum einen als Überbegriff für Demokratiemodelle, in denen Mitwirkungsmöglichkeiten über das Internet vorhanden sind. Zum anderen werden unter dem Begriff aber auch demokratietheoretische Ansätze verstanden, die Computernetzwerken zentrale Aufgaben im politischen System zuordnen. Der Begriff E-Demokratie beschreibt hier demokratische Prozesse und Strukturen zwischen BürgerInnen und Staat. Ziel dieser Ansätze ist die Ermöglichung von mehr Partizipation der Bürger und die Reform der repräsentativen Demokratie.
E-Demokratie auf der einen sowie E-Government und E-Partizipation auf der anderen Seite folgen derselben hierarchischen Abstufung wie auch Demokratie, Regierung und Bürgerbeteiligung in der „analogen“ Welt (Roleff in ApuZ 7/2012: 16).
Cyberdemocracy steht für die Vision von der Errichtung einer athenischen partizipativen
Demokratie im Zeitalter der Digitalisierung, was im Endeffekt die
repräsentative Demokratie durch eine Selbstregierung der Bürger via
Netz ersetzen soll (Kneuer 2012: 33). Die Bürger sollen in diesem
Modell umfassend und dauerhaft an der Gestaltung der Politik
beteiligt sein und in einem virtuellen Raum den gemeinsamen Willen
des Demos etablieren (ebd.).
Hoffnungen, Ansprüche und Bedenken gegenüber der E-Demokratie
Je nachdem, welchen Begriff oder welche Definition von E-Demokratie herangezogen wird, bestehen unterschiedliche Hoffnungen in Bezug auf das Potenzial der neuen Medien. Ansätze des E-Governance sehen die Möglichkeit, die repräsentative Demokratie wiederbeleben oder sie zumindest verbessern zu können. Visionen eines neuen Modells von Demokratie, die die virtuelle Agora (zentraler Fest-, Versammlungs- und Marktplatz einer Stadt) und Ekklesia (Volksversammlung in den Städten des antiken Griechenlands) und somit das athenische Ideal der Selbstregierung des Bürger verwirklichen wollen, gehen sogar noch weiter. Sehr anschaulich wird deren Vision (inkl. Liquid Democracy) in diesem Youtube-Video dargestellt.
Hoffnungen, Ansprüche und Bedenken gegenüber der E-Demokratie
Je nachdem, welchen Begriff oder welche Definition von E-Demokratie herangezogen wird, bestehen unterschiedliche Hoffnungen in Bezug auf das Potenzial der neuen Medien. Ansätze des E-Governance sehen die Möglichkeit, die repräsentative Demokratie wiederbeleben oder sie zumindest verbessern zu können. Visionen eines neuen Modells von Demokratie, die die virtuelle Agora (zentraler Fest-, Versammlungs- und Marktplatz einer Stadt) und Ekklesia (Volksversammlung in den Städten des antiken Griechenlands) und somit das athenische Ideal der Selbstregierung des Bürger verwirklichen wollen, gehen sogar noch weiter. Sehr anschaulich wird deren Vision (inkl. Liquid Democracy) in diesem Youtube-Video dargestellt.
In Bezug auf demokratische Systeme wird ferner davon ausgegangen, dass die Bürger in Zukunft nicht nur durch Wählen ihrer staatsbürgerschaftlichen Pflicht nachkommen, sondern auch durch voten und posten (Roleff in ApuZ 7/2012: 20).
Was undemokratische oder gar
totalitäre Systeme betrifft, so ist in eine neue Debatte um die
Wirkung digitaler
Kommunikation entfacht worden, welche die schnellere Mobilisierung
und Organisation von Protestbewegungen möglich mache (Kneuer 2012:
30). Schlagworte wie „Twitter-“ oder
„Facebook-Revolution“
sind meist auf diese Aspekte bezogen (Kneuer 2012: 29). Die Schneeballeffekte, so die Annahme,
„erhöhten die Reichweite der Bilder und Aufrufe – auch weil
Fernsehsender wie CNN oder Al-Jazeera auf die nutzergenerierten
Inhalte zurückgriffen und in ihre eigene Berichterstattung
einbanden“ (Schmidt in ApuZ 7/2012: 6). In der Tat hat der
Arabische Frühling vielversprechende Projekte hervorbringen können,
wie etwa in Marokko die Crowdsourcing-Website www.reforme.ma.
Hier wurden Änderungsvorschläge zur Verfassungsreform zusammengetragen (Krüger 2011).
Wirkt das Internet demokratisierend?
Angesichts der Schlagworte „Twitter-“ oder „Facebook-Revolution“ stellt sich die Frage, ob dem Web 2.0 prinzipiell eine demokratisierende Wirkung (sowohl in totalitären als auch in bereits demokratischen Systemen) unterstellt werden kann.
Wirkt das Internet demokratisierend?
Angesichts der Schlagworte „Twitter-“ oder „Facebook-Revolution“ stellt sich die Frage, ob dem Web 2.0 prinzipiell eine demokratisierende Wirkung (sowohl in totalitären als auch in bereits demokratischen Systemen) unterstellt werden kann.
Doch der Fokus auf die angeblich revolutionären sozialen Medien droht zu verdecken, inwieweit gesellschaftlich-kulturelle Strukturen in den arabischen Staaten eher schrittweise und langfristig bestimmte Entwicklungen geprägt haben (Schmidt in ApuZ 7/2012: 6). Denn unbestreitbar ist, dass die sozialen Medien nicht die Ursache der Proteste waren. Der Einsatz der sozialen Medien kann umgekehrt sogar zu repressiven Zwecken benutzt werden. Wer über Facebook und Twitter Proteste und Menschenrechtsverletzungen öffentlich macht, der könnte nach einer gescheiterten Revolte auf diesem Wege als Dissident ausfindig gemacht werden. Festzuhalten bleibt somit: Das Netz nützt Unterdrückern und Unterdrückten. Näheres dazu wird in einem Zeit-Artikel von 2011 diskutiert.
Was weiterhin gegen die demokratisierende Wirkung des Internets spricht, ist die Tatsache, dass auch politisch radikale, undemokratische Standpunkte und Inhalte leichter verbreitet werden können (Schmidt in APuZ 7/2012: 7).
Ein wichtiger Aspekt sind auch Unterschiede bei der Internetnutzung. Menschen mit formal hohem Bildungsgrad nutzen das Netz intensiver als Menschen mit formal niedrigem Bildungsgrad, Reiche eher als Arme und Jüngere mehr als Ältere. Ein Begriff, der die Diskussion um den gleichberechtigten Zugang zum Internet beschreibt, lautet digital divide (Roleff in ApuZ 7/2012: 15). Sehr anschaulich stellt diese Grafik aus einer Studie des TNS-Infratest im Auftrag des Bundespresseamts aus dem April 2012 dieses Phänomen für Deutschland dar.
Darüber hinaus ist bekannt geworden, dass Menschen, die das Internet aktiv zur politischen Meinungsäußerung und Beteiligung in Deutschland benutzen, stärker zur Wahl linker Parteien tendieren (Meister 2013).
Interessant ist angesichts eben genannter Tatsachen, dass in den besagten Ländern, die von der „Facebook-Revolution“ erfasst wurden, die Zahl der Internetanschlüsse verhältnismäßig niedrig ist: „Nur rund dreieinhalb der mehr als zehn Millionen Tunesier verfügen heute über einen Zugang zum Netz. In Ägypten sind es mit einem Fünftel der Gesamtbevölkerung prozentual noch weniger“ (Noll 2011).
Das Internet bietet mit seiner Fülle an Informationen die Möglichkeit eines umfassenden Zugangs zu politischen Inhalten. Doch die politischen Informationen müssen zunächst wahrgenommen werden, ehe sie eine Anschlusskommunikation oder partizipative Handlungen auslösen können. Politische Informationen stellen jedoch keineswegs das Primärinteresse des durchschnittlichen Users des Web 2.0 dar (Hoecker in ApuZ 40/2002). Hoecker wagt sogar die pessimistische These aufzustellen, durch die intensive Verfolgung gerade nicht-politischer Interessen sei mit einer verschärften Konkurrenz für den Bereich der Politik zu rechnen. Längerfristig gesehen würde dabei das politische Interesse in der Bevölkerung eher sinken als ansteigen (Hoecker in ApuZ 40/2002).
Geradezu unerreichbar erscheint angesichts dieser Prognosen das Ziel der politischen Bildung: Der Bürger als Autodidakt, „der sich aus eigenem Antrieb mit anderen zusammenschließt, um die Gesellschaft mitzugestalten“ (Zu Ziele der PB vgl.: Brombach für pb21.de).
Festzuhalten bleibt also, dass das
Internet in vielen Punkten eine erweiterte demokratische Teilhabe
ermöglichen kann, diese aber eben nicht von allen
BürgerInnen in gleichem Maße genutzt werden kann. „E-Demokratie
ist insofern nicht nur elektronisch, sondern in gewisser Weise auch
exklusiv“ (Roleff in ApuZ 7/2012: 16).
Das Web 2.0 als politisches Werkzeug
Demokratische Wahlen und Politiker im Internet
In Deutschland sind die Wahlkämpfe noch nicht in dem Maße mit Anwendungen des Web 2.0 verbunden, wie dies in den USA der Fall ist. Ein Grund dafür liegt sicherlich in der Finanzierung. Der Wahlkampf wird hier nicht durch Spenden finanziert, sondern durch Mitgliedsbeiträge und die staatliche Parteienfinanzierung. Des Weiteren verhindern schärfere Datenschutzregelungen das Anlegen von Datenbanken über potenzielle WählerInnen. Diese Datenbanken kombinieren zum Beispiel in den USA Informationen über Konsumgewohnheiten mit dem Wahlverhalten (Schmidt in ApuZ 7/2012: 7).
Das Web 2.0 als politisches Werkzeug
Demokratische Wahlen und Politiker im Internet
In Deutschland sind die Wahlkämpfe noch nicht in dem Maße mit Anwendungen des Web 2.0 verbunden, wie dies in den USA der Fall ist. Ein Grund dafür liegt sicherlich in der Finanzierung. Der Wahlkampf wird hier nicht durch Spenden finanziert, sondern durch Mitgliedsbeiträge und die staatliche Parteienfinanzierung. Des Weiteren verhindern schärfere Datenschutzregelungen das Anlegen von Datenbanken über potenzielle WählerInnen. Diese Datenbanken kombinieren zum Beispiel in den USA Informationen über Konsumgewohnheiten mit dem Wahlverhalten (Schmidt in ApuZ 7/2012: 7).
Barack Obama nutzte bekanntermaßen das Potenzial des Web 2.0 für seinen Wahlkampf besonders. Obama ist auch nach dem Wahlkampf sehr präsent, bspw. auf Facebook. Man findet eine sehr sorgfältig gestaltete Seite mit vielen privaten Informationen. Sehr deutlich ist seine Präsenz in dem sozialen Medium an der Zahl der Likes zu erkennen.
