Dienstag, 9. August 2022

Definition von Verschwörungstheorien

Vor allem heute in Zeiten von Sozialen Medien und Internet sind Verschwörungstheorien omnipräsent (vgl. Stiftung Kloster Dallheim, 2020, S. 10). Besonders in der aktuellen Corona-Pandemie trifft man auf einige Verschwörungstheorien. „Fake News und Verschwörungserzählungen, darin waren sich Experten weltweit einig, haben sich direkt zu Beginn der COVID-19-Pandemie ähnlich rasant verbreitet wie das Virus selbst“ (Nocun und Lamberty 2020, S. 253). Bislang existiert noch keine allgemein anerkannte Definition von Verschwörungstheorien. Man kann jedoch sagen, dass Vermutungen, an einer Sache könnte mehr dran sein als auf den ersten Blick zu erkennen, oder der Verdacht, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht, nicht zwangsläufig in einer Verschwörungstheorie enden (vgl. Hepfer 2015, S. 23).

Im Allgemeinen sind Theorien vereinfachte Modelle der Wirklichkeit. Theorien bestehen aus einem System von Sätzen, die sich gegenseitig stützen und begründen. Das Ziel einer Theorie ist durch die Konzentration und die Verallgemeinerung auf Merkmale des zu erklärenden Phänomens, klare und logisch folgerichtige Antworten auf Fragen zu finden. Dies können zum einen sehr allgemeine Fragen, wie zum Beispiel nach den Eigenschaften und dem Verhalten unserer Natur sein, zum anderen aber auch ganz spezielle Fragen, wie etwa nach dem Zustandekommen eines bestimmten Ereignisses (vgl. Hepfer 2015, S. 23).

Weil wir neugierig sind und zugleich Angst vor dem Unbekannten und dem Unverstandenen haben, werden Theorien aufgestellt. Theorien, die uns eine Antwort geben, erfüllen einen doppelten Zweck. Sie geben Erklärungen für das Fremde und Unbekannte, dadurch mindern sie einerseits unsere Angst und befriedigen andererseits unsere Neugier (vgl. Hefper 2015, S. 23). In dieser Hinsicht unterscheiden sich Verschwörungstheorien nicht beträchtlich von normalen Theorien, ob in der Wissenschaft oder im Alltag, denn auch sie haben das Ziel, uns die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen. Allgemein treten Theorien mit dem Versprechen an, uns ein besseres Verständnis der Welt zu geben, und hierbei sind Verschwörungstheorien keine Ausnahme (vgl. Hepfer 2015, S. 24).

Ein deutlicher Unterschied von Verschwörungstheorien und wissenschaftlichen Theorien ist durch die Asymmetrie bei der Berücksichtigung der Beweise für und wider zu erkennen. Hier weichen Verschwörungstheorien deutlich von normalen Theorien ab. Außerdem nehmen Verschwörungstheorien klare Wertungen vor, während wissenschaftliche Theorien die Anhaltspunkte, die sie bestätigen, und solche, die gegen sie sprechen, gleichberechtigt würdigen.

Normale Theorien forschen weiter, wenn keine Belege für oder gegen ihre Behauptung zu finden sind, oder die Theorie wird aufgegeben und durch eine andere ersetzt. Bei Verschwörungstheorien sind jedoch fehlende Belege keineswegs ein Kriterium, um die gegenteilige Vermutung zu durchdenken (vgl. Hepfer, 2015 S. 31). Des Weiteren führen Verschwörungstheorien wichtige Ereignisse auf nur eine einzige entscheidende Ursache zurück. Hingegen zeigen normale Theorien eine Vielzahl von Faktoren für das Zustandekommen eines Ereignisses auf (vgl. Hepfer 2015, S. 37).

Die inhaltliche Grundüberzeugung aller Verschwörungstheorien ist immer ausdrücklich die Behauptung einer Verschwörung. Es gibt zwei Merkmale von Verschwörungen. Das erste Merkmal ist, es sind immer mehrere Personen beteiligt. Das zweite Merkmal besagt, dass eine Verschwörung dadurch gekennzeichnet ist, dass Vorgänge im Geheimen ablaufen. Ferner geht man davon aus, dass eine Verschwörung auf eine böse Absicht zurückgeht. Selten spricht man von einer Verschwörung zum Guten, also zum Vorteil anderer (vgl. Hepfer 2015, S. 24).

