Mittwoch, 1. April 2015

Netzneutralität in der politischen Diskussion

Die Thematik der Netzneutralität ist in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus der öffentlichen Berichterstattung gerückt. Mit ein Grund dafür dürfte sicherlich eine im April 2013 verkündete Entscheidung der Deutschen Telekom AG sein. Zukünftig sollte die Datengeschwindigkeit von diversen Internetanschlüssen nach Erreichen eines bestimmten Datenvolumens gedrosselt werden.

Dieser Punkt allein war jedoch nicht Anstoß des Protestes, sondern vielmehr, dass die Telekom beabsichtigte, den hauseigenen Dienst T-Entertain davon auszunehmen. Für die Netzgemeinde ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz der Netzneutralität.

Doch nicht nur die Medien haben sich in den letzten Jahren intensiv mit der Netzneutralität befasst, auch die Politik hat mittlerweile die Notwendigkeit erkannt, sich intensiv damit zu befassen und Regelungen zu finden. In den USA ist dies im Februar diesen Jahres geschehen, eine Regelung durch die EU wird frühestens Ende 2015 erwartet.

Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff der Netzneutralität? 

Einfach gesagt, könnte man den Begriff der Netzneutralität damit erklären, dass sämtliche Datenpakete bei der Übertragung gleich behandelt werden. Weder Sender, Empfänger noch Inhalt darf dabei eine Rolle spielen. Doch wie so oft ist es nicht ganz so einfach, in der Literatur gibt es etliche Versuche, eine Definition der Netzneutralität zu finden.

Tim Wu, auf den der Begriff der Netzneutralität zurückgeht, umschreibt in seinem Aufsatz „Network Neutrality“ in den FAQ die Netzneutralität wie folgt:
„The idea is that a […] network aspires to treat all content, sites, and platforms equally.”
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages verwendet folgende Definition:
„Netzneutralität bezeichnet die neutrale Entwicklung von Daten im Internet, das bedeutet eine gleichberechtigte Übertragung aller Datenpakete unabhängig davon, woher diese stammen, welchen Inhalt sie haben oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben.“
Selbstverständlich können die genannten Definitionen lediglich als Beispiel verstanden werden, da es unzählige weitere gibt. Simon Möller merkt in seinem Aufsatz „Was ist eigentlich Netzneutralität?“ an, dass zu diesem Thema hauptsächlich Arbeiten von Juristen, Wirtschafts- sowie Geisteswissenschaftlern existieren, jedoch kaum Beiträge von Informatikern, Softwareentwicklern oder Telekommunikationsingenieuren (vgl. Möller 2012, 18). Eine erstaunliche Beobachtung in Anbetracht dessen, dass diese Gruppe eigentlich am stärksten von dieser Thematik betroffen sein sollte.

Aktuell werden die Datenpakete nach dem „Best-Effort-Prinzip“ behandelt. Dabei werden alle Datenpakete gleich und nacheinander behandelt, so gut es das Netz zu leisten vermag (vgl. Wendt 2014). Bei einer Überlastung des Netzes werden die Datenpakete in der Reihenfolge ihres Eintreffens weitergeleitet, somit findet keine qualitative Unterscheidung der Datenpakete statt. Wie die Netzneutralität grundsätzlich funktioniert, erklärt folgendes Video von Anonymous:


Entwicklung des Datenvolumens

Nun stellt sich die Frage, wer überhaupt ein Interesse daran hat, etwas an diesem bestehenden Prinzip zu ändern und wieso. Noch vor fünfzehn Jahren war es nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, einen PC zu besitzen, geschweige denn Zugang zum Internet zu haben, mittlerweile ist ein Großteil der deutschen Bevölkerung im Besitz eines Smartphones, in der Regel mit dazu passendem Datentarif. PCs mit Internetzugang sind schon nahezu selbstverständlich.

Diese Entwicklung im Hardwarebereich hat natürlich auch Folgen für die Kapazität der Netze. Um ihren Kunden weiterhin ein funktionierendes Produkt anbieten zu können, sind die Internetdienstanbieter gezwungen, ihre Netze in großem Umfang auszubauen, was wiederum mit enormen Kosten verbunden ist.

Um kurz zu verdeutlichen, wie massiv und schnell der Datenverkehr angewachsen ist und noch immer anwächst, sollte man kurz einen Blick auf die von Cisco erhobenen Daten werfen. So wurden laut dieser Studie im Zeitraum von 1984 bis 2013 1,3 Zettabyte an Daten über die Netzwerke übertragen. Dieses gigantische Datenvolumen soll laut den Prognosen von Cisco bis zum Jahr 2016 jährlich durch die Netze transportiert werden, ein Ende des Wachstums ist bislang nicht absehbar. 