Angela Merkel dagegen schafft es auf Facebook nur auf etwa 226.000 Likes. Doch man erfährt, dass ihre Lieblingssendung der Tatort ist und dass sie gerne Richard Wagner hört. Bemerkenswerterweise gibt die Kanzlerin auf ihrer eigenen Homepage lange nicht so viel Privates preis. Doch dass auch Frau Merkel die sozialen Netzwerke nicht vernachlässigen möchte, zeigt beispielsweise ein Video, in dem sie ihren Facebook-Fans ein frohes Weihnachtsfest wünscht.
Weitere im Netz überdurchschnittlich präsente (Ex-?)Politiker sind Silvio Berlusconi (er bringt es immerhin auf 471.000 Likes) und Karl-Theodor zu Guttenberg, dessen Anhänger mit der bekannten Seite „Wir wollen Guttenberg zurück“ vertreten sind und dem deutschen Ex-Minister damit zu 473.000 Likes verhelfen (etwa gleichauf mit Berlusconi!). Da jedoch beide eben erwähnten politischen Persönlichkeiten überwiegend mit negativen Schlagzeilen in Verbindung gebracht werden, bestätigt sich oben genannte These, dass höchstwahrscheinlich nicht ausschließlich das politische Interesse die Anzahl der Likes begründet.
Ein relativ neues Phänomen in der politischen Parteienlandschaft ist die Piratenpartei, die mit ihrem Konzept der Liquid Democracy neue Wege der Parteipolitik beschreitet. „Die Parteimitglieder können über eine speziell entwickelte Liquid Feedback-Software eigene Anträge einbringen, zur Diskussion stellen und bei ausreichender Unterstützung zur Abstimmung bringen. Zu dem Konzept gehört aber nicht nur die Möglichkeit, sich direkt einzubringen, sondern vor allem auch, seine Stimme zu delegieren, wenn man jemand anderes in einer Frage für kompetenter hält. Damit fließen – daher “liquid” – direkte und repräsentative Demokratie ineinander“(Krüger 2011).
Schließlich ist an dieser Stelle noch das E-Voting zu nennen. Von Wahlen dieser Art wurde in Deutschland bislang jedoch noch kein Gebrauch gemacht. Nicht zuletzt aus dem Grund, weil technische Unsicherheiten und die Manipulationsanfälligkeit von Wahlcomputern noch nicht ausgeschlossen werden können (Roleff in ApuZ 7/2012: 17).
Modelle politischer Partizipation im Web 2.0
Bevor die verschiedenen Modelle politischer Partizipation hier vorgestellt werden, sollen zunächst mögliche Formen der Beteiligung erörtert werden. Nach Wagner/Brüggen ist demnach bereits das Positionieren zu Statements oder die Bekanntgabe der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen als Teil einer Partizipationshandlung zu verstehen (Wagner/Brüggen 2012: 27). Erst an zweiter Stelle nennen die Autoren die Mitwirkung. Zu dieser Form der Partizipation gehörten verschiedene Möglichkeiten des Sich-Einbringens: Das Aufwerfen von Themen, das Diskutieren und das Erhalten von Rückmeldungen auf eigene Statements (Wagner/Brüggen 2012: 28).
Im Sinne dieser Form der Partizipation biete Facebook, so argumentiert Pfeiffer, eine ideale Plattform. Von einem „hierarchiearmen Diskursansatz“, wie das soziale Netzwerk ihn biete, konnte die politische Bildung bisher nur träumen. Pfeiffer gründet diese Auffassung darauf, dass jede/r Facebook-Nutzer/in prinzipiell eine „gleich laute“ Stimme habe. Jede/r könne „die Meldungen anderer kommentieren, ihnen zustimmen, sich ablehnend äußern oder erweitern“. Aus diesem Grund lautet die These Pfeiffers: „Facebook ist eine Plattform, die Beteiligung und demokratische Mitbestimmung fördert, nicht nur in arabischen Ländern“ (Pfeiffer für pb21). Die nun folgenden Ausführungen zu Modellen politischer Partizipation sind lediglich auf Deutschland bezogen.
Partizipation auf kommunaler Ebene
Wie bereits erwähnt, bedienen sich hauptsächlich Kommunen der Möglichkeiten des E-Governments und des E-Governance. Zum einen sind mittlerweile Verfahren zur elektronischen Verwaltung weit verbreitet, (siehe dazu bspw. das Angebot der Stadt Ludwigsburg zu digitalen Formular- und Online-Diensten), zum anderen gewinnen auch Modelle des E-Governance in Form von digitalen Konsultationen an Bedeutung, was die zunehmende Zahl der Bürgerhaushalte verdeutlicht. Ein Bürgerhaushalt ist ein Instrument der Bürgerbeteiligung bei Fragen rund um die Verwendung von öffentlichen Geldern. BürgerInnen werden informiert und können direkt an den Haushaltsplanungen mitwirken.
In Stuttgart wird es ab 18.02. 2013 einen Bürgerhaushalt geben. In Ludwigsburg gibt es zwar noch keinen Bürgerhaushalt, dafür aber eine Plattform namens „MeinLB“. Mit Hilfe dieser Plattform besteht die Möglichkeit, online eigene Ideen und Projekte vorzustellen, mit anderen Bürgern in Kontakt zu treten und Mitstreiter für ein Projekt zu finden. Die eingestellten Ideen werden von den anderen Mitgliedern diskutiert und bewertet. Die Stadt Ludwigsburg erteilt vor der Freigabe eines Projekts ein Feedback und „unterstützt es nach Möglichkeit“ (Wortlaut der Betreiber der Seite).
Partizipation auf Bundesebene
Auch auf Bundesebene finden sich mittlerweile Formen von E-Governance. So ermöglicht bspw. die von der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestags „Internet und digitale Gesellschaft“ eingesetzte Diskussionssoftware „Adhocracy“ den BürgerInnen, sich direkt in die Kommissionsarbeit einzubringen (Roleff in ApuZ 7/2012: 18). Auch im bereits abgelaufenen bundesweiten Projekt „Dialog über Deutschland“ brachten die Internetnutzer an die 11.000 Vorschläge ein und diskutierten diese. Diese Partizipationsmodelle bieten, so wie sie im Moment gestaltet sind, neue Chancen hinsichtlich der Legitimation von politischen Entscheidungen. Weiterhin kann die sogenannte „Schwarmintelligenz“ sowohl zur Informationsgewinnung als auch zur Entscheidungsvorbereitung genutzt werden (Korte in ApuZ 7/2012: 24).
Leider sehen sich jedoch viele dieser Partizipationsprojekte dem Vorwurf der fehlenden Verbindlichkeit von Ergebnissen am Ende des Diskussionsprozesses ausgesetzt (Roleff in ApuZ 7/2012: 18). Gerade auf der Seite der Enquête-Kommission sind Posts sehr enttäuschter Beteiligter zu lesen. Ein Nutzer plädiert sogar für eine Auflösung „dieser Placebo-Plattform“. Da bei vielen Versuchen des Einsatzes von Modellen des E-Governance lange unklar bleibt, was mit den Vorschlägen der Beteiligten weiter passiert, ist eine gewisse Frustration unter den Nutzern nicht verkennbar.
Als weiteres Manko der aktuellen Modelle nennt Scholz den Mangel an schnell zugänglicher Information. „Im Mittelpunkt eines Beteiligungsprojekts sollte die Information des Bürgers über das Thema stehen, denn dies ist ja Grundvoraussetzung dafür, sinnvolle Vorschläge machen zu können. Allerdings wird dieses Element eher selten genutzt. Meist werden weder Gutachten oder Studien veröffentlicht, noch eine einfache Linkliste geführt“ (Scholz für pb21.de).
Doch der Bund bietet mit dem Online-Petitionssystem des deutschen Bundestages auch konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten im Sinne von E-Democarcy. Diese Seite verkörpert das Online-Pendant zur klassischen Petition. Jede/r kann hier einen Vorschlag, der nach einer Überprüfung freigeschaltet wird, einbringen. Dieser steht dann für alle Internetnutzer zur Unterzeichnung bereit.
Partizipation auf europäischer Ebene
Auch auf europäischer Ebene finden sich Formen der Partizipation über das Internet. Auf http://www.vote-europe.net/ können sich die BürgerInnen der EU über Themen informieren (u.a. mit Hilfe von Verlinkungen zu Primärquellen der EU-Organe) und über diese diskutieren. Registrierte Nutzer können über konkrete Themen abstimmen und selbst themenbezogene Beiträge und Materialien einstellen. Des Weiteren können die Nutzer Redebeiträge einstellen (Artikel posten = „Rede halten“) und die Artikel anderer unterstützen und bewerten.
Kampagnenplattformen und Online-Petitionen
Hauptmittel der Partizipationsmodelle im Sinne der E-Demokratie sind wohl nach wie vor Kampagnenplattformen und Online-Petitionen. Die Initiatoren sind dabei sowohl einzelne BürgerInnen als auch Nichtregierungsorganisationen (Roleff in ApuZ 7/2012: 17). Im Folgenden eine Auswahl von vier Seiten, die politische Beteiligung via Internet ermöglichen:
Der Vorteil dieser Plattformen besteht
in ihrer leichten und schnellen Bedienbarkeit. Leicht bekommt man das
Gefühl, mit ein paar Klicks die Welt retten zu können. In Zeiten
vor dem Web 2.0 gestaltete es sich entsprechend schwieriger, Personen
zu mobilisieren. Heute – im Zeitalter der Online-Petitionen -
reicht es, sich einmal zu registrieren, um jeden Monat Hinweise auf
wichtige Petitionen zu erhalten, die mit wenigen Klicks
„unterzeichnet“ werden können.
Als problematisch bei Beteiligungswerkzeugen könnte jedoch der Einfluss der Lobby-Arbeit gesehen werden. Es könnte passieren, dass einfache BürgerInnen online einfach überstimmt werden, wenn ein Lobby-Verband all seine Mitglieder aktivieren würde, um für den eigenen Vorschlag zu votieren.
Abgesehen davon sollten der Dialog und die Abstimmungsverfahren im Internet nicht abgekoppelt von der "realen" Politik erfolgen. Bürger, Politik und Verwaltung müssen auf einer Ebene und synchron miteinander diskutieren. Scholz mahnt in Bezug auf Abstimmungen bei Online-Beteiligungsverfahren vor möglichen Manipulationen. Diese Abstimmungsverfahren seien generell mit Vorsicht zu genießen, deshalb sollten die Partizpationsmöglichkeiten auch eher als Diskussionsplattform denn als Abstimmungswerkzeug gesehen werden (Scholz für pb21.de).
E-Demokratie – Beteiligung für alle oder Spielzeug der Eliten?
Inwiefern E-Demokratie als Spielzeug für Eliten oder eben als Beteiligungsinstrument für alle gelten kann, ist sicherlich von der jeweiligen Ausgestaltung der Beteiligungsform abhängig. Beteiligungsmöglichkeiten als Alibiveranstaltungen oder Pseudobeteiligungsmöglichkeiten (Stichwort: Gefällt-mir-Button auf Facebook) werden allein wohl kaum Veränderungen hervorbringen können (Wagner/Brüggen: 21). Eine Stimme gilt erst dann als gehört, wenn eine Reaktion wahrnehmbar ist (Wagner/Brüggen 2012: 31). In welchem Ausmaß also Resonanz erzeugt werden kann, entscheidet letztlich über die Wirkung der Beteiligung.
