Donnerstag, 10. Juni 2021

bpb-Dossier Wikipedia: Geschichte des Projekts

In diesem Beitrag stellt Justin Bauer folgenden Text vor:

Kleinz, Thorsten (2012): Der schnelle Weg zum Weltwissen. Die Geschichte der Wikipedia; in: Dossier "Wikipedia" auf der bpb-Website: https://www.bpb.de/gesellschaft/digitales/wikipedia/145807/der-schnelle-weg-zum-weltwissen?p=0.

In seinem Aufsatz geht der Autor vor allem auf die Entwicklungsgeschichte und die Beweggründe des Wikipedia-Projekts ein. Die kleine Community, die dieses Hobbyprojekt „Online-Enzyklopädie“ in die Wege geleitet hatte, war sich 2001 wohl nicht ganz im Klaren, welchen neuen Problemen sie sich im Laufe des Wachstums stellen muss.

Das immer populärer werdende Web der Neunziger war allerdings zunächst als Konsummedium ausgestaltet, also ohne eine Intention, nutzergenerierte Inhalte zu erstellen. Die technischen Voraussetzungen für ein interaktives Internet waren aber schon längst gegeben, trotzdem dauerte es bis zum Jahr 2000, um die Grundidee eines Online-Lexikons zu beschließen. „Nupedia“ ging online, aber schaffte es in drei Jahren gerade einmal auf 24 fertige Lexikon-Artikel. Die Redaktionsprozesse waren alles andere als schnell, nur ausgewiesene Experten durften Texte verfassen, und die Qualitätsansprüche waren schlichtweg zu hoch.

Ein Jahr später erfuhren die Erfinder von der Wiki-Software und installierten sie auf dem Server von Nupedia. So ging am 15. Januar 2001 „Wikipedia“ online, und interessierte Enzyklopädie-Autoren waren frei, sich ans Werk zu machen. Kleinz spricht von einer „Schreiblust“, die dadurch bei Vielen ausgelöst wurde, und so kamen in nur zwei Monaten über 2000 Artikel zustande.

Im Artikel wird Kurt Jansson, ein damaliger Soziologie-Student an der freien Universität Berlin zitiert: „Ich war begeistert: man musste nur auf ‚Bearbeiten‘ klicken und das Ergebnis stand sofort online“. Die deutlichen Unterschiede der Artikel zu den heutigen Einträgen stellt Kleinz mit folgendem Zitat vor:

„Auch die Qualität der Texte war noch eher schlicht: Ein halbes Jahr nach Gründung umfasste der Eintrag zu Deutschland ganze fünf Zeilen und enthielt im Wesentlichen nur eine Aufzählung der Bundesländer, wichtiger Städte und angrenzender Staaten. Zum Vergleich: Der heutige Artikel ist 75 Druckseiten lang und deckt die Geschichte Deutschlands genauso ab wie Kultur und Politik.“ (Kleinz 2012)

Ein weiterer Vergleich: im Jahr 2021 hat der Eintrag zu Deutschland nur noch 51 Druckseiten. Daran ist sehr schön die Abwandlung der Einträge über die Jahre zu sehen.

In den ersten Jahren von Wikipedia herrschte egalitäres Chaos, alle Nutzer hatten die gleichen Rechte und es galt das Motto: „Wann immer Du etwas findest, von dem Du erkennst, dass es korrigiert oder sonstwie verbessert werden könnte, tu es einfach.“ (Kleinz 2012)

2002 wurde es einem der Mitgründer zu chaotisch, und so stieg Larry Sanger aus und gilt seitdem als einer der größten Kritiker. Das Ziel von 100.000 Artikeln in nur fünf Jahren wurde doch auch ohne ihn in nur drei Jahren geknackt, damit war klar, dass Wikipedia zu einem ernsthaften Herausforderer für die klassischen Enzyklopädien geworden war.