Die Studie geht auf Deutschland bezogen von einer jährlichen Wachstumsrate des Datenverkehrs in Höhe von 19 Prozent aus (vgl. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/weltweiter-datenverkehr-soll-sich-bis-2016-vervierfachen-a-836495.html# und http://www.ip-insider.de/themenbereiche/grundlagen/basiswissen/articles/449958/).

Doch wie entstehen diese gewaltigen Datenmengen? Nur durch die Erhöhung der Internetnutzer allein lässt sich dies nicht erklären. Durch das veränderte Nutzungsverhalten jedoch schon. Das Internet wird nicht mehr vornehmlich dazu genutzt, Mails zu versenden oder diverse Webseiten aufzurufen. Am Datenvolumen machen diese Punkte nur einen sehr geringen prozentualen Anteil aus. Die oben genannte Studie geht davon aus, dass der Anteil an Videos im Jahr 2018 in Deutschland 81% des gesamten Internetverkehrs ausmachen wird.

Dieser hohe Anteil resultiert nicht zuletzt daraus, dass es mittlerweile eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, legal, einfach und relativ günstig oder gar umsonst Videos, Serien und Filme über das Internet zu konsumieren. In Deutschland bietet seit einigen Jahren nahezu jeder TV-Sender die Möglichkeit, das ausgestrahlte Programm online in Mediatheken über einen gewissen Zeitraum abzurufen. Seit kurzer Zeit ist es auch möglich, beinahe deren ganzes Programm live zu streamen. Weltweit gesehen spielen Anbieter wie YouTube, Netflix, Amazon Instant Video oder Maxdome, um nur einige zu nennen, eine deutlich größere Rolle.

Wenn man die im vorhergehenden Abschnitt genannten Zahlen betrachtet, ist es leicht nachzuvollziehen, weshalb die Internetdienstanbieter ein Interesse daran haben, Sonderdienste anzubieten und damit auch Contentanbieter an den Kosten zu beteiligen.

Netzneutralität als Aufgabe der Politik?

Die Politik ist sich sehr wohl der Bedeutung der Materie bewusst, was sich schon allein an der Tatsache ablesen lässt, dass der Deutsche Bundestag eine Enquete-Kommission eingesetzt hat, die sich mit dem Thema Internet und digitale Gesellschaft beschäftigte und somit auch mit der Entwicklung im Bereich der Netzneutralität. Da es sich dabei um eine Thematik von grundsätzlicher Bedeutung handelt, hat diese auch einen besonderen Stellenwert (vgl. Fischer 2011, 29).

Die Frage der Netzneutralität betrifft letztlich Millionen Bürgerinnen und Bürger in deren Kommunikationsmöglichkeiten sowie die Innovationskraft des Mittelstandes insgesamt. Insofern lässt sich mit Fischer feststellen , dass es sich bei der Netzneutralität durchaus um eine Aufgabe der Politik handelt (vgl. Fischer 2011, 29). Somit bleibt nur noch die Frage, wie und in welchem Umfang die Politik diese Aufgabe wahrnehmen sollte. Wenn man einen Blick ins Grundgesetz wirft und Art. 5 betrachtet, kann aus Absatz 1 Satz 1
die grundsätzliche Verpflichtung des Staates abgeleitet werden, den Kommunikationsprozess zur Sicherung eines Informationsflusses und zur Sicherstellung der Informationsmöglichkeiten der Bürger offen zu halten. Der Gesetzgeber muss für eine angemessene Informations- und Kommunikationsstruktur Sorge tragen, was letztlich bedeutet, das unabdingbare Mindestmaß an Zugang zu Information zu gewährleisten. Im Lichte des grundrechtlichen Schutzes des Kommunikationsprozesses kann das Konzept der Netzneutralität dazu beitragen, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt zu erhalten“ (Fischer 2011, 30).
Fischer mahnt jedoch an, dass man den Blick nicht nur auf staatliche Regulierung lenken sollte. Denn im demokratischen Diskurs dürfen auch die von den Telekommunikationsunternehmen verfolgten Interessen nicht unberücksichtigt bleiben, da sie letztlich für eine Netzinfrastruktur mit entsprechender Qualität sorgen müssen, was wiederum nur mit der Investition großer Summen möglich ist. Daher sind diese Unternehmen schon allein aus ökonomischer Sicht dazu gezwungen, neue Geschäftsmodelle in diesem Bereich zu entwickeln und durchzusetzen (vgl. Fischer 2011, 30).