Um zu verhindern, dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Partizipationsmöglichkeiten nutzt, müssen im Zuge der Bildungsarbeit bessere Voraussetzungen geschaffen werden. Denn nach wie vor gilt, dass Online-Teilhabe in politischen Prozessen in der Regel ein ähnliches (bildungs-)bürgerliches Klientel anspricht wie traditionelle Offline-Partizipationsformate (Korte in ApuZ 7/2012: 25) (Stichwort: digital divide). Es müsste also zunächst eine flächendeckende Internetversorgung ermöglicht werden, um überhaupt von den Beteiligungsmöglichkeiten durch das Web 2.0 Gebrauch machen zu können.
Medienpädagogische Aspekte zum Thema Partizipation 2.0
Grundsätzlich gelten folgende Voraussetzungen, um Heranwachsenden Partizipation zu ermöglichen: Erstens muss ein Schüler seine Interessen kennen und klären können, um sie öffentlich einbringen zu können, oder Entscheidungsfragen zuordnen zu können. Deshalb gilt es, damit anzufangen, eigene Positionen zu finden und zu klären (Wagner/Brüggen 2012: 31).
Zweitens müssen den Lernenden Resonanzerfahrungen ermöglicht werden. Die Entwicklung einer partizipativen Kultur geht mit einem Lernprozess einher. Dieser soll auch das Erproben der Formen und Möglichkeiten, sich zu artikulieren, beinhalten (Wagner/Brüggen 2012: 37). Für dieses Erproben kann die vernetzte Öffentlichkeit aufgegriffen werden. Hier kann die eigene Meinung veröffentlicht und artikuliert werden. Weiterhin soll die Resonanz dieser Veröffentlichung ins Zentrum pädagogischer Projekte gerückt werden (Wagner/Brüggen 2012: 38). Die folgenden beiden Fragen müssen dabei gestellt, diskutiert und mit Projektzielen abgeglichen werden:
Als problematisch bei Beteiligungswerkzeugen könnte jedoch der Einfluss der Lobby-Arbeit gesehen werden. Es könnte passieren, dass einfache BürgerInnen online einfach überstimmt werden, wenn ein Lobby-Verband all seine Mitglieder aktivieren würde, um für den eigenen Vorschlag zu votieren.
Abgesehen davon sollten der Dialog und die Abstimmungsverfahren im Internet nicht abgekoppelt von der "realen" Politik erfolgen. Bürger, Politik und Verwaltung müssen auf einer Ebene und synchron miteinander diskutieren. Scholz mahnt in Bezug auf Abstimmungen bei Online-Beteiligungsverfahren vor möglichen Manipulationen. Diese Abstimmungsverfahren seien generell mit Vorsicht zu genießen, deshalb sollten die Partizpationsmöglichkeiten auch eher als Diskussionsplattform denn als Abstimmungswerkzeug gesehen werden (Scholz für pb21.de).
E-Demokratie – Beteiligung für alle oder Spielzeug der Eliten?
Inwiefern E-Demokratie als Spielzeug für Eliten oder eben als Beteiligungsinstrument für alle gelten kann, ist sicherlich von der jeweiligen Ausgestaltung der Beteiligungsform abhängig. Beteiligungsmöglichkeiten als Alibiveranstaltungen oder Pseudobeteiligungsmöglichkeiten (Stichwort: Gefällt-mir-Button auf Facebook) werden allein wohl kaum Veränderungen hervorbringen können (Wagner/Brüggen: 21). Eine Stimme gilt erst dann als gehört, wenn eine Reaktion wahrnehmbar ist (Wagner/Brüggen 2012: 31). In welchem Ausmaß also Resonanz erzeugt werden kann, entscheidet letztlich über die Wirkung der Beteiligung.
Um zu verhindern, dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Partizipationsmöglichkeiten nutzt, müssen im Zuge der Bildungsarbeit bessere Voraussetzungen geschaffen werden. Denn nach wie vor gilt, dass Online-Teilhabe in politischen Prozessen in der Regel ein ähnliches (bildungs-)bürgerliches Klientel anspricht wie traditionelle Offline-Partizipationsformate (Korte in ApuZ 7/2012: 25) (Stichwort: digital divide). Es müsste also zunächst eine flächendeckende Internetversorgung ermöglicht werden, um überhaupt von den Beteiligungsmöglichkeiten durch das Web 2.0 Gebrauch machen zu können.
Medienpädagogische Aspekte zum Thema Partizipation 2.0
Grundsätzlich gelten folgende Voraussetzungen, um Heranwachsenden Partizipation zu ermöglichen: Erstens muss ein Schüler seine Interessen kennen und klären können, um sie öffentlich einbringen zu können, oder Entscheidungsfragen zuordnen zu können. Deshalb gilt es, damit anzufangen, eigene Positionen zu finden und zu klären (Wagner/Brüggen 2012: 31).
Zweitens müssen den Lernenden Resonanzerfahrungen ermöglicht werden. Die Entwicklung einer partizipativen Kultur geht mit einem Lernprozess einher. Dieser soll auch das Erproben der Formen und Möglichkeiten, sich zu artikulieren, beinhalten (Wagner/Brüggen 2012: 37). Für dieses Erproben kann die vernetzte Öffentlichkeit aufgegriffen werden. Hier kann die eigene Meinung veröffentlicht und artikuliert werden. Weiterhin soll die Resonanz dieser Veröffentlichung ins Zentrum pädagogischer Projekte gerückt werden (Wagner/Brüggen 2012: 38). Die folgenden beiden Fragen müssen dabei gestellt, diskutiert und mit Projektzielen abgeglichen werden:
- Sollen aufgrund des Datenschutzes personenbezogene oder anonyme Partizipationsformen gewählt werden? (Wagner/Brüggen 2012: 39)
- Sollen gesonderte Online-Räume geschaffen werden oder besteht die Möglichkeit, sich direkt in die medial gerahmten Sozialräume der Jugendlichen einzuklinken?(Wagner/Brüggen 2012: 39)
Hinweis:Weiterführende Informationen zu den
Themen „Barack Obama im Wahlkampf & die Nutzung des Web 2.0“
und zum „Bürgerhaushalt in Stuttgart“ finden sich in dem
Blogbeitrag Politik 2.0 als Mittel gegen Politikverdrossenheit?
(Autorin: Marion Baumann)
Literatur
Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ) 7/2012: Digitale Demokratie. Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen von http://www.bpb.de/apuz/75827/digitale-demokratie am 12.01.2013
Literatur
Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ) 7/2012: Digitale Demokratie. Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen von http://www.bpb.de/apuz/75827/digitale-demokratie am 12.01.2013
Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ)
39-40/2002: Online-Gesellschaft. Herausgegeben von der Bundeszentrale
für politische Bildung. Abgerufen von
http://www.bpb.de/apuz/26694/online-gesellschaft
am 19.01.2013
Brombach, Guido für
pb21.de: Welche Kompetenzen braucht
politische Bildung 2.0? Abgerufen von
http://pb21.de/2012/08/welche-kompetenzen-braucht-politische-bildung-2-0/
am 19.01.2013
Kneuer,
Marianne (2012): Demokratischer durch das Internet? Potenzial und
Grenzen des Internets für die Stärkung der Demokratie. In:
Schieren, Stefan (Hrsg.): Politische Bildung. Neue Medien, alte
Fragen? Das Internet in der Politik. Schwalbach/Ts: Wochenschau
Verlag
Krüger, Thomas (2011):
Revolutionsplattform Facebook? Wie das Internet politische Umbrüche
beeinflusst… Rede zur Eröffnung des “Content Gipfels” bei den
25. Medientagen München am 21.10.2011. Dokumentiert von
Muuß-Merholz, Jöran für
pb21.de. Abgerufen von
http://pb21.de/2011/10/revolutionsplattform-facebook/
am 19.01.2013
Noll,
Andreas: Revolution online. Das Internet und der Umbruch in der
arabischen Welt. Sendung vom 23.06.2011 im Deutschlandfunk. Abgerufen
von http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1488785/
am 19.01.2013
Pfeiffer,
Thomas für pb21.de : Politische
Bildung muss nach Facebook! Abgerufen von
http://pb21.de/2011/06/politische-bildung-muss-nach-facebook/
am 19.01.2013
Scholz,
Christian für pb21.de :
Bürgerbeteiligung im Online-Zeitalter Digitale Werkzeuge
zur Partizipation. Abgerufen von
http://pb21.de/2011/10/partizipation-teil-1/
am 19.01.2013
Wagner, Ulrike / Brüggen, Niels
(2012): Von Alibiveranstaltung und „Everyday-Makers“. Ansätze
von Partizipation im Netz. In: Lutz/Rösch/Seitz (Hrsg.):
Partizipation und Engagement im Netz. Neue Chancen für Demokratie
und Medienpädagogik
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Web 2.0
Sonntag, 13. Januar 2013
“Too Big to Know” - auf den Thesen David Weinbergers basierende Denkanstöße für die Schule
Geburtstagseinladungen über Facebook, Bücher auf dem iPad und kein Handyvertrag mehr ohne Internetflatrate - willkommen im 21. Jahrhundert! Längst bestimmen rasante technologische Fortschritte, neue Kommunikationsmittel und der grenzenlose Cyberspace unseren Alltag. Dass wir ohne Handy und Internetzugang noch Teil dieser Gesellschaft sein könnten, scheint uns zumindest in unserem Land nicht mehr vorstellbar, längst sind wir abhängig von der Technik, die für die heranwachsende Generation selbstverständlicher Teil der Welt ist. Was als Lese-Web begann, sich zum Lese-/Schreibe-Web entwickelt hat, ist nun zum Mitmach-Web geworden, zu einer Masse, die von Millionen Nutzern geformt und erweitert wird, jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde - weltweit. Was einst die Menschen näher zusammengebracht und die Kommunikation erleichtert hat, wird immer mehr zum Selbstläufer, der nicht nur von uns beeinflusst wird, sondern auch uns beeinflusst und die Menschen zwingt, jahrhundertealte und bewährte Begriffe zu überdenken und uns zurückführt zu der Frage, mit der sich schon Immanuel Kant befasste:
Ohne dass wir es gemerkt haben, greift das Web 2.0 unseren Wissensbegriff an, verändert seine Struktur, seine äußere Form und nicht zuletzt die Zugänge zu ihm. Gleichzeitig werden neue Bewertungsmaßstäbe eingeführt. In seinem Buch “Too big to know. Rethinking knowledge now that the facts aren’t the facts, experts are everywhere, and the smartest person in the room is the room” befasst sich der Internetphilosoph David Weinberger genau mit diesem Aspekts des Internets und rüttelt damit an den Grundfesten der Bildung.
Das ist ein guter Anlass, um das Bildungssystem in den Blick zu nehmen, denn wenn der Wissens- und Bildungsbegriff hinsichtlich seiner Veränderungen betrachtet wird, kann das Bildungswesen nicht unberührt bleiben. Es gilt, Thesen und vorsichtige Prognosen für das deutsche Bildungssystem abzuleiten und dessen Entwicklung aus übergeordneter Perspektive zu analysieren. Im Folgenden werden in Form von Denkanstößen Mutmaßungen darüber dargestellt, womit sich in Anlehnung an Weinbergers Gedanken Bildungspolitiker möglicherweise in Zukunft auseinandersetzen müssen.
