Samstag, 22. Mai 2021

Wikipedia in der Lehre

In diesem Beitrag stellt Miriam Nonnenmacher folgenden Aufsatz vor:

Wannemacher, Klaus (2008): Wikipedia – Störfaktor oder Impulsgeberin für die Lehre?; in: Zauchner, Sabine / Baumgartner, Peter / Blaschitz, Edith / Weissenbäck, Andreas (Hrsg.): Offener Bildungsraum Hochschule. Freiheiten und Notwendigkeiten, Waxmann, S. 147-156.

In dem Artikel von Klaus Wannemacher wird die Bedeutung von Web-2.0-Anwendungen an Hochschulen aufgezeigt, besonders die interaktiven und kollaborativen Aspekte. Im ersten Abschnitt erläutert Wannemacher, warum die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia vielen Lehrenden ein Dorn im Auge ist. Im zweiten Abschnitt prüft er die Potenziale für eine Einbindung von Wikipedia an Hochschulen anhand der Schnittstellen zwischen Wikipedia-Kosmos und Wissenschaftsbetrieb. Und im dritten Abschnitt stellt Wannemacher „Wikiversity“ vor und beleuchtet das Schwesterprojekt.

Zu Beginn zeigt Wannemacher, dass sich durch die mediengestützte Erneuerung an Hochschulen die Bedeutung von Web-2.0-Anwendungen verstärkt hat.

„Webblogs verbessern die Kurs- und projektbegleitende interne Kommunikation oder unterstützen die externe Öffentlichkeitsarbeit des Wissenschaftsbetriebs.“ (S. 147)

Eine der am häufigsten besuchten Web-2.0-Anwendungen ist Wikipedia. Wannemacher weist darauf hin, dass durch das Schwarmintelligenz-Konzept von Wikipedia die Qualität der Artikel durch Peer Review-Verfahren der Wikipedia-Community gesichert werden soll. Bei Wikipedia gibt es den Anspruch, dass Informationen durch Belege mit zuverlässigen Publikationen überprüfbar sind. Die mehrstufigen Prozesse zur Bewertung von Artikeln werden jedoch erst nach der Veröffentlichung in Gang gesetzt, anders als bei akademischen Publikationen (vgl. S. 148). Warum Wikipedia überhaupt für den Hochschulgebrauch relevant ist, deutet er durch die Erleichterung für Studierende an.

„Die vergleichsweise hohe fachliche Qualität zahlreicher Einträge auch gegenüber etablierten Print-Enzyklopädien, die Möglichkeiten zur unentgeltlichen Nutzung, Verbreitung und zur Mitgestaltung der Wikipedia-Einträge – jede/r Benutzer/in kann ohne Anmeldung Beiträge schreiben und bestehende Texte ändern – macht den Reiz des mehrfach ausgezeichneten virtuellen Nachschlagewerks auch für Studierende aus.“ (S. 149)

Problematisch wird die Nutzung von Wikipedia durch das „Copy-and-Paste-Syndrom“, eine unreflektierte Übernahme von Artikeln. Durch die vielen Alternativen im Internet erlischt die Bereitschaft von Studierenden, ihre Informationsquellen durch wissenschaftliche Recherche in der Bibliothek zu erlangen. Das führt laut Wannemacher dazu, dass es eine negative Wahrnehmung unter Lehrenden bezüglich der Plattform Wikipedia gibt. Darüber hinaus gibt es einen dynamischen Wandel und eine Manipulierbarkeit von Online-Wissensressourcen, was sich auf die Zuverlässigkeit auswirkt (vgl. S. 150).

Eine Grundsatzerklärung von deutschen und US-amerikanischen Dozenten fordert eine „angemessene Nutzung der Online-Enzyklopädien im akademischen Kontext“ (ebd.), um einen reinen oder übermäßigen Wikipedia-Gebrauch von Studierenden zu reduzieren. Dafür ist ein „fachgerechter Umgang mit wissenschaftlichen Informationen und die Methodik kritischer Quellenrecherche erforderlich“ (ebd.), damit einseitige, lückenhafte oder irrtümliche Informationen in Seminararbeiten vermieden werden.