Aufgabe der Politik ist es somit auch, einen Kompromiss zwischen den Interessen der Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite sowie den Interessen der Wirtschaft auf der anderen Seite zu finden. Dieses Ziel kann jedoch nicht allein auf nationalstaatlicher Ebene erreicht werden. Eine gute Lösung kann nur erreicht werden, wenn diese auch einen möglichst großen Geltungsbereich abdeckt. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich die EU auf supranationaler Ebene ebenso dem Thema angenommen hat.

Die Vereinigten Staaten von Amerika, das Land, aus dem eine große Zahl der weltweit größten und bedeutendsten Internetunternehmen stammt, muss bei diesem Thema selbstverständlich auch betrachtet werden. Entscheidungen, die diesbezüglich in den Vereinigten Staaten gefällt werden, haben auch großen Einfluss auf die Entscheidungsfindung in anderen Ländern und somit auch auf die Entscheidungsfindung der EU.

Bevor die Haltung der USA zur Netzneutralität betrachtet wird, sollte an dieser Stelle nochmals kurz zusammengefasst werden, dass die eingangs gestellte Frage eindeutig mit „Ja“ beantwortet werden muss, denn es ist die Aufgabe der Politik, am Ende für eine Lösung zu sorgen, die sowohl die Interessen der Wirtschaft als auch die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger zum Ausgleich bringt.

Debatte und Entscheidung der USA

Die Federal Communications Commission (FCC), die amerikanische Regulierungsbehörde, hat in den vergangenen Jahren Prinzipien entwickelt, die für die Erhaltung der Offenheit und Innovationsfähigkeit des Internets sorgen sollten und damit auch die Netzneutralität stärken (vgl. Fischer 2011, 32).

In diesem Zusammenhang hat die FCC Maßnahmen gegen einen Anbieter eingeleitet, der nach Ansicht der FCC gegen das Prinzip der Netzneutralität verstoßen hatte. Der Anbieter hat gegen dieses Vorgehen Klage eingereicht und Recht bekommen. Der FCC wurde vom Gericht die rechtliche Befugnis abgesprochen, „Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen zur Netzneutralität verpflichten zu können“ (Fischer 2011, 32).

Der Versuch der FCC, gemeinsam mit verschiedenen Telekommunikationsdienstleistern eine Lösung zur Netzneutralität zu finden, scheiterte, da man zu keiner gemeinsamen Einigung gelangen konnte. Neben diesen gab es in den USA schon weitere Versuche, das Prinzip der Netzneutralität im Internet per Gesetz zu regeln.

Nachdem der Streit in den USA schon fast ein Jahrzehnt andauerte und alle bisherigen Versuche einer gesetzlichen Regelung entweder in der Legislative oder vor Gericht scheiterten, drängte u.a. Barack Obama die FCC, sich nochmal an die Arbeit zu machen und eine Lösung zu finden (http://www.zeit.de/digital/internet/2015-02/netzneutralitaet-fcc-entscheidung).

Auf politischer Ebene fand die Auseinandersetzung zwischen Demokraten und Republikanern statt. Unterstützt von den Contentanbietern und anderen großen Internetfirmen sprachen sich die Demokraten für das Prinzip der Netzneutralität aus, die Republikaner standen auf der Gegenseite und hatten ihrerseits die Telekommunikationsdienstleister an ihrer Seite.

Dieser Standpunkt konnte aber nicht auf die Gesamtbevölkerung übertragen werden, denn auch im konservativen Lager fand die Netzneutralität Zustimmung. Paradoxerweise hat eine Sendung des Pay-TV-Senders HBO dazu beigetragen, die Popularität der Netzneutralität im konservativen Lager zu stärken (vgl. http://www.zeit.de/digital/internet/2015-02/netzneutralitaet-fcc-entscheidung).