Denkanstoß 1, oder: Alle Lehrbücher ins Altpapier?
Ein Blick in die Klassenzimmer Deutschlands lässt durchscheinen, dass Lehrbücher immer noch ein Hauptbestandteil des Unterrichts sind, wobei das Kollegium einer Schule in jedem Fach Lehrwerke verschiedener Verlage miteinander vergleichen, analysieren und bewerten muss. Dabei stimmen die Inhalte in den verschiedenen Büchern eines Faches zwar an den Lehrplan angelegt überein, dennoch spiegelt sich das didaktische und methodische Wissen der Autoren in unterschiedlicher Art und Weise wider. Lehrer wählen also ein Buch aus, aus welchem in den darauffolgenden Jahren mehrere Klassen lernen. Das ist so lange kein Problem, bis die Didaktikforschung zu neuen Erkenntnissen gelangt oder der Lehrplan überdacht wird - dann müssen neue Lehrmaterialien her.
Nie zuvor jedoch mussten sich Lehrbuchverlage außer hinsichtlich des Layouts, der Struktur und den Zusatzmaterialien auch hinsichtlich ihrer Internetpräsenz mit anderen Verlagen messen und noch dem stetigen Wissenszuwachs der Gesellschaft gerecht werden. Das mag für Sprachbücher weniger kompliziert zu sein als für Lehrbücher, die (scheinbar) faktische Erkenntnisse der Wissenschaft beinhalten.
Darüber hinaus könnte man nach der Lektüre Weinbergers anzweifeln, ob Bücher als Wissenstransporter überhaupt noch Glaubwürdigkeit genießen. Denn ein Problem, das durch das Internet verkompliziert wird, ist die Bewertung von Wissen und die Einordnung seines Wahrheitsgehalts. Zunächst betrifft das renommierte Wissenschaftler, die als Experten auf einem Gebiet gelten und sich auf einmal einer Konkurrenz, bestehend aus selbsternannten Experten aus aller Welt, die im Internet ihr Wissen über dasselbe Fachgebiet preisgeben, gegenübersehen. Diese konnten bislang getrost als verlässliche Wissensquelle fungieren und ihre Erkenntnisse in gedruckter Form weiterlehren - was aber nun, wenn im Internet eine Fülle an ergänzendem oder widerlegendem Wissen zu finden ist, welche von den Lesern im Internet je nach gegebenen Bewertungen anderer Internetuser ebenso verlässlich erscheint (vgl. Weinberger 2011, S.xii)?
Das Problem von Büchern ist in diesem Fall, dass sie Wissenschaftsdiskurse und Fortschritte nicht dokumentieren können und in ihrer gedruckten Form ein statischer Ausschnitt eines augenblicklichen Wissenstandes sind, welcher zudem auf dem Wissen weniger Menschen beruht. Weinberger bezeichnet Bücher als “nonconversational, one-way medium” (Weinberger 2011, S.95), in welchem Gedanken, einer zum anderen führend, linear aneinandergereiht sind. Da Bücher über mehrere Jahrhunderte das Hauptmedium der Wissensvermittlung waren, schließt er daraus, dass man weithin angenommen habe, dass Wissen dieselbe Struktur haben sollte, wie sie in Büchern dargestellt wird.
Im Vergleich dazu scheint im Internet dargestelltes Wissen allein deshalb wahrer, weil direkte Kommentare und Bewertungen viel eher ein dynamisches und aus diesem Grund für viele Menschen vielleicht verlässlicheres Bild von Wissen zeichnen, weil es in dieser Dynamik dem schnelllebigen Zeitgeist ähnelt. Nehmen Schüler heutzutage ihre Lehrer überhaupt noch ernst, wenn diese dafür plädieren, das Wissen aus Büchern zu entnehmen? Besteht überhaupt Verständnis dafür, dass Wissen gelernt werden muss, wenn es doch in Sekundenschnelle überall verfügbar ist? Genau diese Frage führt zu
Denkanstoß 2, oder: Revolution des Lehrplans?
Weinberger konstatiert, dass durch das Internet Wissen freier und schneller zugänglich ist als jemals zuvor. Wer sich also im Internet bewegt, wird von Wissen überflutet. Dadurch sieht er das Verständnis von Wissen, als die Reduktion dessen, was wir wissen müssen, als überholt an. Mit den Theorien Clay Shirkys begründet er hier allerdings die ernste Lage nicht durch “information overload” (ebenda) sondern durch einen “filter failure”, also einen Mangel an Einschränkungen dessen, was wir nicht unbedingt wissen müssen. Dies sei früher durch Zeitungen, Verlage etc. geschehen, also durch verlässliche Experten, während es heute den sozialen Netzwerken überlassen wird, herauszudestillieren, was wirklich wissenswert ist. Während in dem ersten Fall die “Zensur” einer Elite vorbehalten ist, übernimmt das im zweiten Fall der Bekanntenkreis, der durch Posts zu bestimmten Themen und Nachrichten in sozialen Netzwerken darauf aufmerksam macht, was es für Neuigkeiten zu wissen gibt (vgl. Pannen 2012, S. 58). Zur Debatte stehen politische Ereignisse und Entwicklungen oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse, über die sich die Nutzer von sozialen Netzwerke austauschen. Man kann annehmen, dass diese vor allem von Jugendlichen automatisch für interessanter gehalten werden, als das Wissen, dass Lehrer ihnen zu vermitteln versuchen, allein schon deshalb, weil sie direkt aus der peer group kommen. Grundsätzlich liegt darin die große Chance, selbständige Wissensaneignung auf einfache Art und Weise zu ermöglichen, in der Realität kann das aber andere Wege nehmen.
Ein Beispiel: Ein Jugendlicher liest über einen Post auf Facebook etwas über einen Sachverhalt und sein Interesse daran wird geweckt . Entweder er liest den geposteten Artikel und sein Wissensdurst ist gestillt oder aber, er will sich selbständig weiter darüber informieren. Wenn er dann im Internet recherchiert, so wird er zunächst untergehen in einer Informationsflut. Er hat nun folgende Möglichkeiten: erstens, er klickt das erste erscheinende Suchergebnis an. Zweitens, er wählt die Überschrift, die ihn aufgrund des Sprachniveaus, der Aufmachung etc. am meisten anspricht. Drittens, er sucht gezielt auf einer Seite, die ihm bekannt ist und deshalb zusagt. Alle drei Möglichkeiten bergen die Gefahr der einseitigen Information, diese kann unwahr, ungenau, unseriös und parteiisch sein. Hierzu zitiert Weinberger Studien des US-amerikanischen Politikers Cass Sunstein, der die These aufstellt, dass die Menschen im Internet besonders interessiert seien an den Meinungen, die den ihren ähnlich sind, was dazu führe, dass ihre Ansichten extremer würden. Es findet also eine Gruppenpolarisierung statt, die nicht zuletzt dadurch begünstigt wird, dass die Äußerung extremer Meinungen im Internet eine gute Strategie darstellt, um Aufmerksamkeit zu erregen (vgl. Weinberger 2011, S. 82 ff.).
Dieses Phänomen dürften auch Lehrer zu spüren bekommen. Besonders drastisch wäre dies zum Beispiel in einem Fall, in dem Schüler sich intensiv mit Verschwörungstheorien befasst hätten, die durch ihre scheinbar schlagende und einfach nachvollziehbare Logik besonders gern für bare Münze genommen werden. Hierbei manifestieren sich extreme Meinungen im Schafspelz von Faktenwissen. Das stellt Lehrer vor die schwierige Aufgabe, mit neutralen Fakten und neutralen Urteilen Schadensbegrenzung zu betreiben. Zwar hat der Jugendliche dann die Eigeninitiative ergriffen, sich zu bilden, ob das Ergebnis aber “gebildet” genannt werden kann, ist nicht zwangsläufig gewährleistet. Zudem mag es wohl einfacher sein, Wissen dorthin zu vermitteln, wo Nicht-Wissen vorhanden ist, als dorthin, wo extreme oder in anderer Weise falsche oder einseitige Überzeugungen vorhanden sind. Naiv davon auszugehen, dass das Gehirn der Schüler ein leeres Papier ist, dass mit Wissen beschrieben werden kann, ist heutzutage mehr denn je hinfällig. Vielmehr müssen Lehrer darauf vorbereitet sein, dass die Schüler mit mehr Vorahnungen oder Vorstellungen in die Schule kommen als bisher, aber dass dies eben auch bedeuten kann, dass die Vermittlung von Wissen dadurch nicht immer nur erleichtert wird. Damit werden an die Bildungspolitik neue Herausforderungen gestellt, die zum einen den Lehrplan und zum anderen die Rolle des Lehrers betreffen.
Der Lehrplan muss unter dem Aspekt überdacht werden, dass er den bereits erwähnten “filter failure” kompensieren kann. Dafür muss er zunächst einmal noch stärker kompetenz- statt wissensorientiert ausgerichtet sein, da sich das Wissen in einem nie dagewesenen Tempo verändert. Es wird nicht mehr ausreichen, sinnvolle Internetrecherche zu vermitteln, vielmehr müssten den Schülern Kompetenzen vermittelt werden, die sie befähigen, Webeinträge zu bewerten. Hierfür müssten aber erst einmal derartige “Handwerkszeuge” gefunden werden, an die zudem noch der Anspruch gestellt werden müsste, dass sie allgemeingültig sind. Mehr denn je wird wichtig, den Schülern Urteils- und Reflexionsfähigkeit zu vermitteln, vor allem in sozialwissenschaftlichen Fächern.
Dies kann zudem nur realisierbar sein, wenn auch der Wissenskanon neu festgelegt wird, da ihm die Aufgabe zukommt, zugleich Basis und Rahmen für das ständig fortschreitende und sich verändernde Wissen zu sein. Um diesem Anspruch zu genügen, muss er ausreichend komplex sein und darf gleichzeitig nicht so reduziert werden, dass er das zu Wissende auf eine vorgeprägte Weise künstlich begrenzt. Wie aber soll dieser Stoffkanon ausgemacht werden?
Denkanstoß 3, oder: Werden Lehrer zunehmend Legitimationsprobleme haben?
Im ersten Denkanstoß wurde bereits angedeutet, welche Schwierigkeiten Bücher zunehmend haben werden, als Medium von Wissen weiterhin Akzeptanz zu finden. Zudem wurde angeschnitten, dass auch Wissenschaftler immer mehr damit konfrontiert werden könnten, dass ihre Arbeit an Wert verliert. Anders gesagt: die Exklusivität ihrer Arbeit geht verloren, wobei Weinberger betont, dass das nicht bedeute, dass man keine professionellen Wissenschaftler mehr brauche, der Abstand zwischen dieser Gruppe und der der “Amateure” verringere sich jedoch (vgl. Weinberger 2011, S. 131). Das zieht die Frage nach sich, auf welche Quellen Bezug genommen werden soll, wenn es darum geht, Wissen auszumachen und weiterzuvermitteln. Eine Frage, die auch für die Bildungspolitik von Belang sein wird, nicht nur hinsichtlich eines einheitlichen Stoffkanons, sondern auch, und das steht damit direkt in Verbindung, hinsichtlich der Lehrerprofessionalität.
