Montag, 7. Juni 2021

Die verborgene Ordnung der Wikipedia

In diesem Beitrag stellt Leon Glückert folgenden Aufsatz vor:

Viégas F.B., Wattenberg M., McKeon M.M. (2007): The Hidden Order of Wikipedia; in: Schuler D. (eds): Online Communities and Social Computing. OCSC 2007. Lecture Notes in Computer Science, vol 4564, Springer, https://doi.org/10.1007/978-3-540-73257-0_49 

Das World Wide Web hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark verändert. Aus einem ursprünglichen Rezeptionsmedium wurde immer mehr ein Kommunikationsmedium, welches auch häufig als „Web 2.0“ bezeichnet wird. Dieses Web 2.0 ist insofern besonders, da jeder zu einem Autor werden kann. Darüber hinaus bedarf es auch immer weniger Lektoren, da die Menschen ungefiltert und ohne Ordnung ihre Meinung auf diversen Blogs, Foren oder anderen Social Media-Kanälen „posten“ können.

Ein Aushängeschild dieses Web 2.0 bildet vor allem die Online-Enzyklopädie Wikipedia (vgl. Viégas et al. 2007), die sich seit der Gründung im Jahr 2001 binnen kürzester Zeit zu einer der beliebtesten Webseiten im Internet geworden ist. Ein schneller Wissensüberblick über bestimmte Thematiken oder die interessierte Eigenrecherche läuft am Anfang nahezu immer über die Online-Enzyklopädie. Hierbei stellt sich jedoch die Frage: Wie können so viele nützliche Inhalte von einer „Armee [...] freiwilliger Redakteure“ erstellt werden, ohne dass dies in einem völligen Chaos endet? Denn nach wie vor gilt die Grundidee, dass jeder mitmachen kann.

Aufgrund dieses Grundprinzips ist es umso spannender zu verstehen, wie es die Plattform schafft, nicht in einer Online-Anarchie zu enden, sondern mittels zahlreicher Richtlinien und Prozesse ein ausgeklügeltes und stabiles System des Wissensaustauschs zu schaffen (vgl. Viégas et al. 2007). Diese und zahlreiche andere Fragen werden im nachfolgenden Paper am Beispiel der „Featured Article“ von Wikipedia genauer veranschaulicht.

Denn um die unzähligen Richtlinien sowie Prozesse für die Auswahl bestimmter Artikel nachzuvollziehen, eignen sich die „Featured Article“ (FA) besonders gut (vgl. Viégas et al. 2007). Die „Featured Article“ gehören zu den besten Artikeln, welche Wikipedia zu bieten hat. Gerade einmal 5.927 von 6.309.496 Artikeln erfüllen die zahlreichen Kriterien, um es in die Liste der FA zu schaffen. Sie gelten als Paradebeispiel, wenn es darum geht, die Ordnung innerhalb des Systems zu verstehen.

Hier ist es nämlich so, dass diese einen langwierigen Peer-Review Prozess durchlaufen müssen, bei dem Richtigkeit, Neutralität und Stil von zahlreichen unabhängigen Gutachtern aus demselben Fachgebiet kontrolliert wird. Erst nach diesem ersten Prozess ist es möglich, dass ein Artikel als „Featured Article Candidate“ (FAC) nominiert wird (vgl. Viégas et al. 2007).

Eine Nominierung als FAC sorgt dafür, dass der Artikel noch einmal über 20 Tage lang überprüft wird, eher er online und für die breite Masse zugänglich gemacht werden kann. Ein zunächst sehr komplexer Prozess, welcher den anfänglichen naiven Darstellungen Wikipedias widerspricht (vgl. Viégas et al. 2007). Daraus lässt sich vermutlich auch Wikipedias Erfolg herleiten. Eine Seite, die auf den Erfahrungen und Fertigkeiten zahlreicher Personen aufbaut und seine Richtlinien und Prozesse im Laufe der Zeit immer weiterentwickelt und modifiziert hat.

Verfahren wie bei den FA lassen darauf schließen, dass „governance“, sprich allgemeine Steuerungssysteme in der "Gesellschaft" von Wikipedia für eine stabile Ordnung und das fortwährende Wachstum dieser Seite mit verantwortlich sind (vgl. Viégas et al. 2007). Aus diesem Grund ist Wikipedia ein gutes Beispiel, wenn es um eine „self-governing institution“ geht.

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