Die Suchmaschine Google spielte eine wichtige Rolle beim Aufstieg, die engen Vernetzungen der verschiedenen Artikel mit Links zu anderen Wikipedia-Beiträgen erkennt Google als gutes Kriterium und so war Wikipedia immer mit oben dabei, wenn es um bestimmte Suchbegriffe bei Google ging. Die Folge war allerdings, dass auch sehr mangelhafte oder sogar nicht existierende Beiträge auf der Google-Seite oben standen. Wikipedia bekam dadurch also auch Werbung, um sich an diesem Projekt zu beteiligen, je mehr Wiki-Beiträge, umso mehr Treffer bei Google.

Aus einem Hobby- wurde also ein Großprojekt, das seine Ressourcen (vor allem größere Serverplätze) finanzieren musste. Werbung wäre die einfachste Möglichkeit, aber da zeigte sich zum ersten Mal die Macht der Community.

„Alleine die Gerüchte über die Einführung von Werbung führten unter den Autoren zu einem Aufstand. Sie sahen das Projekt als Gegenpol zum grassierenden Kommerz im Internet.“ (Kleinz 2012)

2003 wurde eine gemeinnützige Stiftung, die Wikimedia Foundation gegründet. Der erste Spendenaufruf deckte die Kosten für die Servererweiterungen und 2004 sollte „Wikimedia-Deutschland“ gegründet werden. In Frankfurt eröffnete die erste Geschäftsstelle und die Wikipedia-Aktivisten riefen zur ersten weltweiten Konferenz für Wikipedia, der „Wikimania“ auf.

Der deutsche Verein brachte einen kleinen Umschwung mit sich, als er eine Kooperation mit einem Berliner Verlag einging. So war die Enzyklopädie nicht nur online, sondern auch offline auf Disc-Format verfügbar und war so zu einigen Standards gezwungen. Einträge mussten vervollständigt und angepasst werden, so wurden in einer konzentrierten Aktion tausende von Artikeln über Personen mit Geburtsort, Beruf und Sterbedatum versehen. Wikipedia war also nicht mehr nur eine Online-Enzyklopädie von Freiwilligen, sondern eine anerkannte Wissensplattform.

2005 war einer der Höhepunkte, bei vielen Tests schnitt Wikipedia ähnlich gut wie die kostenpflichtige Konkurrenz ab, zwar oftmals schlechter formuliert oder nicht so übersichtlich, aber die einfachen Querverbindungen zu anderen Einträgen machte dies wieder wett. Die hohe Aktualität muss Wikipedia auch noch angerechnet werden, neue Erkenntnisse können schnell eingetragen oder eben abgeändert werden.

Skandale über falsche Informationen schadeten dem Projekt kaum, noch heute gehört es zu den Top 10 der am meisten aufgerufenen Internetseiten. Neben Angeboten wie Facebook oder Google Maps wirkt Wikipedia allerdings mit der Zeit veraltet. Vor allem in Deutschland wirken die Richtlinien und die Redaktionspolitik auf Neulinge abschreckend und alles andere als eine frei ergänzbare Enzyklopädie.

Um den Rückgang der Autorenzahlen aufzuhalten, müssen neue Ideen her, neben einer Überarbeitung und Vereinfachung der Eingabemaske sollen auch in Entwicklungsländern Büros eingerichtet werden, eine angepasste Mobil-Version ist auch in Planung, um in Gegenden mit schlechtem Internet trotzdem ausreichenden Zugang zu haben.

Die deutsche Organisation setzt sich andere Ziele, so zum Beispiel das WikiData-Projekt. Ein auf einer Software basierendes Projekt, bei dem durch Eingabe eines unstrittigen Fakts (Berlin ist die Hauptstadt von Deutschland), gleich alle sprachlichen Versionen der Online-Enzyklopädie diesen übernehmen können und automatisch übersetzt wird. Dafür wurden elf neue Mitarbeiter eingestellt, um das zu verwirklichen. Daran ist der Wandel nochmal deutlich zu sehen, ausgehend von einem auf freiwilliger Basis stattfinden Projekt. (vgl. Kleinz)

„"Wiki-wiki" heißt immer noch "schnell”, doch diese Eigenschaft hat Wikipedia seit den turbulenten Anfangsjahren Stück für Stück verloren. Als gereiftes Projekt, auf das sich Millionen Menschen weltweit verlassen, muss die Gemeinschaft der Autoren Wege finden, das Projekt ständig neu zu erfinden.“ (Kleinz 2012)

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