Lehrer könnten sich damit auseinandersetzen müssen, dass ihr Beruf, zumindest in der heutigen Form, hinsichtlich seiner Legitimation zur Debatte stehen könnte. Denn Lehrer sind in einer ihrer Hauptaufgaben für die Weitergabe von Wissen zuständig. Nur: bislang war dieses Wissen von Grenzen, seien sie noch so weitgefasst, umgeben. Das heißt, es besaß in seiner unendlichen Größe eine Form, die von verlässlichen Autoritäten vorgezeichnet wurde. Wie Weinberger nach Russell Ackoff konstatiert, ließ Wissen sich früher als Pyramide darstellen: Daten bieten die Grundlage für Informationen, die aus Daten extrahiert werden und zu Wissen führen, Wissen führt zu Verständnis und Verständnis ist das Endprodukt (ebenda, S.1). Weinberger stellt demgegenüber die These auf, dass Wissen nicht von seinem “new hyperlinked context of conversation, debate, elucidation and denigration” (Weinberger 2012, S. 118) losgelöst betrachtet werden kann, sondern dass Wissen genau dadurch verkörpert wird. Dies bedeute auch, dass das, was Lehrer vor Klassen unterrichten, nicht als Wissen zu bezeichnen ist. Damit bringt Weinberger vielleicht den größten Stein ins Rollen, denn sobald man sich auf ein Gedankenexperiment einlässt und die Auswirkungen dieser Feststellung auf das Bildungssystem durchspielt, wird deutlich, wie sich das eigene Weltbild immens ändern muss.
Muss also der Lehrerberuf überdacht werden oder genügt eine Verschiebung der Lehrerrolle hin zu einem Lernbegleiter, der die Schüler lehrt, sich durch das permanente Angebot von Wissen zu navigieren? Wie sollen Lehrer dann ausgebildet werden, wenn eine Ausbildung voraussetzt, dass man ebenfalls auf Lehrer angewiesen ist? Den radikalen Gedanken, dass dies auch dazu führen könnte, dass man grundsätzlich keine institutionalisierte Bildung mehr bräuchte, möchte man angesichts der Absurdität nicht unbedingt zu Ende führen. In einem Wort würde das eine Art Bildungsanarchie hervorrufen. Aus heutiger Sicht scheint das vielleicht noch zu sehr außerhalb unserer Vorstellungskraft liegend, so dass zunächst ein kleiner entscheidender Schritt im Modernisierungsprozess von Bildung gegangen werden muss. Dies beträfe dann zuerst die Rolle des Lehrers, in welcher mehr denn je die Aufgabe betont wird, durch den Wissensdschungel zu führen. Weitergedacht stellen sich aber auch Konsequenzen für das gesamte Schulsystem.
Denkanstoß 4, oder: Passt ein linear aufgebautes Schulsystem noch zu der im Web dargestellten Struktur des Wissens?
In unserem Schulsystem sind die Inhalte mehr oder weniger klar strukturiert, so dass der Stoff, der in einem Schuljahr vermittelt wird, jeweils die Basis für den Stoff des folgenden Schuljahres bildet. Allerdings bedeutet das auch, dass der Lernfortschritt der Schüler in streng lineare Bahnen gelenkt ist und nur selten Raum für eine Wissenskonstruktion ist, die einer Wissensverästelung in verschiedene Richtungen gleichkommt. Wie jeder Lehrer aber aus der Praxis weiß, wirft ein Thema bei den Schülern oft verschiedene Fragen auf. Jeder Schüler gliedert den neu gelernten Stoff an sein individuelles Vorwissen an und findet einen anderen Aspekt des Themas interessant. Nicht selten werden Fragen gestellt, deren Beantwortung einen Wissenszuwachs bedeuten könnten, die aber nicht ausreichend beantwortet werden können, da sie vielleicht eine zu starke Abweichung der vorgezeichneten Struktur der Stoffvermittlung bedeuten. Das Schulsystem scheint sich an Büchern zu orientieren, die dasselbe Problem haben, da sie nunmal an eine Form gebunden sind, die es nur erlaubt, den Inhalt linear darzustellen und zu begrenzen. Sie waren jahrhundertelang ausschlaggebend für unsere Vorstellung davon, wie Wissen geformt sein soll. Weinberger fasst das so zusammen:
Ob im Schulalltag staatlicher Schulen Raum gegeben wird, diese individuellen Wege zu gehen, ist stark zu bezweifeln. Dabei könnte auch aus lernpsychologischer Sicht durchaus wünschenswert sein, das Schulsystem stärker darauf auszurichten, dass Lernen dort vom Grundprinzip ähnlich aufgebaut ist wie die selbständige Informationssuche im Internet. Die Struktur des Internet würde auf Bildungsstätten übertragen werden, mit dem Unterschied, dass das Wissen hier nicht nur in Hypertextform zugänglich wäre, sondern auch didaktisch aufbereitet wäre. Den Schülern würde in anregender Lernumgebung die Möglichkeit gegeben, zu lernen, was in irgendeiner Form ihr individuelles Interesse geweckt hat und sie würden dabei auf etwas stoßen, was sie weiter interessiert. Sie könnten sich darüber weiter informieren und dabei wieder auf etwas für sie Interessantes stoßen und so weiter, so dass damit Kettenreaktionen angestoßen würden, die in alle möglichen Richtungen ausstrahlen könnten.
Die Funktion der Lehrer wäre neben der Funktion als Lernbegleiter, didaktisches Material so zur Verfügung zu stellen, dass die Schüler in ihrer Lernumgebung so auf Wissensuche gehen könnten, wie es auch im Internet möglich ist. An einem Beispiel erklärt: In Biologie befasst sich ein Schüler mit Echsen, weil das seine Lieblingstiere sind. Es stehen ihm Lernmaterialien zur Verfügung, mit welchen er sich über die verschiedenen Gattungen von Echsen informieren kann. In einem Lexikoneintrag fällt ihm die Art der Komodowarane auf, eine besonders große Echsenart. Allerdings gibt es diese nur auf kleinen Inseln in Indonesien. Nun würde er diese gerne in Wirklichkeit sehen, weiß aber nicht, wo Indonesien ist. Gäbe es bereits eine Zusammenstellung didaktischer Materialien über Asien, könnte direkt bei den Materialien über Echsen ein Hinweis hinterlegt sein, in welcher Abteilung der Schule der Schüler etwas über die Verbreitungsgebiete herausfinden kann.
Dies wäre dann quasi eine nachgespielte Internetrecherche mit dem Unterschied, dass sie sich nicht auf Texte, Videos etc. beschränkt, sondern abwechslungsreiche Methoden und Interaktion mit einschließen würde. Nun ist es ein großer Aufwand, alle miteinander durch Verweise zu verknüpfen, aber hier würde dann wieder der Lehrer ins Spiel kommen, der auf Nachfrage Hilfestellung bei der Suche geben würde oder auch direkte Bildungsangebote zu bestimmten Themen machen würde.
Ein Gedankenexperiment, dass sich auf absurd anmutende Weise vom Alltag in deutschen Schulen unterscheidet. Aber es gibt bereits Schulen, deren reformpädagogisches Konzept ähnliche Aspekte beinhaltet, beispielsweise die Freie Schule Pankow in Berlin. Sie ist Mitglied des Bundesverbandes der freien Alternativschulen e.V. , wobei es sich um einen Zusammenschluss von fast 100 deutschen Schulen mit alternativen Bildungskonzepten handelt. Das bildungspolitische Selbstverständnis dieser Schulen beinhaltet die These, dass Lerninhalte aus den Erfahrungen der Kinder erarbeitet werden und dass flexiblere und vielfältigere Lernformen der Komplexität des Lernens gerecht werden. Im Zusammenhang mit dem durch Weinberger gezeichneten Bild des Wissens scheinen Schulen mit derartigem Konzept nahezu modern und der Entwicklung durch das Web 2.0 angemessen.
Die ernüchternde Realität ist allerdings, dass solche Schulen vorwiegend privat und aus Initiativen von Eltern entstanden sind. Gleichermaßen haben sie Schwierigkeiten, dass ihre Abschlüsse als gleichwertig anerkannt sind, da es auf diesem Weg nicht gewährleistet ist, dass alle Schüler annähernd denselben Wissensstand erlangen. Als Indikator für die Qualität einer Schule gilt aber nach wie vor die Messbarkeit der erbrachten Schülerleistungen im nationalen und internationalen Vergleich. Dies setzt voraus, dass es einen einheitlichen Stoffkanon geben muss, anhand dem der Bildungsstand erhoben werden kann. Somit sind die eben aufgeführten Gedanken wieder eng mit denen im zweiten Denkanstoß verknüpft, da eine Erneuerung der Lehrpläne hin zu noch mehr Kompetenzorientierung auch neue Standards für den Vergleich von Schülerleistungen mit sich bringen würde, wodurch mehr Platz für die individuelle Zusammensetzung von Lerninhalten wäre.
Der letzte Denkanstoß, oder: Befasst sich die deutsche Bildungspolitik mit den falschen Reformüberlegungen oder ist Weinberger allen einen Quantensprung voraus?
Aktuell drehen sich bildungspolitische Diskussionen hauptsächlich um Themen wie Gemeinschaftsschulen, Integration und Bildungsbenachteiligung, angeregt durch die neuen Ergebnisse der Iglu- und Timss-Studien, aber auch internationale Vergleichbarkeit und Vernetzung. Nach den aus “Too big to know” abgeleiteten Überlegungen ist nicht der Schluss zu ziehen, dass diese Themen, mit denen sich Bildungspolitik beschäftigt, zu Recht Dauerbrenner in den Diskussionen sind. Entscheidend ist, dass diesen Diskussionen immer noch der traditionelle Wissensbegriff zugrunde liegt, auch wenn dieser nach Weinberger längst überholt ist. Es ist also fraglich, ob diese Diskussionen möglicherweise nur an der Oberfläche der Probleme kratzen, indem sie den Wandel des Wissens durch das neue Medium des interaktiven Internet nicht in ihre Überlegungen miteinbeziehen.
Dass das Internet einen festen Platz im Bildungsplan haben muss, ist Bildungsministerin Schavan auch klar ( vgl. Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 2008). Das Web ist also längst Inhalt von Bildungsplänen - zu Recht, auch aus Weinbergers Perspektive. Mehr denn je ist die Vermittlung von Medienkompetenz und die theoretische und kritische Betrachtung von Medien wichtig, anders würden wir untergehen in einem Sumpf von Informationen und Meinungen, die von Usern der ganzen Welt im Netz verbreitet werden (vgl. Weinberger 2011, S. 192).
Aus didaktischer und methodischer Perspektive ist das auch für Lehrkräfte überaus bereichernd. Methoden, inspiriert von den Möglichkeiten neuer Medien, zum Beispiel die Methode des Webquests, oder neue Darstellungsmöglichkeiten von politischen Debatten über ihre kontroverse Präsenz im Internet stellen wertvolle Bereicherungen für die Bildungsarbeit dar. Aber es stellt sich die Frage, ob dieser Umgang mit dem Web 2.0 genügt, oder ob es nicht eigentlich in der Zukunft selbst eine Reform verkörpert. Wie David Weinberger mit dem Wissensbegriff umgeht, stellt einen übergeordneten Ansatz von Bildungspolitik dar, der auf extreme Art und Weise zum Umdenken anregt: “We are in a crisis of knowledge” (ebenda S. 173).