Paradoxerweise deshalb, da in der USA, anders als in Deutschland, die Breitbandinternetanschlüsse in der Regel von Kabel-Providern zur Verfügung gestellt werden und diese vor allem mit lukrativen Pay-TV-Paketen (für die durchschnittlich 75$ berechnet werden) ihr Geld verdienen. Schon aus diesem Grund haben die Kabel-Provider / Telekommunikationsdienstleister kein Interesse daran, die Netzneutralität zu wahren. Sie würden ihre eigene Konkurrenz (z.B. Video-on-demand-Dienste) quasi frei Haus an eigene potentielle Kunden liefern, den eigenen Gewinn schmälern und diesen Anbietern große Umsätze ermöglichen. Aus diesem Blickwinkel ist es nicht weiter verwunderlich, wenn die Telekommunikationsdienstleister einen Weg suchen, um an den Gewinnen zu partizipieren.

Bei der oben genannten Sendung handelt es sich um die Show „Last Week Tonight“ des Komikers John Oliver, in der jede Woche Themen behandelt werden, die in Nachrichtensendungen eher nicht berücksichtigt werden. So hat sich John Oliver auch der Netzneutralität gewidmet und sich nicht nur deutlich dafür ausgesprochen, sondern auch seine Zuschauer aufgefordert, „sich an den Konsultationen der Regulierungsbehörde zu beteiligen“ (http://www.zeit.de/digital/internet/2015-02/netzneutralitaet-fcc-entscheidung). Dieser Aufruf war so erfolgreich, dass die Homepage der FCC unter dem Ansturm zusammenbrach. Über Nacht rückte das Außenseiterthema Netzneutralität auf der politischen Agenda ganz nach oben.

Noch Mitte des letzten Jahres beabsichtigte die FCC, eine Regelung durchzusetzen, die es erlaubt hätte, dass Contentanbieter für einen bevorzugten Transport ihrer Daten hätten bezahlen können (vgl. http://business.chip.de/news/Ruckel-Videos-lahme-Seiten-Zwei-Klassen-Web-kommt_69330842.html).

Eine sehr große Anzahl an Internetfirmen, insgesamt fast 140 Firmen, darunter Weltfirmen wie Google, Facebook, Amazon, Microsoft, Dropbox oder Twitter, waren mit einer solchen Regelung nicht einverstanden und verfassten gemeinsam einen offenen Brief an die FCC. Darin machten sie sich für die Netzneutralität stark (vgl. http://www.chip.de/news/Netzneutralitaet-Offener-Brief-von-Internet-Konzernen_69638144.html). 

Seit Mitte des letzten Jahres hat bei der FCC offenbar ein Umdenken stattgefunden. Am 26. Februar dieses Jahres hat die FCC neue Regulierungen zur Netzneutralität beschlossen. Die FCC hat mit dieser Entscheidung das Breitband-Internet zum Teil der öffentlichen Grundversorgung erklärt und damit auf eine ähnliche Stufe wie die Strom-, Wasser- und Telefonnetze gestellt (vgl. http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzneutralitaet-us-netzbehoerde-gegen-zwei-klassen-internet-a-1020767.html).

Die neue Regulierung schreibt nun ausdrücklich fest, „dass Netzbetreiber von Online-Diensten keine Gebühren für eine bevorzugte Durchleitung von Daten verlangen können. Damit stellt sich die FCC […] auf die Seite der Anhänger einer strikten Netzneutralität“ (http://www.manager-magazin.de/politik/artikel/us-behoerde-fcc-verbietet-ueberholspuren-im-netz-a-1020783.html).

Die Regelungen verbieten außerdem jegliche Diskriminierung beim Zugang zu Netzen, wie es beispielsweise das Blockieren oder Verlangsamen von Diensten wäre. Von besonderer Bedeutung ist sicherlich auch die Tatsache, dass die Regelungen für das Breitband-Internet in Mobilfunknetzen ebenso Gültigkeit besitzen.

Die Reaktionen fallen erwartungsgemäß sehr verschieden aus. Die Befürworter der Netzneutralität feiern diese Entscheidung als großen Erfolg, allen voran Barack Obama, der sich mit einer handschriftlichen Nachricht auf der Online-Plattform Reddit mit den Worten: „Vielen Dank, […] dass ihr geholfen habt, das Internet frei und offen zu halten“, bedankt. 

Weniger begeistert zeigen sich die Kabelnetzbetreiber, die die Entscheidung als großen Rückschritt werten und sich in die Dreißigerjahre zurückversetzt fühlen. Sie kritisieren, dass ihnen so das Geld für nötige Investitionen fehlen könnte. Kritische Stimmen sehen in der Entscheidung auch eine Bedrohung für die Zukunftsfähigkeit Amerikas auf dem Technologiemarkt und befürchten höhere Preise und niedrigere Geschwindigkeiten für den amerikanischen Verbraucher (vgl. http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzneutralitaet-in-den-usa-reaktionen-zur-fcc-entscheidung-a-1020826.html).

