Sonntag, 6. Juni 2021

Studien zur Qualität der Wikipedia

In diesem Beitrag stellt Helin Tufan folgenden Aufsatz vor:

Hammwöhner, Rainer (2007): Qualitätsaspekte der Wikipedia; in: kommunikation@gesellschaft 8/2007, online unter: https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/12764/B3_2007_Hammwoehner.pdf.

Eine kritische Diskussion über ihre Verlässlichkeit begleitet die Entwicklung der Wikipedia von Beginn an. Schon beim Erscheinen des Aufsatzes im Jahr 2007 lagen einige Publikationen vor, die sich mit der Qualität dieser damals neuen Enzyklopädie befassten. In seinem Beitrag gibt Rainer Hammwöhner eine kurze Einführung in die Prinzipien der Wikipedia sowie einen Überblick über schon publizierte Ergebnisse zur Qualität der Wikipedia.

„Der eigentliche Grund für die Aufmerksamkeit, welche die Wikipedia genießt, liegt jedoch in dem augenscheinlichen Konflikt zwischen dem Anspruch der Wikipedia, enzyklopädisches Wissen ohne Einschränkung in Qualität und Reichweite bereitzustellen, auf der einen Seite und dem Prinzip, dieses Wissen von einer offenen, zum Teil anonymen Teilnehmergruppe zusammenstellen zu lassen, auf der anderen. Auf diese Herausforderung für den traditionellen Wissens- und Wissenschaftsbetrieb mit seinen Verfahren der Qualitätssicherung erfolgten sowohl vorsichtig affirmative als auch polemisch ablehnende Reaktionen“, so Hammwöhner. (Hammwöhner 2007, S. 1)

Laut Hammwöhner ist „Ziel des Wikipedia-Projekts die Bereitstellung freier enzyklopädischer Information für jedermann. Methodische Grundlage ist die Beteiligung einer offenen Nutzergemeinschaft an diesem Projekt – jeder kann mitwirken. Im Rahmen dieses Gesamtprojekts ist eine Vielzahl elektronischer Enzyklopädien entstanden“ (Hammwöhner 2007, S.2).

In der Mitarbeit an der Wikipedia nehmen die Nutzer verschiedene Rollen ein und als Autoren verfassen sie neue Artikel oder überarbeiten ältere. Durch die verwendete Basissoftware ist festgelegt, dass jede Änderung, die an einem Artikel vorgenommen wird, in einem Versionsraum so protokolliert wird, dass sie dem jeweiligen Autor zurechenbar ist. Zudem sind frühere Fassungen eines Artikels unter Zugriff auf den Versionsraum wieder herstellbar. Jedem Artikel ist eine Diskussionsseite zugeordnet, auf der die Autoren sich über Defizite des Artikels austauschen können und Meinungsverschiedenheiten beilegen können (vgl. Hammwöhner 2007, S. 3).

Im weiteren Verlauf seines Artikels geht Hammwöhner auf die Strukturen der Wissensorganisation in der Wikipedia, den alphabetischen Index, die dazugehörigen Themenportale, das Kategoriensystem und auf die Namensräume der Wikipedia ein. Außerdem erklärt er, dass die Wikipedia über ein vergleichsweise elaboriertes, aber nicht geschlossen ausformuliertes Qualitätsmodell verfüge. Hierbei können produkt- und prozessorientierte Qualitätsmerkmale unterschieden werden, die in Dokumentationstexten zur Wikipedia definiert werden.

Neben dem Ziel, eine Enzyklopädie aufzubauen, werden die drei folgenden Qualitätsmerkmale besonders hervorgehoben: Die Darstellung von Inhalten soll von einem neutralen Standpunkt aus erfolgen, der konkurrierende Theorien oder Anschauungen berücksichtigt. Diese Forderung soll einerseits einer möglichst objektiven Darstellung dienen, andererseits ist sie eine wichtige Voraussetzung, Konsens in einer großen Autorenschaft herzustellen, in der selbst extreme Meinungen ihre Vertreter finden.

Alle Inhalte eines Wikipedia-Artikels sollen durch Quellenangaben abgesichert sein. Außerdem soll in der Wikipedia gesichertes Wissen publiziert werden, daher ist sie kein Ort für die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Laut Hammwöhner basiert der Qualitätsprozess der Wikipedia primär auf der Aufmerksamkeit der Nutzergemeinschaft. Jeder sei gehalten, Artikel zu kommentieren, mit Qualitätsvermerken zu versehen oder zu verbessern. Die Offenheit dieses Prozesses wird von der Sicherheit getragen, dass jede Version eines Artikels wieder herstellbar ist, wenn eine Änderung mit oder ohne Absicht zu einer Verschlechterung seiner Qualität führen sollte (vgl. Hammwöhner 2007, S. 6).