Wir haben in den oben formulierten Denkanstößen nun vielleicht vorübergehend in mehr oder weniger ungewohnten Gedankenspielen und Perspektiven gedacht, aber wirklich weitergekommen sind wir nicht, dafür sind Weinbergers Theorien möglicherweise noch zu weit entfernt von unserem Realitätsverständnis. Wie also umgehen damit? Sich überstürzt in den Strudel der Entwicklungen, die das Web 2.0 mitbringt, zu übergeben und es ein Selbstläufer sein lassen, kann nicht der richtige Weg sein, schließlich handelt es sich dabei um einen technischen Fortschritt und Wandel, der von Menschen erfunden, initiiert und angetrieben wurde und wird. An der traditionellen Vorstellung von Wissen und seiner Struktur festzuhalten, die Veränderungen durch das Web 2.0 zu ignorieren und es als rein technischen und funktionalen Bestandteil unseres Seins anzusehen aber auch nicht.
Vielmehr sollten wir und unsere Bildungsinstitutionen aktiv und bewusst das Wissensnetz des Web weiterspinnen und ausgestalten, mit ihm interagieren und unsere Denkweisen daran anpassen. Denn mehr denn je haben wir ein Mittel zur Verfügung, das uns einen Schritt näher zur Erkenntnis gelangen lässt - und das in einer länder- und schichtenübergreifenden Kooperation auf der Basis freiwilliger User. Das ist jedenfalls unbestreitbar positiv. Welche weiteren Entwicklungen das in Wechselwirkung mit gesellschaftlichem Wandel und weiterem Fortschritt mit sich bringen wird, bleibt abzuwarten.Ob Weinbergers Thesen von der Welt wahrgenommen werden oder ob von selbst ein Bewusstseinswandel herbeigeführt wird, und ob das eine radikale Umwälzung der Bildung und Forschung mit sich bringen wird, liegt noch im Dunkeln. Derartige Veränderungen vorherzusagen, wird wohl immer außerhalb unserer Vorstellungskraft liegen, denn sie ist schlichtweg: too big to know.
(Autorin: Lea Weber)
Literatur
Pannen, Ute: Social-Media und politische Bildung. In: Neue Medien, alte Fragen? Das Internet in der Politik. Wochenschau Verlag, Schwalbach am Ts. 2012.
Schäfer, Miriam; Lojewski, Johanna: Internet und Bildungschancen. Die soziale Realität des virtuellen Raums. kopaed, München 2007.
Weinberger, David: Too big to know. Rethinking Knowledge Now That the Facts Aren’t the Facts, Experts are Everywhere, and the smartest Person in the Room Is the Room. Basic Books New York, 2011.
Was kann ich wissen?Während hier die Betonung auf dem was liegt, muss die Frage nun aber genauso lauten: ”Was kann ich wissen?”, denn das Repertoire an Fakten und Meinungen im Internet steigt stetig und gewinnt damit an Unübersichtlichkeit, so dass längst kein einfacher Zugang, wie früher ein Gang in die Bibliothek, mehr zu gewährleisten ist. Es ist aber auch berechtigt, die Frage so zu betonen: Was kann ich wissen? Mehr denn je fordert das Internet den Beitrag Einzelner, um ihn gegen andere Positionen auszuspielen und damit die Suche nach der Wahrheit voranzutreiben. Zuletzt stellt sich aber auch die Frage, was man wissen kann. Denn wie kann man sich sicher sein, dass man etwas wirklich weiß, wo sich im Internet zu jedem Thema Menschen finden, die alle von sich behaupten, das meiste zu wissen und kein verlässlicher Experte mehr auszumachen ist?
Ohne dass wir es gemerkt haben, greift das Web 2.0 unseren Wissensbegriff an, verändert seine Struktur, seine äußere Form und nicht zuletzt die Zugänge zu ihm. Gleichzeitig werden neue Bewertungsmaßstäbe eingeführt. In seinem Buch “Too big to know. Rethinking knowledge now that the facts aren’t the facts, experts are everywhere, and the smartest person in the room is the room” befasst sich der Internetphilosoph David Weinberger genau mit diesem Aspekts des Internets und rüttelt damit an den Grundfesten der Bildung.
Das ist ein guter Anlass, um das Bildungssystem in den Blick zu nehmen, denn wenn der Wissens- und Bildungsbegriff hinsichtlich seiner Veränderungen betrachtet wird, kann das Bildungswesen nicht unberührt bleiben. Es gilt, Thesen und vorsichtige Prognosen für das deutsche Bildungssystem abzuleiten und dessen Entwicklung aus übergeordneter Perspektive zu analysieren. Im Folgenden werden in Form von Denkanstößen Mutmaßungen darüber dargestellt, womit sich in Anlehnung an Weinbergers Gedanken Bildungspolitiker möglicherweise in Zukunft auseinandersetzen müssen.
Denkanstoß 1, oder: Alle Lehrbücher ins Altpapier?
Ein Blick in die Klassenzimmer Deutschlands lässt durchscheinen, dass Lehrbücher immer noch ein Hauptbestandteil des Unterrichts sind, wobei das Kollegium einer Schule in jedem Fach Lehrwerke verschiedener Verlage miteinander vergleichen, analysieren und bewerten muss. Dabei stimmen die Inhalte in den verschiedenen Büchern eines Faches zwar an den Lehrplan angelegt überein, dennoch spiegelt sich das didaktische und methodische Wissen der Autoren in unterschiedlicher Art und Weise wider. Lehrer wählen also ein Buch aus, aus welchem in den darauffolgenden Jahren mehrere Klassen lernen. Das ist so lange kein Problem, bis die Didaktikforschung zu neuen Erkenntnissen gelangt oder der Lehrplan überdacht wird - dann müssen neue Lehrmaterialien her.
Nie zuvor jedoch mussten sich Lehrbuchverlage außer hinsichtlich des Layouts, der Struktur und den Zusatzmaterialien auch hinsichtlich ihrer Internetpräsenz mit anderen Verlagen messen und noch dem stetigen Wissenszuwachs der Gesellschaft gerecht werden. Das mag für Sprachbücher weniger kompliziert zu sein als für Lehrbücher, die (scheinbar) faktische Erkenntnisse der Wissenschaft beinhalten.
Darüber hinaus könnte man nach der Lektüre Weinbergers anzweifeln, ob Bücher als Wissenstransporter überhaupt noch Glaubwürdigkeit genießen. Denn ein Problem, das durch das Internet verkompliziert wird, ist die Bewertung von Wissen und die Einordnung seines Wahrheitsgehalts. Zunächst betrifft das renommierte Wissenschaftler, die als Experten auf einem Gebiet gelten und sich auf einmal einer Konkurrenz, bestehend aus selbsternannten Experten aus aller Welt, die im Internet ihr Wissen über dasselbe Fachgebiet preisgeben, gegenübersehen. Diese konnten bislang getrost als verlässliche Wissensquelle fungieren und ihre Erkenntnisse in gedruckter Form weiterlehren - was aber nun, wenn im Internet eine Fülle an ergänzendem oder widerlegendem Wissen zu finden ist, welche von den Lesern im Internet je nach gegebenen Bewertungen anderer Internetuser ebenso verlässlich erscheint (vgl. Weinberger 2011, S.xii)?
Das Problem von Büchern ist in diesem Fall, dass sie Wissenschaftsdiskurse und Fortschritte nicht dokumentieren können und in ihrer gedruckten Form ein statischer Ausschnitt eines augenblicklichen Wissenstandes sind, welcher zudem auf dem Wissen weniger Menschen beruht. Weinberger bezeichnet Bücher als “nonconversational, one-way medium” (Weinberger 2011, S.95), in welchem Gedanken, einer zum anderen führend, linear aneinandergereiht sind. Da Bücher über mehrere Jahrhunderte das Hauptmedium der Wissensvermittlung waren, schließt er daraus, dass man weithin angenommen habe, dass Wissen dieselbe Struktur haben sollte, wie sie in Büchern dargestellt wird.
Im Vergleich dazu scheint im Internet dargestelltes Wissen allein deshalb wahrer, weil direkte Kommentare und Bewertungen viel eher ein dynamisches und aus diesem Grund für viele Menschen vielleicht verlässlicheres Bild von Wissen zeichnen, weil es in dieser Dynamik dem schnelllebigen Zeitgeist ähnelt. Nehmen Schüler heutzutage ihre Lehrer überhaupt noch ernst, wenn diese dafür plädieren, das Wissen aus Büchern zu entnehmen? Besteht überhaupt Verständnis dafür, dass Wissen gelernt werden muss, wenn es doch in Sekundenschnelle überall verfügbar ist? Genau diese Frage führt zu
Denkanstoß 2, oder: Revolution des Lehrplans?
Weinberger konstatiert, dass durch das Internet Wissen freier und schneller zugänglich ist als jemals zuvor. Wer sich also im Internet bewegt, wird von Wissen überflutet. Dadurch sieht er das Verständnis von Wissen, als die Reduktion dessen, was wir wissen müssen, als überholt an. Mit den Theorien Clay Shirkys begründet er hier allerdings die ernste Lage nicht durch “information overload” (ebenda) sondern durch einen “filter failure”, also einen Mangel an Einschränkungen dessen, was wir nicht unbedingt wissen müssen. Dies sei früher durch Zeitungen, Verlage etc. geschehen, also durch verlässliche Experten, während es heute den sozialen Netzwerken überlassen wird, herauszudestillieren, was wirklich wissenswert ist. Während in dem ersten Fall die “Zensur” einer Elite vorbehalten ist, übernimmt das im zweiten Fall der Bekanntenkreis, der durch Posts zu bestimmten Themen und Nachrichten in sozialen Netzwerken darauf aufmerksam macht, was es für Neuigkeiten zu wissen gibt (vgl. Pannen 2012, S. 58). Zur Debatte stehen politische Ereignisse und Entwicklungen oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse, über die sich die Nutzer von sozialen Netzwerke austauschen. Man kann annehmen, dass diese vor allem von Jugendlichen automatisch für interessanter gehalten werden, als das Wissen, dass Lehrer ihnen zu vermitteln versuchen, allein schon deshalb, weil sie direkt aus der peer group kommen. Grundsätzlich liegt darin die große Chance, selbständige Wissensaneignung auf einfache Art und Weise zu ermöglichen, in der Realität kann das aber andere Wege nehmen.