Stand der Debatte in der EU

Nach der doch recht eindeutigen Entscheidung in den Vereinigten Staaten durch die FCC will nun auch die Europäische Union mit einer Entscheidung und entsprechenden Beschlüssen zur Netzneutralität nachziehen. Doch innerhalb der EU herrscht noch kein beschlussfähiger Konsens. Während sich das EU-Parlament bereits im April 2014 für eine starke Verankerung der Netzneutralität ausgesprochen hat (vgl. http://www.zeit.de/digital/internet/2015-01/netzneutralitaet-spezialdienste-internet), scheint auf Kommissionsebene eine andere Lösung bevorzugt zu werden.

Nach den aktuellen Plänen der EU-Mitgliedsstaaten ist die Möglichkeit vorgesehen, bestimmte Dienste im Internet zu bevorzugen. Diese Pläne sehen vor, dass die Provider den Verkehr im Internet beeinflussen dürfen, die allgemeine Funktion des Internets dürfen sie jedoch nicht wesentlich beeinträchtigen (vgl. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/netzneutralitaet-in-europa-eu-erwaegt-offenbar-ausnahmen-a-1021660.html#).

Konkret soll es möglich sein, Spezialdienste mit Priorität durch das Netz zu leiten. Doch was wird überhaupt unter einem Spezialdienst verstanden? Explizit genannt werden hier das autonome Fahren und die Telemedizin. Beides Punkte, die wohl erst in einigen Jahren Markt- und Praxisreife erlangen werden.

Doch Kritiker geben jetzt schon zu bedenken, dass das autonome Fahren selbstverständlich ohne bestehende Internetverbindung möglich sein muss. Eine Datenverbindung darf lediglich bei der Routenplanung oder beim Einholen von Verkehrsinformationen vonnöten sein (http://www.zeit.de/digital/internet/2015-01/netzneutralitaet-spezialdienste-internet). Auch wenn hier jetzt mögliche Beispiele von Spezialdiensten genannt wurden, ist keineswegs klar, was man alles unter Spezialdienst verstehen kann. Auf eine genaue Definition des Begriffs wird bislang verzichtet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist der Meinung, dass die Netzneutralität unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung des Internet nicht aufrechterhalten werden kann. Ihrer Ansicht nach benötigen neue Spezialdienste, wie fahrerlose Autos oder Telemedizin, eine sichere Verbindungsqualität. Daher ist eine Ungleichbehandlung der Daten für gewisse Spezialdienste notwendig. Gleichzeitig betonte Merkel aber auch, dass die Internetverbindungen insgesamt ausgebaut werden müssen. (vgl. http://www.zeit.de/digital/internet/2014-12/merkel-netzneutralitaet-spezialdienste-freies-internet-digitalisierung). Eine Intention, die sicherlich richtig ist.

Zusammengefasst formuliert möchte auch die EU eine gesetzliche Regelung zur Netzneutralität finden, die nach aktuellem Stand zwar die Netzneutralität wahren möchte, aber auch die Möglichkeit von Spezialdiensten vorsieht. Inwieweit die kürzlich gefällte Entscheidung der FCC Einfluss auf die Entscheidung der EU haben wird, muss sich noch zeigen. Unzweifelhaft ist jedoch, dass sie einen Einfluss haben wird.

Fazit

Die Diskussion zu diesem Thema ist weiter im Fluss und es lassen sich sowohl für die strikte Durchsetzung der Netzneutralität, wie jetzt in den USA geschehen, als auch für eine Aufweichung der Netzneutralität und der Einführung von Spezialdiensten, gute Argumente finden.

Das Internet und damit die Betreiber der Netze stehen in Zukunft vor der großen Herausforderung, die immer größer werdenden Datenmengen zuverlässig und schnell zu transportieren. Dass sie dabei Möglichkeiten suchen, Contentanbieter an den Kosten des Ausbaus zu beteiligen, ist aus ökonomischer Sicht leicht nachzuvollziehen.