Die Informationskompetenz soll trainiert werden, um die Informationen besser auswählen zu können. Wichtig für den Lehrenden ist es, seine Aufgabenstellung anzupassen, damit keine „Verführung“ zum Copy-and-Paste-Syndrom entsteht. Die Aufgabenstellungen sollten so formuliert sein, dass ein Durchdringen der Information notwendig ist. Hier ist eine kreative Problemlösung förderlich, weil sie zum Nachdenken anregt (vgl. S. 151)

Im zweiten Abschnitt weist Wannemacher auf einen aktiven Ansatz mit gezielter Nutzung von Wikipedia hin. Dadurch können die aktive Selbstorganisation, eine Schulung des Schreibstils, die kollaborative Erstellung neuer enzyklopädischer Artikel, ein quellenkritisches Arbeiten, eine wechselseitige Kommentierung usw. gefördert werden. Wikipedia bietet ein differenziertes Kategorisierungssystem mit Vorschlägen zur Bearbeitung von Artikeln, wodurch die Arbeit der Lehrenden erleichtert wird (vgl. S. 152).

Eine positive Wirkung der Miteinbeziehung von Wikipedia in den Lehrbetrieb konnte ein Dozent an der US-amerikanischen Yale University feststellen. Beispielsweise wurde der kritische Umgang mit unterschiedlichen Quellen gefördert, die Argumentations- und Verhandlungskultur verbesserte sich und die Qualität studentischer Texte stieg an (vgl. ebd.).

Aber auch die Wikipedia-Schwesterprojekte bieten Potenzial für den Hochschulbetrieb (Wikibooks, Wikispecies, Wiktionary, Wikinews). Beispielsweise können dadurch ältere Materialien online in Seminaren genutzt werden. (vgl. ebd.)

Es gibt ein „aktives Werben seitens der Wikipedia-Community für eine Vernetzung mit den Wissenschaftsinstitutionen“ (S. 153). Sie sollen noch stärker in die inhaltliche und strukturelle Entwicklung von Wikipedia eingebunden werden. Schlussendlich lässt Wannemacher für den Lehrenden die Frage offen, ob sich der Aufwand lohnt.

Aus Wikipedia sind zahlreiche (Fach)Portale für die Erschließung größerer Themenkomplexe hervorgegangen, damit für die Leser durch eine Gliederung der Überblick der Inhalte eines Themenbereiches ersichtlich wird. Hieraus gründete sich das Wikipedia-Schwesterprojekt „Wikiversity“, welches Wannemacher im dritten Abschnitt vorstellt.

Auf dieser Online-Plattform werden freie Lehr-Lern-Materialien zur Verfügung gestellt. Neben verschiedenen Fachbereichen gibt es auch eine „Bibliothek“ mit Lehrbüchern und Fachdatenbanken sowie eine „Cafeteria" als Raum für Fragen. „Wikiversity“ ist an Laien, aber auch an Lehrende, die nach Unterrichtsmaterial suchen, gerichtet (vgl. S. 154f.). Wannemacher weist darauf hin:

„Sollte das Projekt hinter etablierten E-Learning-Standards zurückbleiben, wird es an Hochschulen angesichts kontinuierlich gestiegener Ansprüche jedoch nur mit begrenztem Interesse rechnen können.“ (S.155)

„Die Wikiversity als künftiger E-Learning-Campus?“ Wannemacher prognostiziert, dass sich an deutschsprachigen Hochschulen ein pragmatischerer Zugriff auf Online-Enzyklopädien ausprägt, anders als in den USA. Hier fördern viele Dozenten das gemeinschaftliche Mitwirken an Wikipedia-Artikeln (vgl. S. 156).

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