Ein Beispiel: Ein Jugendlicher liest über einen Post auf Facebook etwas über einen Sachverhalt und sein Interesse daran wird geweckt . Entweder er liest den geposteten Artikel und sein Wissensdurst ist gestillt oder aber, er will sich selbständig weiter darüber informieren. Wenn er dann im Internet recherchiert, so wird er zunächst untergehen in einer Informationsflut. Er hat nun folgende Möglichkeiten: erstens, er klickt das erste erscheinende Suchergebnis an. Zweitens, er wählt die Überschrift, die ihn aufgrund des Sprachniveaus, der Aufmachung etc. am meisten anspricht. Drittens, er sucht gezielt auf einer Seite, die ihm bekannt ist und deshalb zusagt. Alle drei Möglichkeiten bergen die Gefahr der einseitigen Information, diese kann unwahr, ungenau, unseriös und parteiisch sein. Hierzu zitiert Weinberger Studien des US-amerikanischen Politikers Cass Sunstein, der die These aufstellt, dass die Menschen im Internet besonders interessiert seien an den Meinungen, die den ihren ähnlich sind, was dazu führe, dass ihre Ansichten extremer würden. Es findet also eine Gruppenpolarisierung statt, die nicht zuletzt dadurch begünstigt wird, dass die Äußerung extremer Meinungen im Internet eine gute Strategie darstellt, um Aufmerksamkeit zu erregen (vgl. Weinberger 2011, S. 82 ff.).
Dieses Phänomen dürften auch Lehrer zu spüren bekommen. Besonders drastisch wäre dies zum Beispiel in einem Fall, in dem Schüler sich intensiv mit Verschwörungstheorien befasst hätten, die durch ihre scheinbar schlagende und einfach nachvollziehbare Logik besonders gern für bare Münze genommen werden. Hierbei manifestieren sich extreme Meinungen im Schafspelz von Faktenwissen. Das stellt Lehrer vor die schwierige Aufgabe, mit neutralen Fakten und neutralen Urteilen Schadensbegrenzung zu betreiben. Zwar hat der Jugendliche dann die Eigeninitiative ergriffen, sich zu bilden, ob das Ergebnis aber “gebildet” genannt werden kann, ist nicht zwangsläufig gewährleistet. Zudem mag es wohl einfacher sein, Wissen dorthin zu vermitteln, wo Nicht-Wissen vorhanden ist, als dorthin, wo extreme oder in anderer Weise falsche oder einseitige Überzeugungen vorhanden sind. Naiv davon auszugehen, dass das Gehirn der Schüler ein leeres Papier ist, dass mit Wissen beschrieben werden kann, ist heutzutage mehr denn je hinfällig. Vielmehr müssen Lehrer darauf vorbereitet sein, dass die Schüler mit mehr Vorahnungen oder Vorstellungen in die Schule kommen als bisher, aber dass dies eben auch bedeuten kann, dass die Vermittlung von Wissen dadurch nicht immer nur erleichtert wird. Damit werden an die Bildungspolitik neue Herausforderungen gestellt, die zum einen den Lehrplan und zum anderen die Rolle des Lehrers betreffen.
Der Lehrplan muss unter dem Aspekt überdacht werden, dass er den bereits erwähnten “filter failure” kompensieren kann. Dafür muss er zunächst einmal noch stärker kompetenz- statt wissensorientiert ausgerichtet sein, da sich das Wissen in einem nie dagewesenen Tempo verändert. Es wird nicht mehr ausreichen, sinnvolle Internetrecherche zu vermitteln, vielmehr müssten den Schülern Kompetenzen vermittelt werden, die sie befähigen, Webeinträge zu bewerten. Hierfür müssten aber erst einmal derartige “Handwerkszeuge” gefunden werden, an die zudem noch der Anspruch gestellt werden müsste, dass sie allgemeingültig sind. Mehr denn je wird wichtig, den Schülern Urteils- und Reflexionsfähigkeit zu vermitteln, vor allem in sozialwissenschaftlichen Fächern.
Dies kann zudem nur realisierbar sein, wenn auch der Wissenskanon neu festgelegt wird, da ihm die Aufgabe zukommt, zugleich Basis und Rahmen für das ständig fortschreitende und sich verändernde Wissen zu sein. Um diesem Anspruch zu genügen, muss er ausreichend komplex sein und darf gleichzeitig nicht so reduziert werden, dass er das zu Wissende auf eine vorgeprägte Weise künstlich begrenzt. Wie aber soll dieser Stoffkanon ausgemacht werden?
Denkanstoß 3, oder: Werden Lehrer zunehmend Legitimationsprobleme haben?
Im ersten Denkanstoß wurde bereits angedeutet, welche Schwierigkeiten Bücher zunehmend haben werden, als Medium von Wissen weiterhin Akzeptanz zu finden. Zudem wurde angeschnitten, dass auch Wissenschaftler immer mehr damit konfrontiert werden könnten, dass ihre Arbeit an Wert verliert. Anders gesagt: die Exklusivität ihrer Arbeit geht verloren, wobei Weinberger betont, dass das nicht bedeute, dass man keine professionellen Wissenschaftler mehr brauche, der Abstand zwischen dieser Gruppe und der der “Amateure” verringere sich jedoch (vgl. Weinberger 2011, S. 131). Das zieht die Frage nach sich, auf welche Quellen Bezug genommen werden soll, wenn es darum geht, Wissen auszumachen und weiterzuvermitteln. Eine Frage, die auch für die Bildungspolitik von Belang sein wird, nicht nur hinsichtlich eines einheitlichen Stoffkanons, sondern auch, und das steht damit direkt in Verbindung, hinsichtlich der Lehrerprofessionalität.
Lehrer könnten sich damit auseinandersetzen müssen, dass ihr Beruf, zumindest in der heutigen Form, hinsichtlich seiner Legitimation zur Debatte stehen könnte. Denn Lehrer sind in einer ihrer Hauptaufgaben für die Weitergabe von Wissen zuständig. Nur: bislang war dieses Wissen von Grenzen, seien sie noch so weitgefasst, umgeben. Das heißt, es besaß in seiner unendlichen Größe eine Form, die von verlässlichen Autoritäten vorgezeichnet wurde. Wie Weinberger nach Russell Ackoff konstatiert, ließ Wissen sich früher als Pyramide darstellen: Daten bieten die Grundlage für Informationen, die aus Daten extrahiert werden und zu Wissen führen, Wissen führt zu Verständnis und Verständnis ist das Endprodukt (ebenda, S.1). Weinberger stellt demgegenüber die These auf, dass Wissen nicht von seinem “new hyperlinked context of conversation, debate, elucidation and denigration” (Weinberger 2012, S. 118) losgelöst betrachtet werden kann, sondern dass Wissen genau dadurch verkörpert wird. Dies bedeute auch, dass das, was Lehrer vor Klassen unterrichten, nicht als Wissen zu bezeichnen ist. Damit bringt Weinberger vielleicht den größten Stein ins Rollen, denn sobald man sich auf ein Gedankenexperiment einlässt und die Auswirkungen dieser Feststellung auf das Bildungssystem durchspielt, wird deutlich, wie sich das eigene Weltbild immens ändern muss.
Muss also der Lehrerberuf überdacht werden oder genügt eine Verschiebung der Lehrerrolle hin zu einem Lernbegleiter, der die Schüler lehrt, sich durch das permanente Angebot von Wissen zu navigieren? Wie sollen Lehrer dann ausgebildet werden, wenn eine Ausbildung voraussetzt, dass man ebenfalls auf Lehrer angewiesen ist? Den radikalen Gedanken, dass dies auch dazu führen könnte, dass man grundsätzlich keine institutionalisierte Bildung mehr bräuchte, möchte man angesichts der Absurdität nicht unbedingt zu Ende führen. In einem Wort würde das eine Art Bildungsanarchie hervorrufen. Aus heutiger Sicht scheint das vielleicht noch zu sehr außerhalb unserer Vorstellungskraft liegend, so dass zunächst ein kleiner entscheidender Schritt im Modernisierungsprozess von Bildung gegangen werden muss. Dies beträfe dann zuerst die Rolle des Lehrers, in welcher mehr denn je die Aufgabe betont wird, durch den Wissensdschungel zu führen. Weitergedacht stellen sich aber auch Konsequenzen für das gesamte Schulsystem.
Denkanstoß 4, oder: Passt ein linear aufgebautes Schulsystem noch zu der im Web dargestellten Struktur des Wissens?
In unserem Schulsystem sind die Inhalte mehr oder weniger klar strukturiert, so dass der Stoff, der in einem Schuljahr vermittelt wird, jeweils die Basis für den Stoff des folgenden Schuljahres bildet. Allerdings bedeutet das auch, dass der Lernfortschritt der Schüler in streng lineare Bahnen gelenkt ist und nur selten Raum für eine Wissenskonstruktion ist, die einer Wissensverästelung in verschiedene Richtungen gleichkommt. Wie jeder Lehrer aber aus der Praxis weiß, wirft ein Thema bei den Schülern oft verschiedene Fragen auf. Jeder Schüler gliedert den neu gelernten Stoff an sein individuelles Vorwissen an und findet einen anderen Aspekt des Themas interessant. Nicht selten werden Fragen gestellt, deren Beantwortung einen Wissenszuwachs bedeuten könnten, die aber nicht ausreichend beantwortet werden können, da sie vielleicht eine zu starke Abweichung der vorgezeichneten Struktur der Stoffvermittlung bedeuten. Das Schulsystem scheint sich an Büchern zu orientieren, die dasselbe Problem haben, da sie nunmal an eine Form gebunden sind, die es nur erlaubt, den Inhalt linear darzustellen und zu begrenzen. Sie waren jahrhundertelang ausschlaggebend für unsere Vorstellung davon, wie Wissen geformt sein soll. Weinberger fasst das so zusammen:
“We’ve had to build a long sequence of thoughts, one leading to another, because books put one page after another. Long-form thinking looks the way because books shaped it that way. And because books have been knowledge’s medium, we have thought that that’s how knowledge should be shaped.” (Weinberger 2012, S. 95)Das Web hingegen präsentiert Wissen in anderer Form und zwar in einer, die einer unvorstellbar gigantischen Mindmap, “a network of thought of any length and form” (ebenda S. 105), gleicht - laut Weinberger vielleicht eine bessere Art, die Welt zu verstehen (vgl. ebenda). Dass das Internet durch diese “nonlineare (Hypertext)Struktur” (Schäfer 2001, S.99) die Möglichkeit bietet, individuelle Lernwege zu gehen, ist durchaus keine neue Erkenntnis (vgl. ebenda ff.). Auch die Begriffe “eigenverantwortliches Lernen” oder “selbstgesteuertes Lernen” sind in didaktischen und schulpädagogischen Kontexten omnipräsent. Die Chancen des Internet bestehen darin, dass dies auch außerhalb der Schule individuell stattfinden kann, die Realität zeigt jedoch, dass das Internet je nach Milieu und Schulart nicht gleich stark für den Wissenserwerb genutzt wird. Schüler von geringerem Bildungsniveau nutzen das Internet eher selten selbständig als Lernquelle (ebenda, S. 116 ff.).
Ob im Schulalltag staatlicher Schulen Raum gegeben wird, diese individuellen Wege zu gehen, ist stark zu bezweifeln. Dabei könnte auch aus lernpsychologischer Sicht durchaus wünschenswert sein, das Schulsystem stärker darauf auszurichten, dass Lernen dort vom Grundprinzip ähnlich aufgebaut ist wie die selbständige Informationssuche im Internet. Die Struktur des Internet würde auf Bildungsstätten übertragen werden, mit dem Unterschied, dass das Wissen hier nicht nur in Hypertextform zugänglich wäre, sondern auch didaktisch aufbereitet wäre. Den Schülern würde in anregender Lernumgebung die Möglichkeit gegeben, zu lernen, was in irgendeiner Form ihr individuelles Interesse geweckt hat und sie würden dabei auf etwas stoßen, was sie weiter interessiert. Sie könnten sich darüber weiter informieren und dabei wieder auf etwas für sie Interessantes stoßen und so weiter, so dass damit Kettenreaktionen angestoßen würden, die in alle möglichen Richtungen ausstrahlen könnten.