Dennoch sollten bei Entscheidungen der Politik zu diesem Thema nicht nur ökonomische Interessen im Vordergrund stehen. Es sollte auch immer bedacht werden, welche Folgen es haben könnte, sollten Spezialdienste, die gesondert vergütet werden müssten, erlaubt werden. Für kleine Start-Ups könnte dies bedeuten, dass ihnen von Beginn an die Chance genommen wird, am Markt durchzustarten, da ihnen das nötige Kapital fehlt, um für Spezialdienste bezahlen zu können und die Kunden somit Daten nur langsam beziehen könnten. Dadurch wäre dieses Angebot von Anfang an unattraktiv.

Unter Berücksichtigung aller Argumente, Fakten, Zukunftsaussichten, Entscheidungen und Überlegungen, scheint vor allem ein Punkt von größter Bedeutung zu sein. Überhaupt eine gesetzliche Regelung zur Netzneutralität zu finden, wie es in der USA nun geschehen ist.
Persönlich scheint mir der amerikanische Ansatz der Regelung sinnvoller als die derzeitigen Überlegungen der EU, die insbesondere was Spezialdienste angeht, noch nicht ausgereift erscheinen.

Quellen 

[1] Breithut, J. (27.02.2015): Entscheidung zur Netzneutralität: Obama dankt, Verizon wütet. Über Spiegel Online von http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzneutralitaet- in-den-usa-reaktionen-zur-fcc-entscheidung-a-1020826.html abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

[2] Chip.de (08.05.2014): Netzneutralität: Offener Brief von Internet-Konzernen. Von http://www.chip.de/news/Netzneutralitaet-Offener-Brief-von-Internet- Konzernen_69638144.html abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

[3] Donner, A. u. Lück, B. (23.06.2014): Datenverkehr wächst bis 2018 auf das Dreifache. Über IP Insider von http://www.ip- insider.de/themenbereiche/grundlagen/basiswissen/articles/449958/ abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015). 

[4] Fischer, A. (2011): Netzneutralität als Aufgabe der Politik? In: Kloepfer, M [Hrsg.]: Netzneutralität in der Informationsgesellschaft. Berlin, S. 29-33.

[5] Greis, F. (23.01.2015): Freie Fahrt für ein Phantom. Über golem.de von http://www.golem.de/news/spezialdienste-vs-netzneutralitaet-freie-fahrt-fuer-ein- phantom-1501-111880.html abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

[6] Kleinz, T. (26.02.2015): Eine Entscheidung für das offene Netz. Über Zeit Online von http://www.zeit.de/digital/internet/2015-02/netzneutralitaet-fcc-entscheidung abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

[7] Mandau, M. (24.08.2014): Lahmes Netz trotz schneller Leitung. Über Chip.de von (http://www.chip.de/artikel/Netzneutralitaet-Kampf-um-Internet- Geschwindigkeit_70909299.html abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

[8] Manger Magazin (27.02.2015): US-Behörde verbietet Überholspuren im Netz. Von http://www.manager-magazin.de/politik/artikel/us-behoerde-fcc-verbietet- ueberholspuren-im-netz-a-1020783.html abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

[9] Meusers, R. (04.03.2015): Zwei-Klassen-Netz: EU plant offenbar Ausnahemn bei Netzneutralität. Über Spiegel Online von http://www.spiegel.de/netzwelt/web/netzneutralitaet-in-europa-eu-erwaegt-offenbar- ausnahmen-a-1021660.html# abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

[10] Möller, S. (2012): Was ist eigentlich Netzneutralität? In: Krone, J.; Pellegrini, T. [Hrsg.]: Netzneutralität und Netzbewirtschaftung. Multimedia in Telekommunikationsnetzwerken. Baden-Baden, S. 17-35.

[11] Peuker-Minecka, M. (2014): Netzneutralität als grundrechtliche Gewährleistungspflicht von http://www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate- 30399/Diss/Peuker-Minecka.pdf abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

[12] Spiegel Online (26.02.2015): Netzneutralität: US-Netzbehörde verbietet Zwei-Klassen- Internet. Von http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzneutralitaet-us- netzbehoerde-gegen-zwei-klassen-internet-a-1020767.html abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

[13] Wendt, J. (08.10.2014): Tausche Netzneutralität gegen Breitband. Über Zeit Online von http://www.zeit.de/digital/internet/2014-10/netzneutralitaet-telekom-vodafone- qualitaetsklassen-breitbandausbau abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

[14] Zeit Online (04.12.2014): Merkel sieht Ende der Netzneutralität. Von http://www.zeit.de/digital/internet/2014-12/merkel-netzneutralitaet-spezialdienste- freies-internet-digitalisierung abgerufen (letzter Aufruf: 28.03.2015).

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