„Aus der ursprünglichen Idee, eine frei verfügbare, von einer offenen Nutzergruppe getragene Enzyklopädie zu schaffen, die durch ein Wiki-System zugänglich wird, ist mittlerweile ein nicht nur umfangreiches, sondern auch sehr komplex strukturiertes Medienprodukt geworden. Während immer wieder festgestellt und kritisiert wird, wo die Wikipedia hinter konventionellen Enzyklopädien zurückbleibt, wird weniger betont, dass sie in manchen Belangen – etwa der Aktualität oder der Interlingualität – schon über diese hinausgeht“ (Hammwöhner 2007, S. 6).

Im weiteren Verlauf seines Artikels werden zunächst einige Studien zur Qualität der Wikipedia vorgestellt, die sich mit Aspekten der Qualität der Wikipedia befassen. Hammwöhner geht in seinem Artikel auf die Nature-Studie (Giles 2005) ein, hierbei wurden 50 Artikel ausgewählt, die ein breites naturwissenschaftliches Themenfeld abdecken sollten, und zu jedem der Themen wurde ein Experte ausgewählt, der jeweils ein Paar aus einem Wikipedia- und einem Britannica-Artikel zu bewerten hatte und drei Arten von Fehlern identifizieren sollte: sachliche Fehler, kritische Auslassungen, irreführende Formulierungen.

In einer Studie von Hammwöhner, Fuchs, Kattenbeck und Sax wurde die deutsche Wikipedia mit einer Print-Ausgabe des Brockhaus verglichen. Die Studien von Stvilia, Twidale, Gasser und Smith entwickeln zunächst ein Qualitätsmodell für die Wikipedia. Grundlage dieses Qualitätsmodells ist die in der englischen Wikipedia vorgenommene Hervorhebung von „Featured Articles“. Die Studie von Andrew Lih befasst sich mit der Verlässlichkeit der Wikipedia als journalistische Quelle und Emigh und Herring vergleichen zwei elektronische Enzyklopädien, Wikipedia und Everything, hinsichtlich des verwendeten Sprachregisters. Eine damals aktuelle Studie von Wiegand vergleicht die Wikipedia mit drei anderen digitalen Enzyklopädien anhand von 150 Testbegriffen.

„Eine traditionelle Enzyklopädie muss sich der Anforderung stellen, dass auch der schlechteste Artikel gewisse Qualitätsschranken nicht unterschreitet. Insofern sind die oben genannten Studien – ebenso wie die noch folgenden – nur begrenzt geeignet, Werturteile über die Wikipedia oder andere Enzyklopädien zu begründen. Sie sind jedoch von Nutzen, die Effekte zu verstehen, die aus den neuen Redaktionsprozessen der Wikipedia resultieren (Hammwöhner 2007, S. 10).

Hammwöhner erklärt, dass es aufgrund des andauernden Entwicklungsprozesses, in dem sich die Wikipedia befindet, sinnvoll sei, auch weiterhin Vergleiche zu traditionellen Enzyklopädien zu ziehen, und stellt zwei weitere Studien zur Wikipedia vor (vgl. Hammwöhner, S. 10). So wird im Artikel eine Studie vorgestellt, die Shakespeare’s Werk in der Wikipedia auf die fachliche Qualität hin überprüft. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, die Repräsentation dieses Gegenstandsbereichs in mehreren Wikipedias zu überprüfen und zu vergleichenden Urteilen zu kommen.

Im Zuge dessen wurden folgende Punkte vertieft: Der Vergleich der deutschen mit der englischen Wikipedia, die Vollständigkeit des Werks, die formale Korrektheit, der neutrale Standpunkt, die fachliche Korrektheit und die informatielle Absicherung. Im weiteren Verlauf des Artikels wird eine Evaluation der Wissensorganisation der Wikipedia vorgestellt. Hierbei wurde untersucht, inwieweit diese Strukturen den Prozess der Informationssuche geeignet unterstützen. Hammwöhner geht folglich auch hier auf den alphabetischen Index, die Themenportale, die Namensräume und das Kategoriensystem der Wikipedia ein.

Hammwöhner führt abschließend aus, dass die Wikipedia auch außerhalb der exzellenten Artikel in größeren thematischen Zusammenhängen verlässliche Information zur Verfügung stellen könne. Höhere Ansprüche an die Aufbereitung können dabei nicht gestellt werden, eine konsistente und vollständige Darstellung wird jedoch weitgehend erreicht. Qualitative Unterschiede zwischen den Wikipedias bestehen. Sie scheinen jedoch primär auf den unterschiedlichen Entwicklungsstand zurückzuführen zu sein (vgl. Hammwöhner 2007. S. 21). Außerdem erklärt er:

„Hinsichtlich der Wissensorganisation ist festzustellen, dass die Nutzer der Wikipedia das System nur sehr unvollständig konzeptualisiert haben. In manchen Fällen führten irreführende Bezeichnungen sogar zu Fehlkonzeptualisierungen. Hier wäre zum Teil mit einfachen Maßnahmen Abhilfe zu schaffen“ (Hammwöhner 2007, S. 21).

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