Die Funktion der Lehrer wäre neben der Funktion als Lernbegleiter, didaktisches Material so zur Verfügung zu stellen, dass die Schüler in ihrer Lernumgebung so auf Wissensuche gehen könnten, wie es auch im Internet möglich ist. An einem Beispiel erklärt: In Biologie befasst sich ein Schüler mit Echsen, weil das seine Lieblingstiere sind. Es stehen ihm Lernmaterialien zur Verfügung, mit welchen er sich über die verschiedenen Gattungen von Echsen informieren kann. In einem Lexikoneintrag fällt ihm die Art der Komodowarane auf, eine besonders große Echsenart. Allerdings gibt es diese nur auf kleinen Inseln in Indonesien. Nun würde er diese gerne in Wirklichkeit sehen, weiß aber nicht, wo Indonesien ist. Gäbe es bereits eine Zusammenstellung didaktischer Materialien über Asien, könnte direkt bei den Materialien über Echsen ein Hinweis hinterlegt sein, in welcher Abteilung der Schule der Schüler etwas über die Verbreitungsgebiete herausfinden kann.
Dies wäre dann quasi eine nachgespielte Internetrecherche mit dem Unterschied, dass sie sich nicht auf Texte, Videos etc. beschränkt, sondern abwechslungsreiche Methoden und Interaktion mit einschließen würde. Nun ist es ein großer Aufwand, alle miteinander durch Verweise zu verknüpfen, aber hier würde dann wieder der Lehrer ins Spiel kommen, der auf Nachfrage Hilfestellung bei der Suche geben würde oder auch direkte Bildungsangebote zu bestimmten Themen machen würde.
Ein Gedankenexperiment, dass sich auf absurd anmutende Weise vom Alltag in deutschen Schulen unterscheidet. Aber es gibt bereits Schulen, deren reformpädagogisches Konzept ähnliche Aspekte beinhaltet, beispielsweise die Freie Schule Pankow in Berlin. Sie ist Mitglied des Bundesverbandes der freien Alternativschulen e.V. , wobei es sich um einen Zusammenschluss von fast 100 deutschen Schulen mit alternativen Bildungskonzepten handelt. Das bildungspolitische Selbstverständnis dieser Schulen beinhaltet die These, dass Lerninhalte aus den Erfahrungen der Kinder erarbeitet werden und dass flexiblere und vielfältigere Lernformen der Komplexität des Lernens gerecht werden. Im Zusammenhang mit dem durch Weinberger gezeichneten Bild des Wissens scheinen Schulen mit derartigem Konzept nahezu modern und der Entwicklung durch das Web 2.0 angemessen.
Die ernüchternde Realität ist allerdings, dass solche Schulen vorwiegend privat und aus Initiativen von Eltern entstanden sind. Gleichermaßen haben sie Schwierigkeiten, dass ihre Abschlüsse als gleichwertig anerkannt sind, da es auf diesem Weg nicht gewährleistet ist, dass alle Schüler annähernd denselben Wissensstand erlangen. Als Indikator für die Qualität einer Schule gilt aber nach wie vor die Messbarkeit der erbrachten Schülerleistungen im nationalen und internationalen Vergleich. Dies setzt voraus, dass es einen einheitlichen Stoffkanon geben muss, anhand dem der Bildungsstand erhoben werden kann. Somit sind die eben aufgeführten Gedanken wieder eng mit denen im zweiten Denkanstoß verknüpft, da eine Erneuerung der Lehrpläne hin zu noch mehr Kompetenzorientierung auch neue Standards für den Vergleich von Schülerleistungen mit sich bringen würde, wodurch mehr Platz für die individuelle Zusammensetzung von Lerninhalten wäre.
Der letzte Denkanstoß, oder: Befasst sich die deutsche Bildungspolitik mit den falschen Reformüberlegungen oder ist Weinberger allen einen Quantensprung voraus?
Aktuell drehen sich bildungspolitische Diskussionen hauptsächlich um Themen wie Gemeinschaftsschulen, Integration und Bildungsbenachteiligung, angeregt durch die neuen Ergebnisse der Iglu- und Timss-Studien, aber auch internationale Vergleichbarkeit und Vernetzung. Nach den aus “Too big to know” abgeleiteten Überlegungen ist nicht der Schluss zu ziehen, dass diese Themen, mit denen sich Bildungspolitik beschäftigt, zu Recht Dauerbrenner in den Diskussionen sind. Entscheidend ist, dass diesen Diskussionen immer noch der traditionelle Wissensbegriff zugrunde liegt, auch wenn dieser nach Weinberger längst überholt ist. Es ist also fraglich, ob diese Diskussionen möglicherweise nur an der Oberfläche der Probleme kratzen, indem sie den Wandel des Wissens durch das neue Medium des interaktiven Internet nicht in ihre Überlegungen miteinbeziehen.
Dass das Internet einen festen Platz im Bildungsplan haben muss, ist Bildungsministerin Schavan auch klar ( vgl. Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 2008). Das Web ist also längst Inhalt von Bildungsplänen - zu Recht, auch aus Weinbergers Perspektive. Mehr denn je ist die Vermittlung von Medienkompetenz und die theoretische und kritische Betrachtung von Medien wichtig, anders würden wir untergehen in einem Sumpf von Informationen und Meinungen, die von Usern der ganzen Welt im Netz verbreitet werden (vgl. Weinberger 2011, S. 192).
Aus didaktischer und methodischer Perspektive ist das auch für Lehrkräfte überaus bereichernd. Methoden, inspiriert von den Möglichkeiten neuer Medien, zum Beispiel die Methode des Webquests, oder neue Darstellungsmöglichkeiten von politischen Debatten über ihre kontroverse Präsenz im Internet stellen wertvolle Bereicherungen für die Bildungsarbeit dar. Aber es stellt sich die Frage, ob dieser Umgang mit dem Web 2.0 genügt, oder ob es nicht eigentlich in der Zukunft selbst eine Reform verkörpert. Wie David Weinberger mit dem Wissensbegriff umgeht, stellt einen übergeordneten Ansatz von Bildungspolitik dar, der auf extreme Art und Weise zum Umdenken anregt: “We are in a crisis of knowledge” (ebenda S. 173).
Wir haben in den oben formulierten Denkanstößen nun vielleicht vorübergehend in mehr oder weniger ungewohnten Gedankenspielen und Perspektiven gedacht, aber wirklich weitergekommen sind wir nicht, dafür sind Weinbergers Theorien möglicherweise noch zu weit entfernt von unserem Realitätsverständnis. Wie also umgehen damit? Sich überstürzt in den Strudel der Entwicklungen, die das Web 2.0 mitbringt, zu übergeben und es ein Selbstläufer sein lassen, kann nicht der richtige Weg sein, schließlich handelt es sich dabei um einen technischen Fortschritt und Wandel, der von Menschen erfunden, initiiert und angetrieben wurde und wird. An der traditionellen Vorstellung von Wissen und seiner Struktur festzuhalten, die Veränderungen durch das Web 2.0 zu ignorieren und es als rein technischen und funktionalen Bestandteil unseres Seins anzusehen aber auch nicht.
Vielmehr sollten wir und unsere Bildungsinstitutionen aktiv und bewusst das Wissensnetz des Web weiterspinnen und ausgestalten, mit ihm interagieren und unsere Denkweisen daran anpassen. Denn mehr denn je haben wir ein Mittel zur Verfügung, das uns einen Schritt näher zur Erkenntnis gelangen lässt - und das in einer länder- und schichtenübergreifenden Kooperation auf der Basis freiwilliger User. Das ist jedenfalls unbestreitbar positiv. Welche weiteren Entwicklungen das in Wechselwirkung mit gesellschaftlichem Wandel und weiterem Fortschritt mit sich bringen wird, bleibt abzuwarten.Ob Weinbergers Thesen von der Welt wahrgenommen werden oder ob von selbst ein Bewusstseinswandel herbeigeführt wird, und ob das eine radikale Umwälzung der Bildung und Forschung mit sich bringen wird, liegt noch im Dunkeln. Derartige Veränderungen vorherzusagen, wird wohl immer außerhalb unserer Vorstellungskraft liegen, denn sie ist schlichtweg: too big to know.
(Autorin: Lea Weber)
Literatur
Pannen, Ute: Social-Media und politische Bildung. In: Neue Medien, alte Fragen? Das Internet in der Politik. Wochenschau Verlag, Schwalbach am Ts. 2012.
Schäfer, Miriam; Lojewski, Johanna: Internet und Bildungschancen. Die soziale Realität des virtuellen Raums. kopaed, München 2007.
Weinberger, David: Too big to know. Rethinking Knowledge Now That the Facts Aren’t the Facts, Experts are Everywhere, and the smartest Person in the Room Is the Room. Basic Books New York, 2011.
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Web 2.0,
Wissen_20
Freitag, 11. Januar 2013
In der Webfalle
Ich würde gerne auf folgende Geschichte, die exemplarisch für die Gefahren im Web 2.0 ist, aufmerksam machen. Bei der Dreikönigsrede von Philipp Rösler am 6.1.13 in Stuttgart, versuchte ein etwas übermotivierter Juso seinem Ärger über die Politik des Ministers Luft zu verschaffen:
Über die Tragweite dieser Aktion lässt sich sicher streiten. Immerhin hat auch die Grüne Jugend Stuttgart versuchte mit einer Aktion die Rede Röslers zu stören, wenn auch kreativer und mit etwas mehr Niveau. Jedenfalls erstellte HW im Anschluss an seine Aktion eine eigene Fanpage auf facebook. Dazu brauchte er natürlich ein passendes Bild. Er entschied sich für eine Fotomontage, deren Kulisse eine Exekution während des Vietnamkrieges darstellte. Röslers Kopf setzte er auf den "Mörder von Saigon" und seinen eigenen auf den des Opfers. Was nun passiert, hat der Blogger Tobias Raff hier skizziert. Mittlerweile hat HW es sogar in den Südkurier geschafft.
Das Problem, mit dem HW sich jetzt auseinandersetzen darf ist, dass sein Ruf im Netz erheblichen Schaden erlitten hat. Wer seinen Namen googelt, stößt umgehend auf diesen unrühmlichen Sachverhalt. Es wird ihn viel Anstrengung kosten, seinen Ruf wieder aufzupäppeln. Der Versuch Röslers Ruf zu beschädigen ist wie ein Bumerang zu ihm zurückgekommen.
Das Problem, mit dem HW sich jetzt auseinandersetzen darf ist, dass sein Ruf im Netz erheblichen Schaden erlitten hat. Wer seinen Namen googelt, stößt umgehend auf diesen unrühmlichen Sachverhalt. Es wird ihn viel Anstrengung kosten, seinen Ruf wieder aufzupäppeln. Der Versuch Röslers Ruf zu beschädigen ist wie ein Bumerang zu ihm zurückgekommen.
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