Zusammenfassend lässt sich eine Verschwörung als das geheime Zusammenwirken einer Gruppe definieren, deren Handeln und Absprachen darauf abzielen, Ereignisse zu ihrem eigenen Vorteil zu beeinflussen. Somit ist eine Verschwörungstheorie ein Versuch, ein bedeutendes Ereignis als Folge geheimer Absprachen und Aktionen aufzuzeigen und aufeinander zu verweisen (vgl. Hepfer 2015, S. 24).

Im Folgenden wird aufgezeigt, warum Verschwörungstheorien nicht als wissenschaftliche Theorie bezeichnet werden können. „Wissenschaftliche Theorien sind Systeme begründeter Aussagen, die die Erklärung komplexer Phänomene zum Ziel haben und auf der Grundlage methodischer, d.h. zielgerichteter und planmäßiger Verfahren zustande kommen“ (Götz-Votteler/Hespers 2019, S. 35).

Folgende Aspekte zeichnet die wissenschaftliche Theoriefindung aus. Eine wissenschaftliche Arbeit fokussiert sich immer auf eine Fragestellung. Die Antwort der Fragestellung ist zu Beginn des Forschungsvorhabens jedoch ungewiss. Das Ergebnis einer unvoreingenommenen Forschung ist also eine Theorie, die sich aus der Beantwortung einer wissenschaftlichen Fragestellung ergibt.

Um die formulierte Fragestellung beantworten zu können, wird eine Methode festgelegt, die der Fragestellung am ehesten entspricht. Hierbei stehen wissenschaftlichen Theorien folgende Verfahren zur Verfügung. Zum Beispiel Experimente, Beobachtungen oder Befragungen zur Sammlung von Daten, welche anschließend ausgewertet werden (vgl. Götz-Votteler/Hespers 2019, S. 35). Dabei wird das Vorgehen immer ganz genau dokumentiert, sodass es durch Andere nachvollziehbar und wiederholbar ist. Damit dies möglich ist, werden Beweise und Belege zugänglich gemacht.

Auch Verfahren, die versuchen, die Fragestellung argumentativ zu beantworten, müssen ebenfalls transparent und für Andere nachvollziehbar sein. Außerdem werden sämtliche Prozesse kritisch reflektiert. Dies gilt zum einen für die Formulierung der Fragestellung, zum anderen für die Auswahl der Methode und für die daraus resultierende Theorie, die in sich widerspruchsfrei sein muss (vgl. Götz-Votteler/Hespers 2019, S. 35).

Hingegen sind Verschwörungstheorien nicht das Ergebnis eines wissenschaftlichen Prozesses, denn meistens scheitern sie bereits an sehr elementaren Prinzipien der Theoriebildung. Sie bauen nicht auf einer unvoreingenommenen Fragestellung und einer daraus resultierenden Methodik auf, sondern sind das Ergebnis einer subjektiven Interpretation selektiver Wahrnehmungen (vgl. Götz-Votteler/Hespers 2019, S. 36).

Gewöhnlich werden für die Aussagen, die eine Verschwörungstheorie liefert, keine belastbaren Beweise geliefert. Kommen dagegen Belege der Gegenseite, werden diese konsequent verworfen, oft mit dem Vorwurf, diese seien gefälscht worden (vgl. Götz-Votteler/Hespers 2019, S. 36).

„Wenn sich andere die Mühe machen, nach Beweisen für die von Verschwörungstheoretikerinnen aufgestellten Behauptungen zu suchen und keine finden, führt das nicht etwa zu einer Revision der eigenen Theorie; die Ergebnisse der Untersuchungen werden gerne ignoriert oder als 'Fake News' diffamiert“ (Götz-Votteler/Hespers 2019, S. 36).

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass letztendlich alles behauptet werden kann. Beweise spielen bei Verschwörungstheorien eine untergeordnete Rolle. Somit ist der Begriff der Verschwörungstheorie irreführend, da derartige gedankliche Konstrukte sich in ihrem Wesen fundamental von wissenschaftlichen Theorien unterscheiden (vgl. Götz-Votteler/Hespers 2019, S. 37).

Quellen

  • Götz-Votteler, Katrin / Hespers, Simone (2019): Alternative Wirklichkeiten? Wie Fake News und Verschwörungstheorien funktionieren und warum sie Aktualität haben, Bielefeld, transcript Verlag 
  • Hepfer, Karl (2015): Verschwörungstheorien. Eine philosophische Kritik der Unvernunft, Bielefeld, transcript Verlag
  • Nocun, Katharina/ Lamberty, Pia (2020): Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen, Köln, QUADRIGA Verlag
  • Stiftung Kloster Dalheim (Hrsg.): Verschwörungstheorien – früher und heute. Bonn, Ardey- Verlag GmbH, Münster, S. 10-13

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen